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Qualitätssicherung unter neuen Vorzeichen

ISO 9001:2015
Qualitätssicherung unter neuen Vorzeichen

Qualitätssicherung unter neuen Vorzeichen
Die Hauptstruktur für das QM-System nach EN 9100 (Auszug Abb.: 9100 Revision 2016, High Level Structure, IAQG (International Aerospace Quality Group 2015) Der Autor: Michael Rotzsche, Fachingenieur im Bereich Luftfahrt, sowie Auditor für QM-Systeme nach EN 9100/9120 bei Dekra Certification GmbH, Stuttgart
Die Mutter aller Systeme im Qualitätsmanagement – die ISO 9001 – wurde gründlich überarbeitet. Nach dreijähriger Revision löst die neue ISO 9001:2015 im Herbst die seit 2008 gültige Version ab. Daraus folgen ab Anfang 2016 auch umfassende Änderungen für die QM-Systeme nach der EN 9100 – Familie in der Luftfahrtindustrie Luftfahrt, Raumfahrt und Verteidigungsindustrie.

Die zivile Luftfahrtindustrie arbeitet weltweit an der Kapazitätsgrenze. Für die nächsten 20 Jahre prognostizieren Branchenanalysten infolge des steigenden Passagieraufkommens den Neubau von bis zu 30 000 Flugzeugen. Zur Bewältigung dieser beträchtlichen Fertigungsraten, die bereits heute Rekordniveau erreicht haben, verzweigt sich die globale Lieferkette zunehmend. Sie reicht von den herstellenden Originalausrüstern (OEM) bzw. Plattformintegratoren über die Zulieferebene 1 (Module, Systeme), die Zulieferebene 2 (Herstellung von Hauptkomponenten) bis hin zur Ebene 3 und 4 mit der Herstellung und Lieferung von Teilkomponenten und Rohmaterialien. Allein die beiden größten Flugzeughersteller haben mittlerweile ein Netzwerk von mehreren 1000 Zulieferern in über 30 Ländern. Dies stellt das Qualitätsmanagement vor eine beträchtliche Herausforderung. Denn mit der steigenden Nachfrage nimmt der Druck auf die qualitätsgesicherte Leistungsfähigkeit der Lieferkette zu.

Prozesse im Sinne der Kundenzufriedenheit zu optimieren, Kompetenzen der Mitarbeiter auszubauen und Risiken der Organisation zu minimieren, sind daher nicht nur getrieben von steigender Produktivität und Planungsgüte, sondern auch von höchster Sicherheitsrelevanz. Waren bis vor einigen Jahren noch zusätzliche Investitionen in Anlagen und Ausrüstung wichtige Stellschrauben zur Optimierung, sind diese mittlerweile ausgeschöpft, um keine Überkapazitäten aufzubauen.
Vereinheitlichung und Kompatibilität. Vielmehr steht das Management der Lieferkette und der Ressourcen im Fokus. In diesem Umfeld bietet die grundlegende Revision der Mutter aller QM-Systeme – die ISO 9001:2008 zur ISO 9001:2015 – die Basis für ein zeitgerechtes Qualitätsmanagement. Im September wurde sie veröffentlicht. Die neue EN 9100 wird Anfang 2016 erscheinen. Wesentliches Merkmal der ISO 9001:2015 ist die Einführung einer übergeordneten Grundstruktur (High Level Structure) in zehn Normabschnitten mit einer Reihe von Unterkriterien. Nach dieser Struktur werden künftig alle ISO-Standards aufgebaut, um die Integration und Kompatibilität mit anderen Managementsystemen zu vereinfachen. Von den zehn Hauptkapiteln finden sieben Anwendung in der EN 9100 (siehe Abbildung).
Beispiele: Der 6. Abschnitt „Planning (Planung)“ bestimmt einen risikobasierten Ansatz, wonach die Unternehmen ihre kontextbezogenen Risiken nicht nur dokumentieren, sondern ihre Wechselwirkungen mit dem Marktumfeld verstehen und vorausschauend beherrschen müssen. In dem 7. Abschnitt „Support (Unterstützung)“ z. B. steht das Wissensmanagement mit der Kernfrage im Vordergrund: Wie wird im globalen Outsourcing sichergestellt, dass die erforderlichen Kompetenzen tatsächlich bei den Mitarbeitern vorhanden sind?
Die neue Systematik soll dynamischer in die Geschäftsprozesse und strategische Planung der Unternehmensführung integrierbar sein. So besteht mit der EN 9100 basierend auf der High-Level-Struktur die Möglichkeit, künftig ein einziges, umfassendes und integriertes QM-System für die Organisation aufzubauen. Hinzu kommt ein höheres Gewicht auf Leistungsindikatoren und Kennziffern zur Steuerung des Prozessmanagements. Unter dem Stichwort „Leadership/Commitment“ verlagern sich auch die Verantwortlichkeiten für das QM-System auf die Unternehmensleitung. Das QM wird so ein integraler Bestandteil für die gesamte Wertschöpfung des Unternehmens, von der Planung über Forschung und Entwicklung bis hin zur Produktion und Auslieferung.
Weitere Neuerungen resultieren aus den Kriterien „Risikobasiertes Denken“ (Actions to adress risk and opportunity) und „Vermeidung gefälschter Bauteile“ (Control of externally provided processes, products & services): Während der Aspekt Risikomanagement in der ISO 9001 relativ neu ist, enthält ihn die EN 9100 schon länger. Allerdings verlangt die überarbeite EN 9100, dass Risiken noch umfassender zu identifizieren sind. Gemeint sind sowohl die Organisationsrisiken, die mit neuen Kunden, dem Eintritt in neue Märkte oder mit Kooperationen verbunden sind, als auch die operationellen Risiken. Sie gilt es, fundierter zu bewerten, beispielsweise bei der Einführung neuer Technologien, bei der Lieferantenauswahl oder der Prüfung von Verträgen. Hierzu gehört auch der Punkt Exportkontrolle und die damit verbundene Risikobewertung, ob ein etwaiger doppelter – ziviler und militärischer – Verwendungszweck besteht (Dual-Use-Verordnung EU 428/2009).
Umfassendes Risikobewusstsein. Neu in der revidierten Fassung der EN 9100 und als Reaktion auf die boomende Nachfrage sind auch detaillierte Anforderungen zur Abwehr gefälschter Bauteile. Zwar wird der Großteil der im Umlauf befindlichen gefälschten Bauteile auf der Ebene der OEM und der Zulieferebene 1 infolge der behördlichen Überwachung aufgedeckt. Doch die meisten gefälschten Bauteile stammen aus den tieferliegenden Zulieferebenen sowie aus dem Komponentenhandel. Diese Ebenen werden nicht behördlich überwacht. Daher ist seitens des Qualitätsmanagements eine hohe Sensibilität gefragt, worauf die EN 9100 reagiert. Gefordert werden deshalb einzelne Prozesse, die speziell darauf ausgerichtet sind, das Beschaffungsrisiko in seinen vielschichtigen Wechselwirkungen zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu Überwachung einzurichten. Hierzu zählt auch eine Reporting-Struktur, die eine umgehende Meldung eines Vorfalls an die relevanten Behörden und geeigneten Branchen- Informationsdienste sicherstellt.

Änderungen
Die Änderungen mit der ISO 9001:2015 schaffen eine bessere Akzeptanz für das Qualitätsmanagement, da die Norm jetzt praxisorientierter ist. Der Schwerpunkt liegt nicht mehr so stark auf Dokumentationsvorschriften. Das Thema Optimierung von Prozessen rückt stärker in den Mittelpunkt.
Trotz einer Übergangszeit von drei Jahren sind die Qualitätsverantwortlichen jetzt gefordert, die Weichen in Richtung ISO 9001:2015 zu stellen. sas
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