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„Wir bieten unseren Kunden das komplette Spektrum der Digitalisierung“

E-Procurement im Stahlhandel
„Wir bieten unseren Kunden das komplette Spektrum der Digitalisierung“

Vom Werk bis zum Endkunden: Für Sven Koepchen, CEO des Stahlhändlers Klöckner & Co Deutschland, muss die Digitalisierung der Beschaffung alle Glieder der Lieferkette erfassen. Dann bleibt das klassische Commodity-Geschäft tragfähig. Zugleich erzeugen hochwertige Anarbeitungsleistungen und intelligente Supply-Chain-Lösungen spürbaren Mehrwert für den Kunden.

Beschaffung aktuell: Herr Koepchen, Klöckner hat sich die Digitalisierung des Stahlhandels auf die Fahne geschrieben. Was bedeutet das für die Einkäufer Ihrer Kunden?

Koepchen: Die Digitalisierung, wie wir sie verstehen, erfasst die gesamte Supply Chain. Unser grundsätzliches Ziel lautet, die ERP-Systeme aller Beteiligten zu verknüpfen und damit den administrativen Aufwand drastisch zu verringern. Wir können heute die gesamte Lieferkette vom Werk über unsere Läger und die Anarbeitung bis zur Auslieferung an den Kunden elektronisch abwickeln. Das heißt: Digitalisierung geht weit über unseren Onlineshop hinaus, auch wenn der vielleicht nach außen am besten sichtbar ist. Der Onlineshop ist für uns ein Tool unter mehreren, mit denen wir dem Kunden das komplette Spektrum der digitalen Möglichkeiten anbieten.
Beschaffung aktuell: Welche Tools nutzen Sie darüber hinaus?
Koepchen: Weitere Instrumente für das E-Procurement sind unsere Kontraktplattform, die Bestellübersicht und die EDI-Verbindungen. Wir beteiligen uns auch an Vorhaben anderer Unternehmen, etwa an Axoom, einer digitalen Geschäftsplattform des Hochtechnologieunternehmens Trumpf aus Ditzingen, die Lieferanten und Produktionsbetriebe verbindet.
Beschaffung aktuell: Welchen konkreten Nutzen hat der Kunde von Ihren digitalen Angeboten?
Koepchen: Nehmen wir einen kleineren Stahl verarbeitenden Familienbetrieb – dieser Kunde wird unabhängig von unseren Geschäftszeiten. Er kann im Onlineshop rund um die Uhr Material reservieren oder bestellen. Er bekommt eine verbindliche Preisinformation für seine Kalkulation und erhält online Werkszeugnisse, Rechnungen und alle anderen dazugehörigen Dokumente. Der Markt honoriert das: Mehr als 50 Prozent der Kunden unseres Onlineshops haben vorher nicht bei uns gekauft.
Beschaffung aktuell: Sie sprachen gerade EDI-Verbindungen an. Die Einrichtung der Schnittstelle kostet den Kunden zunächst Geld. Wie schnell rechnet sich das?
Koepchen: Auf unserem Kundenforum „Mehrwert Digital“ vor ein paar Wochen in Köln hat ein Einkaufsleiter von seinen Erfahrungen mit EDI berichtet. Allein durch die elektronische Übermittlung von Eingangsrechnungen spart sein Unternehmen, ein mittelständischer Maschinenbauer, viel Geld, und liegt damit ca. 50 Prozent unter dem entsprechenden VDMA-Index. Reklamationen können jetzt noch innerhalb der Skontofrist geklärt werden, weil die Prüfung von Rechnungen viel schneller geht. Die Verwaltungskosten pro Bestellung hat das Unternehmen auf die Hälfte des branchenüblichen Durchschnittswerts gesenkt. Und weil die digitale Ablage der Dokumente kaum Platz braucht, musste das Archiv nicht wie geplant erweitert werden. Schon durch das Vermeiden dieser Investition hat sich der Aufwand für die Einführung von EDI amortisiert.
Beschaffung aktuell: Nutzen Sie EDI-Verbindungen für die eigene Beschaffung?
Koepchen: Ja, wir setzen das in der Zusammenarbeit mit einigen der wesentlichen europäischen Hersteller sowie weiteren Spezialanbietern ein. Weitere EDI-Verbindungen sind in der Planung oder im Aufbau.
Beschaffung aktuell: EDI verbindet ERP-Systeme. Dieser Markt ist aber stark fragmentiert – sehen Sie das als Hindernis für eine flächendeckende Vernetzung mit Ihren Kunden?
Koepchen: Wir wissen, dass nur ein kleiner Teil unserer Kunden ERP-Systeme der drei führenden Anbieter benutzt. Das zeigt die Heterogenität, die wir in der Tat als große Herausforderung erleben. Und: Einige Kunden haben überhaupt kein ERP-System. Denen bieten wir in Kooperation mit Sage ein Klöckner-Modul für Sage 100 an. Damit erhalten Unternehmen kostengünstig eine schlüsselfertige ERP-Lösung, die an unser Bestellwesen angebunden ist.
Beschaffung aktuell: Viele kleine und mittlere Unternehmen haben erkannt, dass sie sich auf die Digitalisierung einstellen müssen. Aber sie wissen nicht genau, wie. Was sagen Sie diesen Kunden?
Koepchen: Unsere auf E-Commerce spezialisierte Gesellschaft kloeckner.i in Berlin baut gerade einen Coworking Space auf. Dort können Kunden Mitarbeiter hinschicken, um zusammen mit uns eine Lösung fürs eigene Unternehmen zu entwickeln. Wir lassen unsere Geschäftspartner also nicht allein, sondern unterstützen sie beim Übergang zu digitalisierten Geschäftsprozessen.
Beschaffung aktuell: In welcher Größenordnung macht Klöckner eigentlich Geschäfte über die digitalen Kanäle?
Koepchen: Konzernweit haben wir im vierten Quartal des vergangenen Jahres 170 Millionen Euro über unsere digitalen Tools erwirtschaftet, also einen nennenswerten Umsatzbeitrag. Dazu muss man wissen, dass wir erst von drei Jahren mit der Digitalisierung angefangen haben. Das Onlinegeschäft ist übrigens tendenziell profitabler, aber auch kleinlosiger. Über unsere vorhandenen Logistikstrukturen können wir diese Aufträge problemlos mit abwickeln.
Beschaffung aktuell: Stichwort Logistik – Klöckner versteht sich als herstellerunabhängiger lagerhaltender Stahl- und Metallhändler. Wie groß ist denn Ihr Bestand?
Koepchen: Klöckner Deutschland betreibt zwölf Lagerstandorte, an denen wir aktuell rund 180 000 Tonnen Material vorhalten. Das verteilt sich auf mehr als 10 000 verschiedene Artikel: vor allem Bleche, Rohre und Profile aus Stahl, Edelstahl, Aluminium. Durch unsere leistungsfähige Logistik kann jede Niederlassung das gesamte Sortiment anbieten. Hier verschafft uns die Konzernstruktur einen weiteren Wettbewerbsvorteil gegenüber lokalen mittelständischen Händlern.
Beschaffung aktuell: Mittelgroße Stahlhändler spielen nach wie vor eine wichtige Rolle. Was kann ein Konzern besser?
Koepchen: Mit dem reinen Commodity-Geschäft lässt sich nach meiner Überzeugung auf Dauer keine zufriedenstellende Rendite erzielen. Wir behalten dieses Geschäft, aber wir nutzen es als Basis für die Spezialisierung auf höherwertige Anarbeitung und auf digitale Supply-Chain-Lösungen. Jede unserer Niederlassungen ist aufgrund ihrer Kundenstruktur individuell ausgerichtet, hat aber vollen Zugriff auf das Know-how, die Anlagen und das Material der anderen Häuser. Dieser Leistungsumfang zeichnet Klöckner aus.
Beschaffung aktuell: Wie gehen Sie mit spezifischen Sonderwünschen von Kunden um? Passen die noch ins Konzept?
Koepchen: Auf jeden Fall. Wir wollen Partner des Mittelstands sein und richten uns auf den einzelnen Kunden aus. Daher übernehmen wir auch die Beschaffung von weniger gängigen Artikeln und Materialien: Braucht der Kunde einen Artikel aus Bronze, bekommt er den bei uns. Schließlich kauft der Klöckner-Konzern weltweit ein, davon profitieren wir als Landesgesellschaft. Und Sie dürfen nicht vergessen, dass die Digitalisierung unseren Vertrieb von Routinearbeiten entlastet. Dadurch gewinnen wir Zeit für die Beratung und die Lösung anspruchsvollerer Aufgaben. Auch unsere Anarbeitung orientiert sich an den Ansprüchen des einzelnen Kunden. Bei Bedarf investieren wir und kaufen die nötigen Maschinen. Der Kunde selbst könnte so eine Anlage vielleicht nur zu 20 oder 30 Prozent auslasten. Als bundesweit tätiges Unternehmen setzen wir sie nach Möglichkeit für mehrere Auftraggeber ein und können sie dadurch wirtschaftlich sinnvoll nutzen.
Beschaffung aktuell: Wer investieren will, braucht Kapital. Interessieren sich Ihre Geschäftspartner für die finanzielle Ausstattung von Klöckner?
Koepchen: Vor allem größere Kunden, die eine längerfristige Partnerschaft anstreben, achten sehr genau darauf. Denn wenn ein Unternehmen seine Lieferkette umbaut und verschiedene Aufgaben auslagert, muss das nachhaltig stabil funktionieren. Der Klöckner-Konzern steht mit einer Eigenkapitalquote von rund 40 Prozent nicht nur branchenintern sehr gut da. Damit signalisieren wir: Wir werden auch in Zukunft noch im Geschäft sein und investieren können.
Beschaffung aktuell: So komfortabel wie heute war die Lage bei Klöckner nicht immer. Wie hat das Unternehmen die Wende geschafft?
Koepchen: Ich bin 2012 zu Klöckner Deutschland gekommen. Damals hatte das Unternehmen in einem schwierigen Marktumfeld erhebliche Probleme. Wir haben alle Strukturen hinterfragt und die Gesellschaft im Jahr 2013 neu ausgerichtet: Lagersortimente überarbeitet, die Struktur der Läger angepasst, ein neues Logistiksystem aufgebaut, Abläufe automatisiert und in neue, moderne Anarbeitungskapazitäten investiert. Jetzt ernten wir die Früchte. Das vergangene Jahr haben wir erfolgreich gemeistert, auch 2017 sind wir gut gestartet.
Beschaffung aktuell: Was erwarten Sie für die nächsten Jahre? Worauf können Ihre Kunden sich einstellen?
Koepchen: Auf jeden Fall bleibt es dabei, dass jeder Kunde einen festen Ansprechpartner behält, der ihn berät und sich im Detail mit seinen Fragestellungen beschäftigt – sei es mit Online- oder Offline-Themen. Dazu werden wir konzernweit nah am Kunden weitere Ideen ausprobieren. Innovationen, die sich in einem Land bewähren, übertragen wir auf andere Märkte. Ein wichtiges Stichwort ist OCI, also die direkte Einbindung unseres Onlineshops ins ERP-System des Kunden. Das erspart dem Partner die doppelte Erfassung einer Bestellung – alle Orderdaten wandern automatisch und fehlerfrei in seine EDV. Und wir wollen Kunden ermöglichen, dass sie die Zeichnung für ein Bauteil hochladen und innerhalb von Minuten automatisch erfahren, was die Anarbeitung bei uns kosten würde.
Beschaffung aktuell: Klöckner hat in ein Start-up investiert, das sich mit dem Zukunftsthema 3D-Druck beschäftigt. Welches Potenzial sehen Sie da?
Koepchen: 3D-Druck beschränkt sich für uns momentan auf Kunststoffteile. Das kann aber bald auch für Kleinserien aus Metallwerkstoffen interessant werden. Es passt zu unserer Marschrichtung: Wir behalten das traditionelle Commodity-Geschäft und machen es durch die Digitalisierung hocheffizient. Den eigentlichen Mehrwert für den Kunden erzeugen wir durch maßgeschneiderte Supply-Chain-Lösungen und durch hochwertige Anarbeitung – bis hin zum 3D-Druck.
Beschaffung aktuell: Dann gibt es noch die Vision von der Industrieplattform. Was steckt dahinter?
Koepchen: Der Plattform-Ansatz verspricht im Onlinehandel den größten Mehrwert für den Kunden. Daher öffnen wir unsere Systeme für andere Anbieter und schaffen so ein Angebot von einzigartiger Breite und Tiefe. Damit entsteht eine Industrieplattform, auf der ein Kunde seinen gesamten Bedarf an Stahl- und Metallprodukten decken kann – komfortabel, transparent und digitalisiert.
Beschaffung aktuell: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Koepchen.

Sven Koepchen

Der Mann

… ist seit 2012 Vorsitzender der Geschäftsführung der Klöckner & Co Deutschland GmbH. Parallel verantwortet er auf Konzernebene das Geschäft in Belgien, den Niederlanden und Österreich. Der studierte Maschinenbauer begann seine Karriere bei der Thyssen Edelstahl AG. Später leitete er die Arcelor- Mittal Distribution GmbH.

Klöckner & Co Deutschland

Das Unternehmen

… zählt zu den führenden Werkstoffhändlern in Deutschland. Klöckner unterstützt seine Kunden als beratender und ausführender Partner in jeder Phase, von der Konstruktion eines Bauteils bis zur Just-in-time-Lieferung. Das Unternehmen beschäftigt an 16 Standorten rund 1100 Mitarbeiter.
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