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Schon bei Vertragsverhandlungen entstehen Pflichten!

Anspruch des Partners auf Vertraulichkeit und Sorgfalt
Schon bei Vertragsverhandlungen entstehen Pflichten!

Gelegentlich wird wie folgt argumentiert: „Wir sind uns mit der anderen Seite noch längst nicht einig. Unterschrieben wurde bisher auch noch nichts. Irgendwelche Verpflichtungen können folglich für uns noch nicht entstanden sein. Und wenn wir nicht gegen Verpflichtungen verstoßen konnten, können gegen uns auch Schadenersatzansprüche nicht gestellt werden.“ Klingt eigentlich logisch, ist aber falsch. Prof. Dr. Karlheinz Schmid, Lüneburg, erläutert, was richtig ist.

Prof. Dr. jur Karlheinz Schmid

Bereits mit dem Eintritt in Vertragsverhandlungen entsteht zwischen den Verhandlungspartnern ein gesetzliches Schuldverhältnis mit teilweise sehr weitgehenden Pflichten. Aus diesem „vertrags-ähnlichen Vertrauensverhältnis“ heraus können noch von keiner Seite irgendwelche einklagbaren primären Leistungspflichten abgeleitet werden. Beide Seiten sind also bis zum Ende der Vertragsverhandlungen frei, ob sie den Vertrag abschließen wollen oder nicht. Es ergeben sich jedoch bereits so genannte Sekundärpflichten, insbesondere Aufklärungs- und Schutzpflichten.
Rechtsprechung und Lehre haben früher mangels einer besonderen gesetzlichen Regelung den Grundsatz entwickelt, dass bereits durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder durch den Beginn auf vertragliche Vereinbarungen abzielender geschäftlicher Kontakte ein solches vertragsähnliches Vertrauensverhältnis begründet wird, das die Vertragspartner zur Sorgfalt von Schuldnern verpflichtet.
Der Bundesgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 20.6.1952 (BGHZ 6 S. 333) u.a. Folgendes ausgeführt: „Die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss ist eine solche aus einem in Ergänzung des geschriebenen Rechts geschaffenen gesetzlichen Schuldverhältnis, das aus der Aufnahme von Vertragsverhandlungen entspringt und zur verkehrsüblichen Sorgfalt gegenüber dem Geschäftsgegner verpflichtet.“
Im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.01.1976 (BGHZ 66 S. 54) hieß es hierzu u.a.: „Die aus diesem Schuldverhältnis hergeleitete Haftung für die Verletzung von Schutz- und Obhutspflichten findet bei Fällen der vorliegenden Art ihre Rechtfertigung darin, dass der Geschädigte sich zum Zwecke der Vertragsverhandlungen in den Einflussbereich des anderen Teils begeben hat und damit redlicherweise auf eine gesteigerte Sorgfalt seines Verhandlungspartners vertrauen kann.“ Die Haftung für Verschulden beim Vertragsabschluss war also früher eine der wichtigsten gewohnheitsrechtlich geltenden Anspruchsgrundlagen.
Aktuelle Situation
Trotz der Vielfalt der im vorvertraglichen Raum entstehenden Pflichten sowie der großen Unterschiede in den durch diese Pflichten geschützten Interessen hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, mit dem Schuldrechtsreformgesetz ab dem 1.1.2002 die Anspruchsgrundlage „Verschulden beim Vertragsabschluss“ zu kodifizieren, d.h. in das Bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen. In § 311 Abs.2 und 3 BGB heißt es jetzt:
(2) „Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
  • 1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
  • 2. die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
  • 3. ähnliche geschäftliche Kontakte“.
(3) „Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs.2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.“
In § 241 Abs. 2 BGB heißt es jetzt:
„Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.“
Da es sich bei diesem vorvertraglichen Rechtsverhältnis um ein gesetzliches Schuldverhältnis handelt, haften beide Partner für Vorsatz und jede Form der Fahrlässigkeit, also auch für leichteste Fahrlässigkeit (§ 276 BGB). Jede Seite haftet auch für ihre Mitarbeiter, da diese insoweit Erfüllungsgehilfen sind (§ 278 BGB).
Verletzt also ein Verhandlungspartner eine der bei Anbahnung, bei Führung der Vertragsverhandlungen oder beim Vertragsabschluss selbst zu beachtenden Pflichten schuldhaft, z.B. eine Offenbarungs-, Hinweis- oder Anzeigepflicht, so ist er der Gegenseite zum vollen Schadensersatz (§ 280 BGB) verpflichtet.
Intentionen des Gesetzgebers
Der Gesetzgeber wollte mit dem neuen § 311 Abs.2, 3 BGB das Rechtsinstitut „Verschulden beim Vertragsabschluss“ nicht in allen Einzelheiten regeln. Dies wäre auch angesichts der großen Bandbreite und der Vielfalt der zu berücksichtigenden vorvertraglichen Pflichten kaum möglich gewesen. Es ist jetzt statt dessen eine abstrakte Regelung gefunden worden, die der Weiterentwicklung durch die Rechtsprechung nicht im Wege steht. Mögliche Inhalte der Pflichten aus einem vor Vertragsschluss entstehenden gesetzlichen Schuldverhältnis ergeben sich für den konkreten Einzelfall aus dem ebenfalls nur im Grundsatz geregelten § 241 Abs.2 BGB (vgl. Ges.Mat., S. 373).
Kommentar
§ 311 Abs.2 BGB regelt die Voraussetzungen, unter denen ein vorvertragliches Schuldverhältnis entstehen kann. Keine Aussagen werden über den Inhalt und die Reichweite der vorvertraglichen Pflichten gemacht. „Das führt dazu, dass z.B. die Frage, unter welchen Umständen der Abbruch von Vertragsverhandlungen oder das Zustandekommen eines inhaltlich nachteiligen Vertrags zur Haftung führen, bewusst ausgeklammert bleiben“ (Ges.Mat., S. 373).
Keinen Zweifel kann es allerdings daran geben, dass derjenige gemäß §§ 311 Abs.2, 241 Abs.2, 280 Abs.1 BGB haftet, der eine vorvertragliche Pflicht schuldhaft verletzt und damit seinem Geschäftspartner einen Schaden zufügt.
Aufnahme von Vertragsverhandlungen
Das gesetzliche Schuldverhältnis entsteht in demselben Augenblick, in dem Vertragsverhandlungen beginnen. Diese Vertragsverhandlungen müssen mit dem Ziel geführt werden, einen Vertrag abzuschließen. Diese Zielsetzung ist allein ausschlaggebend; ob der Vertrag dann zustande kommt, spielt keine entscheidende Rolle. Das vorvertragliche Vertrauensverhältnis endet entweder mit dem Abschluss des Vertrages oder mit dem Abbruch der Verhandlungen, weil eine Einigung nicht erzielt werden kann.
„Das durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen entstehende Schuldverhältnis ist wie bisher dadurch gekennzeichnet, dass es keine primären Leistungspflichten begründet. Es bestehen lediglich Pflichten zur Rücksicht, Fürsorge und Loyalität. Wie weit diese Pflichten reichen, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Diese entziehen sich ebenso wie ihre nähere Ausprägung einer gesetzlichen Regelung; dies muss auch weiterhin der Rechtsprechung überlassen bleiben. Dabei kann und sollte auf die Ergebnisse der bisherigen Rechtsprechung zurückgegriffen werden, die auch für die jetzt getroffene Regelung zutreffen“ (Ges.Mat., S. 374).
Zum Begriff „Anbahnung eines Vertrages“
§ 311 Abs.2 Nr. 2 BGB hat als Ausgangspunkt „die Anbahnung eines Vertrages“. Hier werden also keine Vertragsverhandlungen geführt, obgleich sich hier mögliche Vertragspartner begegnen. Meist bevor die eigentlichen Vertragsgespräche beginnen können, wird einem Teilnehmer vom anderen ein Schaden zugefügt. Berühmt geworden sind der schon vom Reichsgericht entschiedene Linoleumrollen-Fall, bei dem ein Kunde in einem Kaufhaus durch eine herabfallende Teppichrolle verletzt wurde, und der vom Bundesgerichtshof entschiedene Salatblatt-Fall, bei dem ein Kunde in einem Supermarkt auf einem am Boden liegenden Salatblatt ausrutschte und sich dadurch verletzte.
Hier und in entsprechenden Fällen haben Geschäftsleute ihre Verkaufsräume für Kunden zur Verfügung gestellt, um so Kontakt mit ihnen aufnehmen zu können. Das alles mit dem Ziel, mit ihnen Verträge abschließen zu können. Wenn ein Geschäftsmann zur Vertragsanbahnung seine Räumlichkeiten bereitstellt, dann muss dies in einer Art und Weise geschehen, dass dem interessierten Publikum in diesen Räumen keine Schäden entstehen. Geschieht dies gleichwohl, hat der Geschäftsinhaber mit großer Wahrscheinlichkeit seine Obhuts-, Sorgfalts- und Sicherheitspflichten schuldhaft verletzt.
Es geht also um eine potenzielle rechtsgeschäftliche Beziehung. Wenn der eine Teil dem anderen Teil im Hinblick auf eine solche rechtsgeschäftliche Beziehung die Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen ermöglicht, entstehen ähnliche Obhutspflichten wie in der Fallgruppe „Aufnahme von Vertragsverhandlungen“. Als Rechte und Rechtsgüter kommen z.B. Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Eigentum in Betracht. Interessen sind insbesondere die Vermögensinteressen des anderen Teils, aber auch die Entscheidungsfreiheit.
Zum Begriff „ähnliche geschäftliche Kontakte“
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass Ansprüche wegen „Verschuldens beim Vertragsabschluss“ nicht nur bei reinen Vertragsverhandlungen oder bei der Anbahnung von Verträgen entstehen können, sondern auch bei ähnlichen geschäftlichen Kontakten, etwa bei informellen Vorgesprächen oder Vorverhandlungen. Es handelt sich also hier um geschäftliche Situationen, bei denen noch kein Vertrag verhandelt oder abgeschlossen, wohl aber vorbereitet werden soll.
Zur Eigenhaftung von Vertretern
Ein vertragsähnliches Schuldverhältnis kann auch mit solchen Personen entstehen, die gar nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Dies sind die Fälle der so genannten Eigenhaftung von Vertretern eines Geschäftspartners oder Verhandlungsgehilfen (vgl. § 311 Abs.3 BGB).
Die wichtigste Fallgruppe in diesem Sinne wird in §311 Abs.3 Satz 2 BGB genannt. Ein Dritter, zum Beispiel ein beteiligter Rechtsanwalt, nimmt in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch, indem er etwa auf seine besondere Seriosität und sein profundes Insiderwissen hinweist und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsabschluss erheblich beeinflusst.
Das besondere Vertrauen muss über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehen. Dafür reicht es nicht aus, wenn jemand nur auf seine eigene Sachkunde verweist oder der Wortführer ist. Ausreichend kann dagegen die Äußerung sein, man verbürge sich für den Vertragspartner.
„Angesprochen ist damit auch die so genannte Sachwalterhaftung. Es handelt sich um die Haftung von Sachverständigen oder anderer „Auskunftspersonen“, die nicht selbst ein Eigeninteresse an einem Abschluss des Vertrags haben, dennoch aber durch ihre Äußerungen entscheidend zum Vertragsabschluss beitragen, weil sich ein Verhandlungspartner auf ihre Objektivität und Neutralität verlässt. Hierfür hat sich der Begriff Sachwalter eingebürgert. Vgl. Ges.Mat. S. 376.
Zum Anfang und Ende der vorvertraglichen Pflichten
Das vorvertragliche Vertrauensverhältnis beginnt mit dem Eintritt in Vertragsverhandlungen oder mit dem ersten vorbereitenden geschäftlichen Kontakt. In dem Augenblick, in dem also ein Kunde mit Kaufabsicht ein Kaufhaus betritt, setzt das vorvertragliche Vertrauensverhältnis ein und verpflichtet den Inhaber, alles zu tun, damit der Kunde keinen Schaden erleidet.
Führen Vertragsverhandlungen zum Abschluss eines wirksamen Vertrages, dann enden die vorvertraglichen Pflichten. Ab jetzt gilt das gesetzliche Recht der Leistungsstörungen.
Die Haftung für unqualifiziertes Verhalten im vorvertraglichen Raum tritt unabhängig davon ein, ob es später zu einem Vertragsabschluss kommt oder nicht. Entstandene Schadenersatzansprüche wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten bleiben daher auch dann noch bestehen, wenn der Vertrag später abgeschlossen und durchgeführt wird.
Die Haftung aus Verschulden beim Vertragsabschluss gilt für das gesamte Privatrecht; soweit jedoch abschließende gesetzliche Sonderregelungen im Einzelfall gelten, haben diese Vorrang.
Die nachfolgenden Beispiele werden beweisen, dass die Anspruchsgrundlage „Verschulden beim Vertragsabschluss“ in ihrer Bedeutung und für den professionellen Einkauf gar nicht hoch genug eingestuft werden kann.
Angebote nur zum Spaß – das kann teuer werden!
Die Ausarbeitung von Angeboten kann sehr teuer sein. Im Ausschreibungsverfahren dürfen daher Unternehmen zur Abgabe von Angeboten nur dann aufgefordert werden, wenn sie überhaupt eine Chance haben, den Zuschlag zu bekommen. Denn nur dann lohnt sich der finanzielle Aufwand. Es genügt, wenn eine geringe Chance besteht. Ist aber die Möglichkeit, den Zuschlag zu erhalten, gleich null, liegt Verschulden beim Vertragsabschluss vor, weil das angeschriebene Unternehmen völlig sinnlos in Kosten gestürzt wird. Wird alles offenbar, müssen die Ausarbeitungskosten in vollem Umfang selbst dann ersetzt werden, wenn um ein kostenloses Angebot gebeten wurde. Das Fehlverhalten im Einkauf wirkt nämlich hier stärker als die Kostenklausel.
Solche Fälle passieren, wenn der Auftrag vergeben wurde und dann nur deshalb zwei weitere Angebote angefordert werden, um den Vorschriften des Einkaufshandbuchs zu entsprechen.
Vorsicht mit Informationsangeboten!
Ist ein Unternehmen noch nicht fest entschlossen, eine größere Investition zu realisieren, ist es aber gleichwohl interessiert, den finanziellen Aufwand zu kennen, dann werden häufig so genannte Informationsangebote eingeholt. Ob die Worte „zur Information“ ausreichen, um der anderen Seite deutlich zu offenbaren, dass mit einer baldigen Realisierung nicht unbedingt zu rechnen ist, ist mehr als zweifelhaft. Rechtsprechung gibt es zu dieser Problematik, soweit ersichtlich, nicht. Besser ist es deshalb, die Ungewissheit der Verwirklichung deutlich anzusprechen. Etwa wie folgt: „Wir tragen uns mit dem Gedanken, ein neues …-Werk zu errichten. Um einen Überblick über die Gesamtkosten zu erhalten, bitten wir Sie um ein für uns unverbindliches und kostenloses Informationsangebot für folgenden Teilbereich …“
Was gilt bei Abbruch der Gespräche?
Im Regelfall hat jeder die von ihm im Hinblick auf einen erwarteten Vertragsabschluss getätigten Aufwendungen selbst zu tragen. Das Risiko, so der Bundesgerichtshof (Betriebs-Berater 1989 S. 729, Der Betrieb 1989 S. 1022), dass später der Vertrag nicht zustande kommt und sich die Aufwendungen somit als nutzlos erweisen, fällt jedem Verhandlungspartner selbst zu. Es gilt also: Auch wenn die Parteien schon längere Zeit ernsthaft miteinander verhandelt haben, kann jede Seite den Vertragsabschluss verweigern. Die Befürchtung, man würde sich dadurch wegen Verschuldens beim Vertragsabschluss schadenersatzpflichtig machen, wäre unbegründet.
Normalerweise haftet ein Vertragspartner nur dann wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen, wenn er schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, gegen eine bestimmte, dem Partner gegenüber bestehende, vorvertragliche Verpflichtung verstößt. Haftbar ist aber auch der Partner, der ohne Verschulden bei der Verhandlungsführung Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages erweckt hat und anschließend ohne triftigen Grund den Vertragsabschluss verweigert. Erforderlich ist hierfür allerdings ein so genannter qualifizierter Vertrauenstatbestand. Er ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung u.a. gegeben, wenn der die Vertragsverhandlung abbrechende Partner zuvor den Vertragsabschluss als sicher hingestellt hatte, den anderen Teil zu Vorleistungen veranlasst hatte oder wenn die Parteien mit der Durchführung des Vertrages begonnen haben.
Deshalb lautet der Leitsatz des BGH-Urteils (Betriebs-Berater 1989 S. 729, Der Betrieb 1989 S. 1022:
„Wer gegenüber dem Partner im Laufe der Vertragsverhandlungen den späteren Vertragsabschluss ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten als sicher hinstellt, haftet aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen grundsätzlich auch dann, wenn er das berechtigte Vertrauen des anderen Teils nicht schuldhaft herbeigeführt hat.“
Pflichten des Verkäufers
Beim Kauf von Maschinen haftet der Verkäufer aus „Verschulden beim Vertragsabschluss“, wenn er falsche, die geplante Aufstellung der Maschine verhindernde Maße angibt (BGH NJW 62, 1196) oder wenn er verschweigt, dass die Maschine in den vom Verkäufer vermittelten Räumen wegen entgegenstehender Unfallverhütungsvorschriften nicht betrieben werden darf (BGH NJW 85, 1771).
Haben die Parteien vereinbart, dass der Großhandelspreis berechnet werden soll, dann stellt die Berechnung eines höheren Preises „Verschulden beim Vertragsabschluss“ dar (BGHZ 80, 84). Wenn dagegen ein Großhändler einem geschäftlich erfahrenen Käufer eine Maschine zu einem „Sondernettopreis“ anbietet, dann braucht er nicht unaufgefordert darauf hinzuweisen, dass es sich um ein älteres Modell handelt (BGHZ 96, 312). Grundsätzlich besteht auch keine Pflicht, auf einen bevorstehenden Modellwechsel oder zukünftige technische Verbesserungen hinzuweisen.
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3.12.1998 (Der Betrieb 1999 S. 1493) besteht jedoch bei hochwertigen Geräten der Unterhaltungselektronik (Videorecorder, Autoradios usw.) grundsätzlich eine Hinweispflicht des Handels, wenn das fragliche Modell vom Hersteller nicht mehr produziert und nicht mehr im Sortiment geführt wird. Aber: „Hat ein Händler ein Gerät aus der laufenden Produktion erworben, kann der Hinweis auf die erfolgte Modelländerung jedoch so lange unterbleiben, bis das Nachfolgemodell im Handel ist – oder wenn es kein Nachfolgemodell gibt – bis die Ware im üblichen Warenumschlag abgesetzt ist.“
Wenn die AEB unzulässige Klauseln enthalten
Stellt sich später heraus, dass der abgeschlossene Vertrag unwirksam ist und der Grund der Unwirksamkeit aus der Sphäre allein eines Vertragspartners stammt, dann kann dieser wegen Verursachung der Unwirksamkeit oder wegen mangelnder Aufklärung über das Wirksamkeitshindernis aus „Verschulden beim Vertragsabschluss“ dem anderen schadenersatzpflichtig sein. Die Rechtsprechung hat solche Fälle angenommen bei schuldhaft unklarer Ausdrucksweise, bei Fehlen einer devisenrechtlichen Genehmigung oder bei einem Vertragsabschluss durch einen nicht vertretungsberechtigten Verhandlungsführer (BGHZ 18, 25; 92, 175).
Wer gegen das AGB-Recht verstoßende Vertragsbedingungen oder gar sittenwidrige Klauseln verwendet, muss unter bestimmten Voraussetzungen damit rechnen, zum Ersatz des Schadens herangezogen zu werden, der dadurch dem Vertragspartner entsteht (BGHZ 99, 106). Grundsätzlich muss jedoch jeder Vertragspartner seine rechtlichen Interessen selbst wahren. Anders ist es nur, wenn eine Partei aus Gesetz, Vertrag oder vorangegangenem Tun der anderen Seite Aufklärung schuldet.
Außerdem ist nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (Betriebs-Berater 1987 S. 2394) die Verwendung einer unwirksamen Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann nach § 1 UWG wettbewerbswidrig und begründet einen Unterlassungsanspruch der Mitbewerber, wenn die Klausel eindeutig und offenkundig gegen die Vorschriften des AGB-Gesetzes verstößt und geeignet ist, dem Verwender gegenüber seinen Mitbewerbern einen Vorsprung im Wettbewerb zu verschaffen.
Fazit
Achten Sie also darauf, dass Ihre Allgemeinen Einkaufsbedingungen immer auf dem neuesten Stand sind und jeweils die aktuelle Gesetzeslage und Rechtsprech-ung wiedergeben. Bei den zahlreichen Gesetzesänderungen, die in letzter Zeit erfolgten und die noch bevorstehen, ist es unbedingt erforderlich, dass alle Vertragsmuster, Textentwürfe, Klauseln und insbesondere die Allgemeinen Einkaufsbedingungen – zum Vorteil des eigenen Unternehmens – laufend überprüft und effektiv gestaltet werden. Dies ist eine verantwortungsvolle Arbeit, die in die Hand des Fachmanns gehört.
Das vorvertragliche Vertrauensverhältnis
– Durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen entsteht zwischen den Verhandlungspartnern ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis.
– Nach der Rechtsprechung entwickelt sich hierdurch ein gesetzliches Schuldverhältnis, das jedoch im Gesetz nicht geregelt ist.
– Durch dieses vorvertragliche Schuldverhältnis werden die Geschäftspartner zur Sorgfalt von Schuldnern verpflichtet. Es entstehen gegenüber dem Verhandlungspartner Schutz,- Obhuts-, Sorgfalts-, Informations-, Aufklärungspflichten usw.
– Wer diese vorvertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt, muss wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss (culpa in contrahendo) für den Schaden aufkommen, der hierdurch dem Verhandlungspartner entsteht. Ersetzt wird der sogenannte Vertrauensschaden.
Das vorvertragliche Vertrauensverhältnis bei Aufnahme von Vertragsverhandlungen
– Ein Schuldverhältnis entsteht auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, die Anbahnung eines Vertrages … sowie durch ähnliche geschäftliche Kontakte. Vgl. § 311 Abs.2 BGB.
– Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zu besonderer Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Siehe § 241 Abs.2 BGB.
– Durch dieses vorvertragliche Schuldverhältnis werden die Geschäftspartner zur Sorgfalt von Schuldnern verpflichtet. Es entstehen gegenüber dem Verhandlungspartner Schutz-,Obhuts-, Sorgfalts-, Informations-, Aufklärungspflichten usw.
– Wer eine solche vorvertragliche Pflicht schuldhaft verletzt und damit seinem Geschäftspartner einen Schaden zufügt, haftet gemäß §§ 311 Abs.2, 241 Abs.2 , 280 Abs.1 BGB.
– „Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat“(§ 280 Abs.1 BGB).
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