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Absicherung im Stahleinkauf

Preisanpassungsklauseln
Absicherung im Stahleinkauf

Bei der Beschaffung von Rohstoffen wie Metallen, Kunststoffen und Stahl werden Einkäufer in den letzten Jahren mit starken Preisänderungen konfrontiert, die nur eine Richtung kennen: nach oben. Im klassischen Rohstoffbereich werden diese Preissteigerungen mittels entsprechender Preisanpassungsklauseln, im Stahlbereich häufig noch bei der Verhandlung neuer (kurzfristiger) Kontrakte durchgesetzt. Allerdings: Häufig werden Preissteigerungen auch auf vertragswidrige Weise durchgesetzt. Wie kann nun der Einkauf seine strategischen Unternehmensziele mittels Preisanpassungsklauseln optimal verfolgen?

Sebastian Schröder

Nicht selten wurden Einkäufer in den letzten Jahren mit Preiserhöhungsverlangen ihrer Lieferanten konfrontiert. In den Anschreiben hieß es lapidar, dass aufgrund gestiegener Rohstoff- und Stahlpreise die Preise für künftige Lieferungen erhöht werden müssten. Manche Lieferanten verwiesen in diesem Zusammenhang noch auf einen „Wegfall der Geschäftsgrundlage“.
Die gute Nachricht für Einkäufer: Ein solches Preiserhöhungsverlangen bei vereinbarten Festpreisen ist grundsätzlich unwirksam. Sofern vertragliche Regelungen einen Festpreis vorsehen, gilt dieser und kann nicht einseitig durch den Lieferanten angepasst, sprich erhöht werden. Von diesem Grundsatz ist lediglich eine Ausnahme zu beachten: § 313 BGB („Wegfall der Geschäftsgrundlage“). Hiernach sind eine Anpassung und sogar eine Beendigung des Vertrags möglich, wenn die Voraussetzungen des § 313 BGB vorliegen. Wegen der hohen Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen ist jedoch eine derartige Ausnahme faktisch sehr selten. So hat das OLG Hamburg zuletzt das Preiserhöhungsverlangen eines Bauunternehmers wegen erhöhter Beschaffungskosten für Stahl abgelehnt (AZ: 14 U 124/05).
Begründet wurde dies damit, dass eine berechtigte Preiserhöhung mit Berufung auf § 313 BGB eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage voraussetze. Ob eine schwerwiegende Veränderung vorliege, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine solche schwerwiegende Änderung läge nur dann vor, wenn eine Partei oder beide Parteien den Vertrag bei Kenntnis der Änderung nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten und das Festhalten am Vertrag zu den vereinbarten Konditionen unzumutbar sei.
In diesem Sinne fallen Fehlkalkulationen in den Risikobereich der jeweiligen Vertragspartei. In volatilen Märkten ist mit Preiserhöhungen zu rechnen. Entsprechend trägt der Lieferant das Risiko einer Fehlkalkulation hinsichtlich künftiger Preise für die Eigenbeschaffung. Hat der Lieferant also mit seinem Kunden einen Festpreis vereinbart, ist er an diesen grundsätzlich gebunden.
Häufig werden Festpreisklauseln als optimale Preisbestimmungsklauseln für Einkäufer betrachtet. Jedoch können auch andere Klauselarten für den Einkäufer Vorteile bieten.
Typische Preisanpassungsklauseln
Wesentliche unmittelbare Ziele bei Preisbestimmungsklauseln sind Risikokontrolle (Kalkulationssicherheit), Preisreduzierung, Verhinderung von Preiserhöhungen sowie gegebenenfalls Einblick in Kostenstrukturen des Lieferanten. Allerdings sind auch mittelbare Ziele mit zu berücksichtigen, wie Minimierung des Versorgungsrisikos, des Qualitätsrisikos sowie eine gewünschte langfristige Partnerschaft zwischen Lieferanten und Kunden.
Seit 2005 führt der BME Benchmarks für Stahl durch. Der BME erhebt dabei Daten zu Vertragslaufzeiten, Preisentwicklungen, Spotkäufen und Lieferantenstruktur. Im Stahlbereich werden überwiegend noch Kontrakte über relativ kurze Vertragslaufzeiten geschlossen. Jeweils ein Drittel der Unternehmen verhandeln vierteljährlich, halbjährlich oder jährlich. Diese Preise sind dann innerhalb der Vertragslaufzeit bzw. der im Rahmenvertrag festgelegten Gültigkeitszeiträume fest. Allerdings werden auch immer häufiger Verträge mit längeren Laufzeiten abgeschlossen.
Demgegenüber werden die oben genannten unmittelbaren wie mittelbaren Ziele im Rohstoffbereich überwiegend mittels Preisanpassungsklauseln verfolgt. Allerdings: Als Reaktion auf die steigenden Stahlpreise können Stahlkontrakte verstärkt an Börsen wie der LME gehandelt werden und können dadurch wie andere an Börsen gehandelte Metalle auch mit anderen Preisklauseln abgesichert werden.
Typische Gestaltungsformen von Preisklauseln sind neben der Festpreisklausel, das einseitige Preisbestimmungsrecht des Kunden, eine Meistbegünstigungsklausel, objektivierte Preisänderungsklauseln sowie einseitige Preisänderungsklauseln zugunsten des Lieferanten. Unter objektivierten Preisänderungsklauseln werden sogenannte Kostenelementeklauseln und Kostenindexklauseln verstanden. Während bei der Kostenelementeklausel die Höhe des Preises an bestimmte vorher vertraglich festgelegte Variablen geknüpft wird, die typischerweise die Kosten des Lieferanten darstellen (z. B. Materialkosten, Rohstoffkosten, Personalkosten), wird bei der Kostenindexklausel die Höhe des Preises an den künftigen Wert im Wesentlichen gleichartiger Güter gekoppelt. Die Meistbegünstigungsklausel besagt, dass der Lieferant mindestens zu den besten Konditionen, die ein anderer Kunde erhält, beliefern muss.
Auf Rechtsfolgenseite sind automatische Preisanpassungen denkbar; häufig wird das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch zum Anlass genommen, erneut über die Preise zu verhandeln. Dies hat dann den gleichen Effekt wie der Abschluss langfristiger Rahmenverträge über Stahllieferungen mit häufigen Preisverhandlungsintervallen.
Bei Verwendung von Preisbestimmungsklauseln sind AGB-rechtliche und kartellrechtliche Gesichtspunkte zu beachten. Zwischen den einzelnen Zielen und den Preisanpassungsklauseln bestehen Wirkzusammenhänge, siehe Schaubild.
Einseitige Preisbestimmungsklauseln – sei es, dass der Kunde oder der Lieferant dieses Recht ausüben darf – geben einseitig die Interessen des jeweils Ausübungsberechtigten im Hinblick auf die unmittelbaren Ziele wieder. Bei einseitigen Preisänderungsrechten des Kunden erhöht sich dadurch zugleich sein Risiko hinsichtlich der weiteren Ziele wie Versorgungsrisiko und Qualitätsrisiko in erheblichem Maße. Auch bei einer Festpreisklausel kann sich das Versorgungs- wie das Qualitätsrisiko erhöhen, wenn der Lieferant eigene Preissteigerungen nicht weitergeben kann. Sofern keine Lieferpflicht innerhalb des Rahmenvertrags besteht, wird der Lieferant tendenziell andere Kunden beliefern, mit denen er höhere Preise vereinbaren kann. Möglicherweise führt der Kostendruck auch dazu, dass er geringere Qualität liefert.
Bei volatilen Märkten können daher objektivierte Preisanpassungsklauseln eine für beide Vertragsparteien zweckmäßige Lösung sein. Das Schaubild zeigt hinsichtlich der Kostenelementeklausel wie der Kostenindexklausel den gleichen Wirkzusammenhang hinsichtlich der Zielgrößen auf. Beide Klauseln können das Versorgungsrisiko und das Qualitätsrisiko angemessen steuern. Ob die eine oder die andere Klausel gewählt wird, hängt insbesondere davon ab, ob deren Voraussetzungen hinsichtlich des zu beschaffenden Guts abgebildet werden können.
Wesentlich für eine Kostenindexklausel ist, ob ein entsprechender objektiver und transparenter Index existiert. Eine Abhängigkeit von Informationen des Lieferanten ist zu vermeiden. Es muss sichergestellt sein, dass die im Index enthaltenen Güter mit den beschafften Gütern vergleichbar sind. Zweckmäßiger Weise werden derartige Kostenindexklauseln an Börsenindizes (oder vergleichbare Indizes) geknüpft, da deren Daten objektiv durch Dritte bestimmt werden und diese für alle Beteiligten einsehbar sind.
Kostenindexklausel und Kostenelementeklausel
In einer Kostenindexklausel wird zunächst ein Basispreis festgelegt. Es empfiehlt sich, sodann eine Toleranzgrenze festzulegen, innerhalb derer „übliche Volatilitäten“ keine Auswirkung auf die Preisbestimmung haben. Um zugleich Kalkulationssicherheit zu erlangen, sollten Zeiträume definiert werden, in denen die Preisentwicklung beobachtet wird, sowie eindeutige Stichtage für die Preisanpassung festgelegt werden. Permanente Preisanpassungen werden hierdurch vermieden.
Bei einer Kostenelementeklausel sind zunächst die Kostenelemente festzulegen. Diese müssen hinsichtlich der einzelnen relevanten Kostenelemente (wie Material- und Lohnkosten) präzise definiert werden. Aus Einkäufersicht empfiehlt es sich ebenso, einen fixen Anteil festzulegen. Beide Vertragsparteien müssen sodann festlegen, hinsichtlich welcher Kostenelemente Preisänderungen relevant sein sollen. Innerhalb der Kostenelemente kann ggf. weiter ausdifferenziert werden (Lohnkosten mit/ohne Tarifbezug). Auch hier sind wie bei der Kostenindexklausel ein Basispreis, eine Toleranzgrenze für Preisschwankungen, ein Berechnungszeitraum und ein Preisanpassungsstichtag festzulegen. Zusätzlich sollte der Einkauf eine sogenannte Open-book-Klausel vereinbaren, um – nicht gewünschte – Margenerhöhungen zu verhindern. Beide Klauseln sind klar und verständlich zu formulieren (Transparenzgebot § 307 BGB).
Unter dem Blickpunkt strategischer Überlegungen sind daher beide Klauseltypen gleich zu bewerten. Für die Wahl einer entsprechenden Klausel kommt es vor allem auf die tatsächlichen Umstände an. Einige Stahlsorten werden bereits an Börsen gehandelt. Die LME hat für das Jahr 2008 angekündigt, dass weitere Stahlsorten gehandelt werden sollen. Insoweit kann sich die jeweilige Börsennotierung als Referenzpreis anbieten. Gleiches gilt übrigens auch für die Legierungszuschläge, da viele der hierfür genutzten Metalle an Börsen wie der LME gehandelt werden.
Sofern solche öffentlich zugängliche Informationen nicht vorhanden sind, bieten sich eher Kostenelementeklauseln an. Beide Klauseltypen können allerdings auch kombiniert werden. Kostenindexklausel und Kostenelementeklausel können in volatilen Märkten die Interessen von Lieferant wie Kunde fair widerspiegeln. Sie bieten insbesondere die Möglichkeit, Preisänderungen transparent darzustellen und zu plausibilisieren. Bei offenen Verhandlungsklauseln besteht hingegen die Gefahr, dass neben den Marktgegebenheiten die Preise stark durch das jeweilige Verhandlungsgeschick der Vertragspartner beeinflusst werden.

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