Die Voraussetzungen dafür, dass in unseren Unternehmen und Institutionen intelligente Entscheidungen getroffen werden können, waren noch nie so günstig wie heute. Wir wissen sehr viel über zweckmäßige Organisation und gute Führung, und wir verfügen über die Kraft des Internets. Wir haben jederzeit Zugriff auf Informationsquellen in der ganzen Welt und können in realen und virtuellen Teams zusammenarbeiten. Kurzum: Die Chancen für die Herausbildung und Nutzung der allseits gepriesenen Schwarmintelligenz sind hervorragend. Die Realität sieht jedoch – so die Diagnose von Gunter Dueck – ganz anders aus. In unseren Organisationen dominieren Schwarmdummheit gepaart mit hirnlosem Flachsinn.
Schwarmdumm
In seinem Buch „Schwarmdumm. So blöd sind wir nur gemeinsam“ nimmt er die allseits verbreitete Mär, dass sich in Teams und Ausschüssen notwendigerweise Schwarmintelligenz herausbilde, radikal auseinander. Er macht klar, warum jeder Einzelne im Team oft besser entscheidet als das Team – der Schwarm – selbst. Der Autor zeigt auf, wie Schwarmdummheit entsteht und erklärt, warum der Schwarm geneigt ist, sich selbst zu genügen – und deshalb zu oft den Blick über den Tellerrand und für das Ganze ausblendet. Er kommt zu der ernüchternden Diagnose, dass sinnlose Meetings, krampfhaft herbeigeführte Kompromisse und trotz oder gerade wegen der Teamarbeit unausgereifte Entscheidungen und Ergebnisse in Organisationen keine Ausnahme, sondern die Regel seien. Die Führungskräfte und Mitarbeiter seien in den meisten etablierten Unternehmen und Institutionen gefangen in der selbstverschuldeten Kompliziertheit ihrer Organisationen. Es seien vor allem die Zwänge des Systems „Unternehmen oder Institution“, das typischerweise über Prozesse, Abläufe und Effizienzkriterien organisiert wird, die dafür sorgen, dass genial einfache Lösungen, deren es eigentlich bedarf, zu dummen, einfachen Lösungen degenerieren. Wer eine gewisse Portion an Berufserfahrung hat, dem standen sicherlich schon mehr als einmal die Nackenhaare senkrecht ob mancher Entscheidungen der in der Organisation existierenden Gremien.
Der Autor geht ein auf die eklatanten Defizite moderner Organisationen. Die Nährböden für Schwarmdummheit sind nach seiner Überzeugung die ständige Hektik und der Stress bei ständig wartenden Aufgaben, die Ereignisgetriebenheit sowie der Tunnelblick der nur noch von Meeting zu Meeting hetzenden Menschen. Die Konsequenzen dieses Arbeitsdrucks seien fatal dumm: Opportunismus, um die eigene Haut zu retten, Suche nach schnellen, aber keineswegs First-Class-Lösungen und auch Selbstüberschätzung von hart arbeitenden Inkompetenten. Die Schwarmdummheit aller mache den Einzelnen verrückt. Jede schwarmdumme Menge erzeuge Arbeitsneurosen, sodass sich am Ende ein neurotisches Gleichgewicht von Dummen herausbilde. Ein dummer Schwarm wirke gierig.
Auf den Punkt gebracht sind wir – so Dueck – gemeinsam nicht automatisch schlauer. Die wirkliche Seuche sind intelligente Menschen, die sich so organisieren, dass ihre Zusammenarbeit zur Ausbildung von Schwarmdummheit führt.
Flachsinn
In Duecks neuestem Buch „Flachsinn – Ich habe Hirn, ich will hier raus“ geht es um eine weitere Seuche: die Sucht nach Aufmerksamkeit im Internet, koste es, was es wolle. Das Buch ist eine scharfe, aber berechtigte Tirade gegen die fortschreitende Verblödung der Massen, den zunehmenden Stumpfsinn in den modernen Medien aller Art und unsere Ausbeutung als Klickvieh. Dueck fordert mehr Verantwortung und Hirn sprich Intelligenz im Aufmerksamkeitsgerangel. Das Echte und Wertvolle im Netz müsse zurückerobert werden. Wir sollten uns aufmachen ins Culture Valley, denn Silicon Valley reiche nicht.
Beide Bücher machen deutlich, dass wir uns auf dem Weg in die bestens organisierte digitale Gesellschaft in die geistige Abwärtsspirale begeben haben. Dem muss Einhalt geboten werden. Wir können das, wenn wir denn wollen.
Prof. Dr. Robert Fieten, fachlicher Berater der Beschaffung aktuell, Köln
