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Wer Afrika als Wirtschaftsstandort begreifen möchte, muss das Land verstehen

Andere Länder, neue Herausforderungen
Wer Afrika als Wirtschaftsstandort begreifen möchte, muss das Land verstehen

Gerwin Schüttpelz, Gründer und Geschäftsführer des Klebstoffherstellers cph Deutschland Chemie GmbH, berichtet über die Vorteile des vielseitigen Kontinents.

Beschaffung aktuell: Aus der deutschen Produktion werden über 90 % der Industrieklebstoffe in über 100 Länder exportiert. Was genau beschaffen Sie denn aus dem Ausland? Wie ist der Einkauf bei der cph organisiert?

Gerwin Schüttpelz: Wir kaufen nicht ungefähr 60 % fremd ein, nur „weil wir so gerne im Ausland einkaufen“, sondern weil bestimmte Produkte im Inland einfach nicht verfügbar sind. Ein Beispiel dafür stellt das mengenmäßig sowie wertemäßig für uns wichtige Produkt Casein, ein Milchpulver, dar, da es ein sehr teures Konsumgut ist. Hierbei wird die Kuhmilch gesäuert, getrocknet und gemahlen. Wir verwenden ausschließlich sogenannte „food grade“, also Lebensmittelqualität. Dieses Casein wird zum Großteil in Neuseeland oder in der Ukraine gekauft, also in den klassischen Milch produzierenden Ländern.
In dem Proteinkleber sind die genannten Eiweißbestandteile enthalten, aus denen letztlich der Etikettierklebstoff hergestellt wird. In diesem Bereich sind wir ein Weltmarktführer.
Beschaffung aktuell: Inwiefern spielen langfristige oder persönliche Beziehungen zu den Geschäftspartnern, gerade auch in diesen Dimensionen, eine relevante Rolle und wie äußern sich diese im Zusammenhang mit dem Beschaffungsmarkt?
Schüttpelz: Da hat sich die Welt unglaublich verändert. Als ich vor 40 Jahren anfing kannte man die jeweiligen Entscheidungsträger noch persönlich. Denn gerade in Deutschland oder in Europa waren fast alle Unternehmen mittelständisch strukturiert. So ist auch mein „alter Stil“ – den Kunden persönlich zu kennen. Vor Kurzem war ich bei wichtigen Kunden in Hamburg und in Lübeck, da spricht Chef zu Chef, gerade, wenn es Mittelständler sind oder es sich um Familienunternehmen handelt. Aus Angst vor Korruption versuchen die Großkunden ihre Unternehmen weitestgehend zu entpersonalisieren. Ich bin der Ansicht, dass dies zwar eine Möglichkeit ist sich vor Korruption zu schützen und Entscheidungen zu objektivieren, allerdings birgt es auch Nachteile. Denn wenn Firmen nur noch über die Preise einkaufen und die persönlichen Bindungen zweitrangig sind, dann geht nicht nur Herzblut verloren, sondern es entsteht eine reine IT-Maschinerie.
Beschaffung aktuell: Die cph hat ihren Hauptsitz in Essen und weitere Standorte in der Ukraine, Russland und Portugal. Wie sieht Ihre Verbindung zu Afrika aus?
Schüttpelz: Wir haben Partner in Afrika und dort mittlerweile sogar 15 Angestellte. Wir sind also ziemlich gut verwurzelt und verstehen sowohl die südafrikanische Mentalität, die, durch die frühere Kolonialbevölkerung und die Urbevölkerung ein bisschen gespalten ist, als auch die Einflussnahme der Kolonialherren. Wenn ich an den Kongo denke oder die französischen Einflüsse in Mali, die englischen in Nigeria, sind das sehr unterschiedliche Kulturen. Den Umgang beherrschen wir mittlerweile sehr gut. Wir haben verschiedene Businesspläne erstellt, da man mit diversen Veränderungen in den jeweiligen Ländern rechnen muss. Bei einem Investment in Millionenhöhe muss jeder Schritt gut durchdacht sein und zumindest ein Investitionsschutzabkommen gegeben sein.
Beschaffung aktuell: Welchen Ratschlag würden Sie aus Ihren Erfahrungen heraus anderen mittelständischen Unternehmen oder auch kleineren Unternehmen geben, die am afrikanischen Markt interessiert sind und überlegen, Afrika als Produktionsstätte zu wählen?
Schüttpelz: Der erste Schritt ist „sein Köfferchen zu packen“ und auf dem Kontinent zu reisen, um das jeweilige Land und die Leute kennen und verstehen zu lernen. Es gibt in jedem Land andere Kulturen und andere Gegebenheiten. Der zweite Schritt wäre dann, die Wirtschaft im betreffenden afrikanischen Land zu analysieren und daraufhin einen Partner vor Ort zu finden. Es gibt sehr viele seriöse, gut ausgebildete Afrikaner mit denen eine geschäftliche Kooperation in jedem Fall realisierbar ist.
Beschaffung aktuell: Insbesondere da Afrika ja wirklich viel zu bieten hat, nicht nur in Sachen Rohstoffressourcen, sondern auch in Bezug auf das Arbeitskräftepotenzial. Besteht das Hauptproblem in den Vorurteilen, die wir gegenüber dem afrikanischen Kontinent haben?
Schüttpelz: Man muss die Leute vor Ort extrem stark anhalten und begleiten, das Richtige zu tun. Der Kontinent ist natürlich nicht so entwickelt wie Europa, im Hinblick auf unsere Industrialisierungsgeschichte. Aber die Menschen sind engagiert, wenn man sie motiviert. Ähnlich sind wir vor vielen Jahren in Russland vorgegangen. Ich habe zehn bis zwölf Jahre in Russland gelebt und unsere Betriebe dort mit aufgebaut. Wenn ich heute sage, dass ich Russland liebe, dann fragen mich die Leute, ob es dort nicht gefährlich sei? Der nächste fragt mich, ob man genug zu essen bekäme? Ein anderer, wie es mit der Mafia aussähe? Wir haben jetzt fast 20 Jahre unsere Produktion in Russland und das ist ein sehr wichtiger Markt für uns. Fakt ist, dass ich noch nie von einer russischen Firma betrogen worden bin. Unternehmer sollten deswegen auch frei von Vorurteilen nach Afrika gehen, sich ein eigenes Bild machen und sich an die richtigen Leute wenden. Das gleiche macht man ja in Deutschland und in Europa auch. Länder wie Kenia oder Tansania, aber auch Nigeria, Südafrika und Namibia sind für uns wirtschaftlich hoch interessante Länder, die darüber hinaus auch noch sehr schön sind. Man muss das Land lieben, kennenlernen, sich bemühen den Gepflogenheiten anzupassen und sollte dann versuchen getreu dem Motto „Africa for Africans“ der Entwicklung eine Chance zu geben.
Beschaffung aktuell: Herr Schüttpelz, wir danken Ihnen für dieses Interview.
Für Beschaffung aktuell stellten die Fragen Olaf Ziegs und Julia Menke.

Afrika

Hintergrund

Ein Kontinent der weitestgehend wenig Beachtung findet, zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht. Das negative Image, welches politische Instabilität, Korruption und eine mangelnde Infrastruktur birgt, wirkt abschreckend. Und doch gibt es ausländische Unternehmer, die den Schritt auf den afrikanischen Markt wagen und das nicht nur aufgrund der Verfügbarkeit von Rohstoffen und den niedrigen Lohnkosten. Für das mittelständische Familienunternehmen cph Deutschland Chemie GmbH erscheint der afrikanische Kontinent auch als Produktionsstandort interessant. Die Frage nach dem Wann und Wo ist jedoch noch nicht abschließend beantwortet: Gut Ding will Weile haben!

Gerwin Schüttpelz

Der Mann

Gerwin Schüttpelz, Gründer und Geschäftsführer cph Deutschland Chemie GmbH ist ein Mitglied des Verbandes Die Familienunternehmer im Regionalkreis Ruhr. Der Regionalvorsitzende von Die Familienunternehmer Nordrhein, Olaf Ziegs, lädt in diesem Jahr zum dritten Mal zu der Veranstaltung „Africa Business Forum“ ein. Diese Initiative soll insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Unternehmern aus Europa und Afrika fördern. Das nächste „Africa Business Forum 2016“ findet am 30. September 2016 statt.
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