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ABC-Analyse und XYZ-Klassen

Teil 2: Prioritäten erkennen und Schwerpunkte setzen
ABC-Analyse und XYZ-Klassen

In den 70er Jahren hörte ich das erste Mal auf einem Seminar in Palo Alto, Kalifornien, USA, von der ABC-Analyse. Der Dozent erklärte sie damals mit einem überzeugenden Beispiel: 20% der Mädchen eines Stadtviertels provozieren die Aufmerksamkeit (whistles) von 80% der jungen Männer.

Günter Hirschsteiner

Der italienische Volkswirtschaftler und Soziologe Vilfredo Pareto (1848-1923) untersuchte die Frage, welche der Aktivitäten einer komplexen Aufgabenstellung die besten Ergebnisse bringen: Das Pareto-Prinzip. Er hat ermittelt, dass 80% des Erfolges aus nur 20% der Aktivitäten kommt. Diese Erkenntnis konnte auf viele Bereiche menschlichen Handelns übertragen werden. Das ist das Prinzip der ABC-Analyse.
Die ABC-Analyse ist ein betriebswirtschaftliches Auswahlverfahren, zur Steuerung wirtschaftlicher Aktivitäten auf die besonders bedeutenden Bereiche, ausgehend von der Erkenntnis, dass sich allgemein 80% der Erfolge aus 20% der Aktivitäten ergeben.
Das Konzept der ABC-Analyse
Mit der ABC-Analyse können komplexe Umschlagswerte wie Verkaufs-, Beschaffungs- und Bewirtschaftungsvolumen nach Position und Wert aufgelöst und strukturiert werden. In der Regel werden diese Mengen-Wert-Positionen dreiteilig klassifiziert:
  • A=bedeutend, dringend, hohe Priorität;
  • B=weniger bedeutend, weniger dringlich, mittlere Priorität;
  • C=kaum bedeutend, kaum dringlich, niedrige Priorität.
Eine systematische ABC-Analyse soll eine optimierte Differenzierung des Aufwands für strategische und operative Handlungsansätze in der Relation zum voraussichtlichen Nutzen ergeben. Sie soll dabei helfen, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen, Schwerpunkte für Rationalisierungen zu bilden, Aktivitäten und Aufwendungen differenziert und gezielt einzusetzen, wirtschaftliche Gegebenheiten zu versachlichen und Aufgaben und Ergebnisse berechenbarer zu machen.
Bezogen auf das Beschaffungs- und Materialmanagement ergeben sich daraus folgende konkrete Ansätze und Anwendungen:
• Analyse des Beschaffungsumsatzes nach Wert und Positionen für die Feststellung der Prioritäten von strategischen Maßnahmen bei der Beschaffungsmarktforschung und beim Beschaffungsmarketing;
• Analyse des Beschaffungsumsatzes nach Wert und Lieferanten für die Prioritäten von Maßnahmen bei der Lieferantenleistungsbeurteilung und -bewertung, den Lieferantenförderungs und -betreuungsmaß-nahmen, der Gestaltung und Vereinbarung von Konditionen und der strategischen Gestaltung der Lieferantengesamtheit;
• Analyse der Verbrauchsumsätze nach Wert und Position für die Prioritäten von Maßnahmen bei der Lagerbestandssteuerung und -kontrolle, der Losgrößen- und Bestellmengenermittlung, der Auswahl von Dispositionsverfahren, der Differenzierung von Dispositionsverfahren, der Bestandskontrollen und Inventuren, der Bildung von strategischen Sicherheitsbeständen und -zeiten, bei Wertanalyse und Wertgestaltungsmaßnahmen, logistischen Entscheidungen und Make-or-buy-Festlegungen.
Das Verfahren
Für die umfangreichen Datenmengen, Sortier- und Rechenoperationen ist regelmäßig ein maschinelles Datenverarbeitungssystem erforderlich.
Am Beispiel eines fiktiven Fahrradherstellers, Bike und Sport GmbH, soll eine ABC-Analyse anschaulich gemacht werden.
Vorgegeben sind im Beispiel:
• als Ziel, die geografische Ausweitung der Beschaffungsaktivität über eine internationale Marktuntersuchung besonders um Global-Sourcing-Strategien entwickeln zu können;
• als Aufgabe, die Ermittlung der Werthäufigkeitsverteilung und ihrer Prioritäten nach der Materialverbrauchsstatistik, bezogen auf die Artikelpositionen des Einkaufs;
• ein fiktives Einkaufsvolumen von 100 Positionen und 25 Mio. DM/Jahr.
Die allgemeine Vorgehensweise verlangt die Arbeitsschritte:
• Erfassung der Daten durch Feststellung der Materialabgänge nach Positionen in der definierten Periode (meist werden die letzten 12 Monate betrachtet) oder,
• Erfassung des künftigen Bedarfs aus dem Verkaufsprogramm bzw. aus Kundenaufträgen, oder Kombinationen daraus;
• Tabellarische Darstellung der Daten mit Materialbezeichnung (Beschreibung, Ident-Nummer), Mengen- und Werteinheiten, Verbrauchs- oder Bedarfswerte pro Periode, Einstands-, Verrechnungs- oder Einkaufs-Preis in Werteinheiten pro Mengeneinheit und Verbrauchsumsatzwert pro Position und Periode;
• Sortierung und Auflistung der Daten nach Umsatzwert pro Position tabellarisch und nach Postenwert absteigend;
• Bewertung und Ergänzung pro Position um die laufenden Positions-Nummern
(= Rangnummern), die fortlaufend kumulierten Verbrauchswerte, die prozentualen Anteile der einzelnen Positionen am Gesamtwert.
–fortlaufend kumulierte Prozentanteile,
–Gesamtvolumen der Verbrauchswerte,
–Klassifikation nach A, B, C.
Abbildung 1 zeigt die tabellarische Listung des Beispiels einer ABC-Analyse, in Abbildung 2 ist die Auswertung der Analyse zusammengefasst.
Aus den Erkenntnissen einer ABC-Analyse können sich als strategische und operative Konsequenzen ergeben:
Für A-Positionen: Intensivieren und differenzieren von strategischen und administrativen Maßnahmen, z.B. der Beschaffungsmarktforschung, des Beschaffungsmarketing, Verhandlungen und Vereinbarungen von Preisen und Konditionen mit den Lieferanten, nach Wert und Einfluss differenzierende Abwehr von Preiserhöhungsforderungen, Lieferantenleistungsbeurteilungs- und -bewertungsverfahren, Vereinbarung von Rahmenverträgen, Gestaltung von Qualitätssicherungsmaßnahmen und andere.
Für B-Positionen: Angemessene Aktivitäten für die Positionen der mittleren Wertgruppe spezifisch festlegen und organisieren.
Für C-Positionen: Ansätze für vereinfachende und zusammenfassende Bearbeitungen bilden. Das sind unter vielen anderen: Kumulierung von Periodenbedarfen oder Artikelgruppen, Vereinbarung von Sammelrechnungen mit den Lieferanten, großzügige Festlegung von Sicherheitsbeständen und -fristen, vereinfachte unbürokratische Bestellabwicklung und manuelle verbrauchsgesteuerte Dispositionsverfahren.
XYZ-Analyse
Bei der Anwendung in Dispositions- und PPS-Systemen stellt sich meist das Problem der Kontinuität des Bedarfs und damit der Vorhersagegenauigkeit. Für die Bedarfsermittlung kann eine ABC-Analyse mit einer nach Positionen oder Warengruppen bestimmten, klassifizierenden Schwankungsbreite verfeinert werden.
Die Klassen zur Schwankungsbreite werden anhand eines Beispiels in Abbildung 3 dargestellt. Sie sollten nach den realistischen betrieblichen Gegebenheiten pragmatisch definiert und als einheitliche Richtwerte eingesetzt werden. Sie können durch qualifizierte Schätzung und/oder durch analytische Betrachtung der Bestandsentwicklungen einer Periode, ggf. ergänzt durch Auftrags- und Stücklistenauflösung eines vorhandenen Auftragsbestandes oder von Produktionsprogrammen und Absatzplanungen ermittelt werden. Anschließend wird für jede Position eine Kombina- tionsmatrix aus ABC- und XYZ-Analyse gebildet, die in Abbildung 4 ersichtlich ist.
Die Anwendung
Als Entscheidungskriterium für Bevorratungs- und Beschaffungsstrategien können die Ergebnisse einer XYZ-Analyse beispielsweise dazu führen, dass
•X-Posten für fertigungssynchrone Beschaffungsabwicklungen, wie Just-in-time-Verfahren,
•Y-Posten für planmäßige verbrauchs-, bzw. bedarfsorientierte Beschaffungsverfahren,
•Z-Posten für bevorratende Beschaffungsverfahren mit Sicherheitsbeständen oder als bedarfsorientierte Spontanbeschaffungen bei guter Verfügbarkeit und orientiert an der Wertigkeit vorgesehen werden.
Die XYZ-Analyse ist ein Verfahren zur Bestimmung der Vorhersagegenauigkeit bei der Bedarfsermittlung.
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