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Lieferantenmanagement - Steigende Flexibilität gefordert

Lieferantenmanagement
Steigende Flexibilitätsanforderungen

Unternehmen sind in der Pflicht, flexibel auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren zu können. Das Management ist sich dieser Thematik in der Regel bewusst, hat aber häufig nicht die Möglichkeit, objektiv zu beurteilen wie flexibel ein Unternehmen tatsächlich ist. Bosch Rexroth hat eine Methode entwickelt, mit der Unternehmen ihre Lieferantenflexibilität bestimmen und optimieren können.

Die letzten Jahrzehnte waren für Unternehmen von einer immanenten und tendenziell zunehmenden Unsicherheit auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten geprägt. Erfolgreiche Unternehmen begegnen dieser Situation mit der Entwicklung von innovativen Strategien, um die individuelle Unsicherheit für das eigene Unternehmen und die betreffende Supply Chain zu reduzieren. Hierzu werden integrierte bereichs- und unternehmensübergreifende Prognose- und Planungszyklen installiert, die vor allem eine Verbesserung der Qualität, Intensität und Geschwindigkeit der bestehenden Informationsflüsse anstreben. In zunehmend komplexeren Lieferbeziehungen ist dies ein bewährtes Instrument, um die Unsicherheit für nachgelagerte Wertschöpfungsstufen nicht zusätzlich ansteigen zu lassen (Bullwhip-Effekt).

Trotz dieser Anstrengungen ist ein reibungsloser Informationsfluss und somit die vollständige Transparenz über Bedarfe kein realistisches Ziel, mit der Konsequenz, dass weiterhin ein gewisser Grad an Unsicherheit bleiben wird. Daher stehen Unternehmen in der Verantwortung, flexibel auf sich verändernde Rahmenbedingen reagieren zu können. Das Top-Management ist sich dieser Herausforderung in der Regel auch bewusst, hat aber häufig nicht die Möglichkeit zu beurteilen, wie flexibel das eigene Unternehmen tatsächlich ist.
Im verarbeitenden Gewerbe lässt sich die Flexibilität von Unternehmen anhand von zwei unterschiedlichen Kategorien bestimmen.
  • Zunächst ist es entscheidend, wie flexibel sich die internen Fertigungskapazitäten des Unternehmens an schwankende Bedarfe anpassen lassen. Hierbei sind sowohl die technische Kapazität des Unternehmens (Maschine) wie auch die personelle Situation (Mensch) ausschlaggebend.
  • Allerdings ist eine hohe interne Flexibilität – insbesondere in Unternehmen mit ausgeprägter Fremdbezugsquote – nur von Nutzen, wenn auch die externen Lieferanten entsprechend auf Termin- und Mengenänderungen reagieren können (Material).
Dieser Beitrag konzentriert sich im Folgenden auf die externe Lieferantenflexibilität (2), wobei zunächst ein Bewertungsrahmen hergeleitet wird, mit dem Unternehmen mit überschaubarem Aufwand ihre Lieferanten auf Basis unterschiedlicher Flexibilitätskriterien (FLEX-Index) beurteilen und entsprechende Potentiale identifizieren können.
Zielgröße und Messung der Flexibilität. Die Flexibilität eines Lieferanten repräsentiert dessen Fähigkeit auf variierende Termine und Menge reagieren zu können. Folgende fünf Kategorien ermöglichen eine entsprechende Beurteilung (siehe nebenstehende Grafik):
(1) Der Fixierungszeitraum repräsentiert die Frozen Zone eines Lieferplans in der weder Termine verschoben, noch Mengen verändert werden können. Je länger dieser Zeitraum, desto geringer ist die angebotene Flexibilität des Lieferanten.
(2) Für über Einzelbestellungen beschaffte Materialien sind Planlieferzeiten vereinbart und im ERP-System hinterlegt. Ähnlich wie beim Fixierungszeitraum müssen mit diesem zeitlichen Vorlauf verbindliche Mengen bestellt werden. Die Abgrenzung zum erstgenannten Kriterium erfolgt über die Bedarfsregelmäßigkeit.
(3 + 4) Die Schwankungsbreiten 1+2 geben an, wie stark die tatsächlichen Abnahmemengen von der zuvor übermittelten Vorschau abweichen dürfen. Diese werden zur Beurteilung für zwei unterschiedliche Zeithorizonte, beispielsweise hinsichtlich einer möglichen Veränderung nach fünf und neun Wochen festgelegt.
(5) Für sehr kurzfristige ungeplante Bedarfe und unvorhersehbare kritische Situationen bietet sich ein Lieferantenlager an. Dieser Bestand liegt physisch beim Lieferanten, ist aber absprachegemäß dem abnehmenden Unternehmen zugesichert. Dieser Bestand darf auch nicht bei der Bewertung bzw. Erfüllung der übrigen Kategorien berücksichtigt werden.
Für jedes der fünf Kriterien werden anhand unternehmensindividuell definierter Bewertungsgrenzen bis zu 100 Punkte vergeben. So werden in einem beispielhaft betrachteten Unternehmen der Maschinenbaubranche Lieferanten mit einem Fixierungszeitraum (Kriterium 1) von weniger als 14 Kalendertagen in die höchste Flexibilitätskategorie (100 Punkte) eingestuft.
Auch wenn für jeden Lieferanten das ultimative Ziel die Erreichung von 500 Punkten sein sollte, so ist dies zumindest in der Breite keine sinnvolle Zielsetzung. Ziel muss es vielmehr sein, sowohl intern als auch extern gleichermaßen ausreichend flexibel zu sein, um die vom Markt geforderten Lieferzeiten konstant anbieten zu können. Im betrachteten Unternehmen wird ein Lieferant mit einer Punktzahl von größer 400 als flexibel und mit weniger als 300 Punkten als unflexibel eingestuft. Der an dieser Stelle beispielhaft analysierte Lieferant kommt auf einen Flex-Index von insgesamt 250 Punkten und erfüllt somit grundsätzlich nicht die an ihn gestellten Flexibilitätsanforderungen.
Ausblick. Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich für die Entscheidungsträger ein differenziertes Bild der aktuellen Flexibilität der Lieferantenbasis und es wird unmittelbar offensichtlich, welche Lieferanten noch entsprechende Potentiale bieten und an welcher Stelle Maßnahmen zur Steigerung der Flexibilität ergriffen werden sollten.
Eine zu geringe Beschaffungsflexibilität führt letztendlich zu einer Einschränkung der eigenen Flexibilität auf der Kundenseite, erfordert – um nicht entsprechende Umsatz- und Ergebnispotentiale bereits im Vorfeld zu verlieren – den Aufbau von kostenintensiven Sicherheiten in Form von Beständen und sollte daher möglichst vermieden werden.
Die Ergebnisse der Flexibilitätsanalyse sollten in die in vielen Unternehmen bereits vorhandenen Lieferantenbewertungssysteme integriert werden und vor allem bei zukünftigen Vergabeentscheidungen und bei der Lieferantenentwicklung Berücksichtigung finden.
Trotz möglicher Erfolge bei der Steigerung der internen und externen Flexibilität, sollte jedoch berücksichtigt werden, dass diese häufig nur mit erheblichem (finanziellen) Aufwand zu realisieren sind. Daher sollte die Verbesserung der Informationsflüsse mit einhergehender Reduzierung der Unsicherheit weiterhin an exponierter Stelle in der Strategie der Wertschöpfungskette stehen.

Hintergrund

Die Beurteilung der Lieferantenflexibilität mit dem Flex-Index begann 2014 als Initiative auf Werksebene und wird in diesem Jahr als Standard bei Bosch Rexroth ausgerollt.
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