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Verhandlungskunst – was man lernen muß

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Verhandlungskunst – was man lernen muß

Hans im Glück oder der glückliche Handel: Für sieben Jahre Dienst hatte Hans Wohlgemut einen Goldklumpen zum Lohn erhalten. Er tauschte ihn gegen ein Pferd, das ihn abwirft, dieses gegen eine Kuh, die ihn tritt, diese gegen ein Schwein, dieses gegen eine Gans, diese gegen einen Wetzstein, der schließlich in den Brunnen fällt. Jetzt erst ist Hans glücklich und zufrieden. Er hat gelernt, daß Freiheit die Befreiung von Lasten bedeutet. Diese lebenslang gültige Erkenntnis, den ideellen Gewinn, schätzt er wertiger ein als den materiellen Verlust.

Günter Hirschsteiner, Betriebswirt VWA

Je komplexer dem Menschen Situationen und Phänomene
erscheinen, desto anspruchsvoller und vielfältiger muß sein Vorrat an aktivierbaren Verhaltensweisen sein, um diese zu beherrschen. Lernen bedeutet natürlich auch, reproduzierbares Wissen oder Fähigkeiten zu erwerben, bezogen auf das Gedächtnis. Eigentlich meint es aber, auf die Psyche bezogen, den Erwerb von situativ verwertbaren Verhaltensoptionen aus eigener Erfahrung und Übung für künftige Herausforderungen.
Verhandlungskunst ist keine einfache Technik, weil sie durch Auswendiglernen und systematische Übung alleine nicht erworben werden kann. Verhandlungen sollen soziale Beziehungen gestalten und fördern. Eigene Absichten und Ziele im Spannungsfeld der Gegebenheiten und der Interessen konkurrierender Menschen sozialverträglich zu realisieren, ist eine Kunst, „. . . die gestaltende Tätigkeit des schöpferischen Menschengeistes . . .“. Das gilt auch für die Kunst des einkäuferischen Verhandelns, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft und anspruchsvolle Ziele erreicht werden sollen. Verhandlungen schließen ein
ízwei egoistische Kontrahenten,
ístrategische Elemente: die Sache, die Gegebenheiten und die Ziele,
íStrategien zur Handlungsorientierung,
íKommunikation als Medium,
íFührung und Motivation,
íMethoden und Techniken.
Das alles zu beherrschen und zu beeinflussen, will gut verstanden und richtig gelernt sein. Weil es darum geht, Andere zur Kooperation zu motivieren, werden dazu Überzeugungsstärke und Motivationsfähigkeit gebraucht. Aber:
•Nur wer wahrhaftig von sich selbst überzeugt ist, kann auch andere überzeugen
Selbstsicherheit erhalten
Selbstbehauptung und Durchsetzungsvermögen setzen Selbstvertrauen voraus. Das rechte Maß zwischen Anbiederung und Überheblichkeit ist zu finden: wohlmeinende freundliche Distanz. Und es muß besonders so ankommen und empfunden werden. Dazu gehört auch zu verinnerlichen, daß die Menschen nicht alleine gut oder böse sind und man selbst auch unbewußt und bewußt, unbemerkt und bemerkt, manipuliert wird. Darauf muß man sich realistisch denkend einstellen. Mit Mißtrauen oder innerer Verärgerung und Verbitterung kann man nicht verhandeln, weil so vorurteilsfreies Wahrnehmen und Erkennen sowie partnerorientiertes Verhalten blockiert werden.
Mangelndes Selbstvertrauen zeigt Unsicherheiten zum eigenen Selbstwertgefühl auf, die als Schwächen erkannt werden und so Angriffe provozieren, die weiter verunsichern sollen. Demonstratives Selbstvertrauen bewirkt, daß sich der Partner innerlich verschließt und so nicht mehr „abgeholt“ werden kann. Wenn der Kontrahent es durchschaut, wird er auch diese Schwäche ausnützen.
•Vor jeder Verbesserung steht die Erkenntnis eines Mangels
Selbstvertrauen wird durch Beobachtung und Erkenntnis des eigenen Verhaltens und seiner Wirkung auf andere sensibilisiert. Jeder Mensch ist einmalig. Das ist die Basis eines gesunden Selbstvertrauens. Seine Qualität ergibt sich aus dem Bewußtsein, welche Rolle man in seinem sozialen Umfeld übernehmen will. Das verhilft zur eigenen Orientierung und der Entwicklung der Persönlichkeit. Ziele ergeben sich so und die Fähigkeiten, sie zu erreichen, werden stetig entwickelt. Erfolge kommen und mit ihnen ein gesundes Selbstwertgefühl. Aus Selbstsicherheit erwächst die positive Gelassenheit, mit der andere nachhaltig überzeugt werden können, besonders beim Verhandeln.
Persönlichkeit entwickeln, Verhalten einstellen
Verhandeln bedeutet Menschen zu einem Ergebnis führen. Weil unter gleichberechtigten Kontrahenten formale Autorität nicht vorgegeben ist und Sachautorität alleine nicht ausreicht, erhält die spezifische Autorität der Persönlichkeit an Bedeutung. Menschen mit Eigenschaften und Fähigkeiten, die anerkannt, geschätzt und vorbildlich angesehen sind, werden als Persönlichkeiten bewertet. Personen werden erst im sozialen Umfeld zu Persönlichkeiten, wenn sie mit ihrer Haltung und ihrem Verhalten andere positiv „ansprechen“. Die Merkmale einer vorbildlichen persönlichen Ausstrahlung sind unter anderen:
íeine positive persönliche Grundeinstellung, die Sympathie schafft,
íIntelligenz und Klugheit als allseits erstrebenswerte Fähigkeiten,
íIndividualität und Originalität für eine beachtete Stellung im sozialen Umfeld,
íUrteilsvermögen und Entscheidungsfähigkeit für angemessenes Handeln,
íKommunikations- und Kooperationsfähigkeit, um andere zu führen,
íVerantwortungsbewußtsein, Berechenbarkeit und Verläßlichkeit, die Vertrauen schaffen,
íGelassenheit und Konfliktbeherrschung für die soziale Verträglichkeit,
íInitiative und Ausdauer für den Erfolg.
Zum angemessenen Auftreten und Verhalten können einige Regeln helfen, zum Beispiel:
íein angemessenes Outfit, das weder „einengt“ noch Überraschungen provoziert,
ísich selbst kontrollieren und dadurch innere Sicherheit, Selbstbeherrschung und teilnehmendes Interesse zeigen,
ídie eigene Sache selbstsicher, engagiert aber flexibel vertreten,
íweder Unwichtiges noch Absichten oder Gegebenheiten mitteilen, die man besser für sich behalten sollte,
íunangemessene Vertraulichkeiten unterlassen, sondern wohlwollende Distanz bewahren,
íRechtfertigungen vermeiden, wenn sie zur Befriedung des eigenen Minderwertigkeitsgefühls dienen sollen, weil dies auch von anderen so gesehen würde,
íGeben und Nehmen praktizieren und Zusagen grundsätzlich nicht ohne Gegenleistung machen,
íRechthaberei und Besserwisserei unterlassen, weil sie keine eigentlichen Vorteile einbringen.
Kontrahenten erkennen
Der Kontrahent ist der wichtigste Faktor des einkäuferischen Erfolgs. Er muß für die eigene Sache eingenommen werden und alle seine Potentiale dafür nutzbar machen wollen. Dazu muß man ihn mit seinen Möglichkeiten und seinen Zielen erkennen und gewinnen.
Manipulation oder Motivation?
Manipulation ist das Bestreben, die Wahrnehmung, das Handeln sowie die Erfahrungen anderer Menschen zum eigenen Vorteil zu beeinflussen, ohne daß diese Absicht und Methode durchschauen. Das kommt nicht zu selten vor, besonders im betrieblichen Alltag, vielleicht weil manipulieren meist weniger aufwendig ist als motivieren. Motivation ist der Antrieb zu einem bestimmten Verhalten, der sich aus inneren Anlässen und äußeren Anreizen ergibt.
Das betrifft sowohl die eigene als auch die Motivation anderer, intuitiv oder willentlich. Die Grenzen zur Manipulation sind dabei selten eindeutig, sondern ineinander übergehend. Motivationswirkungen sind langfristig effizienter, weil sie aus dem und mit dem persönlichen inneren Interesse entstehen.
Motivation ist Menschen-Führung der besten Art
Wer einen Verhandlungspartner für seine Sache motivieren will, sollte dessen Beweggründe erkennen, sein Verhalten einschätzen und seine voraussichtlichen Reaktionen ermessen können. Dazu müssen hauptsächlich seine charakteristischen Wesenszüge, seine Stellung im beruflichen Umfeld und seine Absichten erfaßt werden. Aus ihnen ergeben sich die emotionalen und sachlichen Ansatzpunkte der Motivation nach Qualität und Maß. Psychologische Grundkenntnisse und die Umsetzung in gutes Führungsverhalten sind die relevanten Fähigkeiten dazu.
Eine Typologie der Kontrahenten und die dazu passenden Motivationsmuster können nur allgemeine Verhaltenshinweise geben: Ein pragmatischer Verhandlungspartner wird einer sach- und faktenbezogenen Argumentation zugänglich sein. Ein skeptisch-aalglatter Kontrahent wird vielleicht durch dialektische Argumente erst aus seiner Passivität abgeholt werden müssen.
Strategische Elemente erfassen und gestalten
Das betrifft die Sache, die Gegebenheiten, die Positionen, die Mittel und die Ziele. Über alles kann verhandelt werden. Das ist richtig, aber wer einen bestimmten Erfolg anstrebt, muß prüfen, ob und wie die Sache verhandelbar und das Ziel verhandlungsfähig ist. Die Verhandlungssache, die Gegebenheiten und Ziele bedingen sich wechselwirksam. Geschäfte und ihre Beziehungen sind fast immer komplex und es wird selten nur um eine einzelne Bedingung verhandelt. Die zu vereinbarende Leistung ist ein Paket verhandelbarer Kriterien, der Preis, die Konditionen und die Bedingungen auch.
Die beiderseitigen Verhandlungspositionen zutreffend zu bestimmen, verlangt nach einer realistischen Einschätzung der jeweiligen Stärken und Schwächen. Rationale und emotionale Aspekte sind zu bedenken. Aus einer eigenen guten Verhandlungsposition entsteht Verhandlungsstärke. Die Spanne zwischen der Ausgangsposition und dem Verhandlungsziel ist der Spielraum, in dem das Ergebnis realisiert werden wird.
•Die eigene Ausgangsposition muß so gestaltet werden, daß das Ziel erreicht werden kann. Es sollte möglichst die äußerste Interessensgrenze der Kontrahenten treffen
Das ist ein wesentlicher Teil der Verhandlungskunst. Der andere ist Kommunikation. Die relevanten Anforderungen sind Sachkenntnis und situatives Einschätzungsvermögen. Zur Sachkenntnis gehört die Kenntnis und Beherrschung der Wettbewerbslage: Ein besseres Wettbewerbsangebot ist die optimale Grundlage für die Gestaltung der eigenen Ausgangsposition. Das eigene Ziel ergibt sich aus einer ambitionierten Absicht und dem anzustrebenden bestmöglichen Ergebnis. Denn nicht nur jeder Einkäufer kennt die Erfahrung, daß anspruchsvolle Zielsetzungen auch anspruchsvolle Ergebnisse, aber mäßige Ziele auch nur mäßige Erfolge einbringen. Ziele müssen mit Sachkenntnis und Einsicht in die Gegebenheiten und in die Absichten der Kontrahenten klug definiert werden. Dazu gehören auch Verhandlungsspielräume und Verhandlungsalternativen.
Strategien, Taktiken und Techniken anwenden
Strategie ist Planung und ergebnisorientierte Vorbereitung. Manche Verhandlungen sind deshalb schwierig, weil sie Probleme lösen sollen, die sich als komplexe, intransparente und dynamische Realitäten ergeben. Sie bestehen aus vielen Variablen die wechselwirksam miteinander vernetzt sind. Dazu kommt, daß die Verhandlungspartner unterschiedlich vollständige, vielleicht sogar falsche, Kenntnisse der Realitätssysteme mit ihren Strukturen haben. Das sind Kriterien der Handlungssituationen, die zu bewältigen sind und die die Anforderungen für die Kontrahenten vorgeben.
•Komplexe, dynamische Herausforderungen verlangen nach einem strategischen Ansatz
„We must have a strategy“, sagte ein Kollege immer, wenn er nicht weiter wußte. Zielgerichtetes Umsetzen von Gegebenheiten braucht zum richtigen Handeln Strategien, Taktiken und Techniken.
íStrategien sind geplante Konzepte einer zielgerichteten Vorgehensweise, die die äußeren Faktoren vorsorglich berücksichtigt, die die eigenen Aktionen fördern oder hemmen können. Ihre Formierung funktioniert wie ein Regelkreis aus den Phasen Ist-Analyse, Informationssammlung, Modellbildung, Prognose, Zielformulierung, Handlungs-Alternativen, Strategiebildung, Ausführung, Wirkungskontrolle und Revision.
íTaktiken sind Elemente des berechnenden zweckbestimmten Verhaltens.
íTechniken sind die förderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, um ein Vorhaben auszuführen, die Instrumente.
Bei Verhandlungen werden Strategien die Gesamtplanung der Vorgehensweise, Taktiken die situationsbezogenen Handlungen und Reaktionen bezeichnen. Die Fähigkeit, angemessene Strategien zu bilden, braucht jeder Mensch, wenn er Herausforderungen selbst stellen und nicht nur auf gestellte reagieren will. Instrumente sind das fachliche Handwerkszeug: kaufmännisches, marktwirtschaftliches, betriebswirtschaftliches, technisches und rechtliches Wissen und Können.
Kommunikation beherrschen
Wer führen will, muß kommunizieren. Einkäufer führen Mitarbeiter, Kollegen, Vorgesetzte und natürlich auch die Vertreter der Anbieter und Lieferer. Es geht darum, andere zu überzeugen, daß sie so denken und handeln, wie es den eigenen und vorgegebenen Absichten entspricht.
Kommunikation mit anderen ist eines der Grundbedürfnisse des Menschen. Seine sämtlichen Bedürfnisse und Visionen kann er nur durch Kommunikation mit anderen versorgen. Das gilt auch für die Aufträge, die er als Angestellter ausführen soll. Auch Konflikte werden durch Kommunikation gelöst.
•Wer es versteht, partnerbezogen zu kommunizieren, wird seine Absichten leichter und besser realisieren können
Wer Einblick hat und Einsicht erhält, wie die Gesprächspartner kommunizieren, kann sein eigenes Gesprächsverhalten taktisch darauf einstellen. Kommunikation verwendet als Medium das begreifbare Wort, die individuelle Stimme und die sichtbare körperliche Haltung. Kommunikation ist Menschenführung. Gute Kommunikationsfähigkeit ist entscheidend für private und berufliche Erfolge. Effektive Kommunikation setzt voraus
íals Grundhaltung eine positive Einstellung zum Mitmenschen,
íErkenntnisse über das Wesen und die Wirkung der eigenen Person,
íKenntnisse zur Psyche des Menschen, zur Psychologie menschlicher Gruppen und zu den psychologischen Grundlagen der Motivation,
ídie Fähigkeiten der psychologischen Gesprächsführung.
Verhandeln gehört zu den interessantesten Formen in der Kommunikation. Seit der Mensch andere Menschen braucht, muß er verhandeln. Verhandlungsführung ist kein Ausbildungsfach und unter den Lehrstühlen nicht vertreten. Dennoch gibt es viele Menschen, die diese Kunst sehr gut beherrschen. Verhandlungstalent gehört zu den meist angestrebten und geschätzten einkäuferischen Begabungen. Kann man Verhandlungsführung lernen? Sicherlich ja. Grundsätze, Regeln und Hinweise zur Vorbereitung und Gestaltung kann man in vielen Ratgebern, mehr oder weniger systematisch behandelt, nachlesen. Planungs-, Problemlösungs- und Entscheidungs-Methoden kann man lernen.
Es Verbleiben die intuitiven und die aus der wohl reflektierten Lebenserfahrung entstehenden Aspekte des Verhandlungserfolgs. Die sachliche und menschliche Umwelt, setzt der Einsicht und Beherrschbarkeit mit ihrer Vielfalt, Komplexität und Dynamik Hindernisse. Schwierigkeiten, die mit Management-Techniken und rationalem Verstand alleine nicht zu überwinden sind. Die Kunst des guten Verhandelns kommt aus dem Wollen und einer gut kombinierten Verbindung von Wissen, aus rationalem und intuitivem Verstehen durch Üben, Lernen, Beobachten und Reflektieren.
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