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Acht Schritte zum Erfolg

Auswahl und Bewertung von Logistikdienstleistern
Acht Schritte zum Erfolg

Outsourcing gilt als Megatrend in der Logistik. Die Umsätze der wichtigen Dienstleister in Deutschland wachsen. Trotz zahlreicher Erfolge ist Outsourcing in der Kontraktlogistik kein Selbstläufer. Unser Autor Dirk H. Hartel gibt daher Hinweise zum Finden des richtigen Logistikdienstleisters. Ihm genügen acht Schritte.

Dr. Dirk H. Hartel, München

Outsourcing in der Logistik wird nach wie vor als Ansatz betrachtet, durch die Übertragung logistischer Dienstleistungen in Industrie und Handel Kosten zu senken und dadurch die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Während früher Transport und einfachere logistische Tätigkeiten ausgelagert wurden, werden heute zunehmend komplexere Dienstleistungen in der Kontraktlogistik an spezialisierte Dritte vergeben. Im Wesentlichen erhofft sich der Auftraggeber dadurch folgende Effekte: Kostensenkung durch geänderte Tarifstrukturen, Konzentration auf Kernkompetenzen sowie Risikosenkung und mehr Flexibilität durch Variabilisierung von Fixkosten.
In vielen Fällen geht die Rechnung jedoch nicht auf. Mit einem Outsourcing sind schließlich auch zahlreiche Risiken verbunden. So handelt es sich um wesentlich anspruchsvollere Aufgabenstellungen als früher bei der Vergabe von Transportaufträgen von A nach B. Die Komplexität führt einerseits zu Anlaufrisiken im Übergang auf den Dienstleister, andererseits aber auch zu einer gegenseitigen Abhängigkeit durch Vertragslaufzeiten bis zu fünf oder sieben Jahre. Nicht zuletzt der § 613a BGB, der die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs regelt, gibt enge Grenzen zur Senkung der Personalkosten vor. Laufzeiten für die Suche und Auswahl geeigneter Logistik-Dienstleister betragen vor diesem Hintergrund teilweise bis zu 18 Monate und belegen, dass ein professionelles Projektmanagement auch dann erforderlich ist, wenn man am Ende des Projektes die Aufgaben an einen Dritten verlagern möchte. Im Folgenden soll auf Basis von Projekt-Erfahrungen eine Vorgehensweise dargestellt werden, wie sie sich in der Praxis bewährt hat. Sie dient dazu, in acht Schritten aus Sicht des Kontraktgebers den geeigneten Dienstleister zu finden.
Schritt 1: Fixieren von Outsourcing als präferiertes Geschäftsmodell
Vor dem Projektstart ist zu klären, ob ein Outsourcing der Logistik die richtige Strategie für das Unternehmen ist. Während früher die Entscheidung ausschließlich zwischen Make (Eigenbetrieb) oder Buy (Fremdvergabe) fiel, gibt es heute alternative Geschäftsmodelle neben Outsourcing und Insourcing. Hierzu zählt etwa die Bildung eines Joint Venture zwischen einem Dienstleister und einem Industrie-/Handelsbetrieb (z. B. zwischen Siemens und Schenker in der Ersatzteillogistik) ebenso wie verstärkt auch Management-buy-outs (z. B. die Ausgründung der MAN Logistik) durch das bisherige Logistik-Management zur Sicherstellung des Markt- und Produkt-Know-hows. Diese Modelle zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie die Abhängigkeits- und Anlaufrisiken zu reduzieren versuchen. Am Rande bemerkt: Die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland geben enge Grenzen vor, um die Personalkosten als Hauptkostenblock zu beeinflussen. Vor der Entscheidung zugunsten eines Outsourcings ist zu prüfen, welche Kostenarten tatsächlich direkt oder indirekt reduziert werden können.
Schritt 2: Festlegen des Outsourcing- Umfangs
Nachdem sich die Unternehmens- und Projektleitung für ein Outsourcing entschieden haben, muss nun die Frage nach dem Leistungsumfang geklärt werden. Nur in seltenen Fällen wird die gesamte Logistik nach außen vergeben. So erscheint es vor dem Hintergrund der mittel- und langfristigen Steuerung und Bewertung des ausgewählten Logistik-Partners sinnvoll, zumindest die logistische Beurteilungskompetenz im eigenen Unternehmen zu belassen. Auf jeden Fall empfiehlt sich die Durchführung eines Marktattraktivitäts-/Wettbewerbssituations-Portfolios zur Positionierung der einzelnen logistischen Leistungen (Wareneingangskontrolle, Kommissionierung, Materialdisposition, Bestandsführung etc.). Es führt zu einem differenzierten Bild, welche Leistungen nach außen vergeben werden können und welche vor dem Hintergrund der strategischen und kundenbezogenen Relevanz besser im eigenen Unternehmen verbleiben sollten.
Bei der Positionierung der einzelnen logistischen Aufgaben sind die Leistungen zwar einzeln zu beurteilen, Zusammenhänge untereinander dürfen aber nicht völlig vernachlässigt werden (z. B. zwischen Materialdisposition und Bestandsführung). Außerdem darf die Beurteilung nicht nur auf den heutigen Tag bezogen werden, sondern hat auch Trends zu berücksichtigen (z. B.: Welche Bedeutung aus Kundensicht besitzt eine 24-Stunden-Hotline als Differenzierungskriterium in fünf Jahren?).
Schritt 3: Erarbeiten eines Logistik- Konzepts und einer Ausschreibungsunterlage
Im dritten Schritt sollte ein Konzept für die zukünftige Logistik erarbeitet werden. Dabei sind Fragen zu beantworten wie „warum und mit welchem Ziel soll das Outsourcing betrieben werden?“, „wer übernimmt in Zukunft welche Aufgaben in der Supply Chain?“ oder „wie sieht der Zeitplan aus?“.
Dieses Konzept zielt einerseits nach innen, aber auch nach außen, damit die Logistik-Dienstleister erkennen können, welche Intentionen der Kontraktgeber verfolgt (geht es nur um eine reine Kostensenkung oder auch um andere Ziele, z. B. eine Reduzierung der logistischen Komplexität?). Auf der Grundlage des Konzepts ist eine Ausschreibungsunterlage zu entwickeln. Dabei gilt der Grundsatz, dass, je detaillierter die Unterlage ausgearbeitet ist, desto besser und genauer die Angebotsabgabe erfolgen kann. Wichtig ist aber auch, dass der Dienstleister nicht nur „Zahlenkolonnen“ auf Basis der Unterlagen abliefert, sondern eigeninitiiert Vorschläge für eine bessere logistische Abwicklung unterbreitet.
Die ausführliche Gestaltung von Ausschreibungsunterlagen heißt in der Praxis nicht, alles (inkl. IT und Organisation) bis ins letzte Detail als Restriktion (z. B. Standort, Equipment oder Personal) vorzugeben. Dies schränkt die Flexibilität der Dienstleister ein und verhindert, dass diese eigene Konzeptideen einbringen können, an die vorher noch nicht gedacht wurde.
Wesentlicher Bestandteil einer professionellen Ausschreibungsunterlage ist ein vorgegebenes, verbindliches Kalkulationsschema. Es schafft die Voraussetzung für die Vergleichbarkeit von Preisen und erleichtert dadurch signifikant den Preisvergleich.
Schritt 4: Recherche und Kontaktaufnahme mit potenziellen Logistik-Partnern
Wesentlich für die Recherche und Kontaktaufnahme mit geeigneten Dienstleistern ist die Frage nach den Quellen. Hierzu bieten sich etwa Branchen- und Verbandsdaten sowie Fallstudien aus Fachzeitschriften an oder der Besuch von Veranstaltungen und Fach-Foren von Wirtschaftsdiensten, die darauf abzielen, Anbieter und Nachfrager zusammenzubringen. Besonders vorteilhaft gestaltet sich indes die Kontaktaufnahme mit Logistik-Dienstleistern, mit denen man bereits zusammenarbeitet.
Die häufig gestellte Frage nach einer Zusammenarbeit mit einem großen oder einem mittelständischen Dienstleister kann nicht pauschal beantwortet werden. So sprechen Synergie-Effekte aus Netzwerken, Know-how und Professionalität meist für einen großen Logistiker, während Mittelständler gerade durch schnelle Reaktionsfähigkeit, Flexibilität und den direkten Kontakt zum Management punkten.
Unabhängig von der Fragestellung der Unternehmensgröße des Dienstleisters ist vielmehr im Vorfeld zu klären, über welches Branchen-Know-how und welche Erfahrungen zum spezifischen Abwicklungstyp (Größe, logistische Funktionen, Anlaufkurve etc.) die Kandidaten verfügen.
Schritt 5: Einladung zum Dienstleistertag und Konzept-Vorstellung
Seit vielen Jahren werden von Einkauf und Logistik Lieferantentage für A- und B-Lieferanten durchgeführt. Da ein Kontraktdienstleister durchaus in seiner Bedeutung für die Supply Chain und die Dauer der Geschäftsbeziehung mit einem A-Lieferanten verglichen werden kann, erscheinen Dienstleistertage im Vorfeld von Ausschreibungen sinnvoll und sind bei Großunternehmen gerade der Automobilindustrie mittlerweile Standard. Als wesentliche Vorteile von Dienstleistertagen sind die Effizienz, die Möglichkeit zu persönlichen Kontakten sowie der Aufbau von Wettbewerbsdruck zwischen den Kontraktnehmern zu nennen. Die Teilnahmequote der im Schritt 4 kontaktierten Dienstleister hängt stark vom Kontraktgeber und dem Ausschreibungsobjekt/-volumen ab. Teilweise kommen jedoch nur zwei von drei eingeladenen Logistikern. Dabei lassen die Reaktionen der Dienstleister nicht selten Rückschlüsse auf deren Schnelligkeit und Professionalität zu. Als typische Inhalte von Dienstleistertagen sind folgende Themen zu betrachten:
  • a. Vorstellung der eigenen Logistik (Vision, Strategie, Organisation etc.)
  • b. Vorstellung des zukünftigen Logistik-Konzepts/-projekts
  • c. Vorstellung, Durchsprache und Diskussion der Ausschreibungsunterlage
  • d. Festlegung des Zeitplans
  • e. Werksbesichtigung (optional)
Der Teilnehmerkreis ist mit mindestens sechs bis acht Unternehmen nicht zu eng zu wählen, um mögliche Absprachen zwischen den Anbietern zu vermeiden.
Schritt 6: Auswerten der Angebote auf Basis von Beurteilungskriterien (long list)
Nachdem die Anbieter auf Basis der Ausschreibungsunterlagen ihre Angebote abgegeben haben, sind diese nun inhaltlich und formell zu beurteilen. Dabei sollte auch der erste (Qualitäts-)Eindruck in die Beurteilung mit einfließen: Wie schnell wurde das Angebot abgegeben? Wie ist der Gesamteindruck: Orientiert man sich an der Ausschreibungsunterlage? Rechtschreibung? Optik?Wird die Aufgabenstellung individuell aufgegriffen oder ist es ein „Schema-F-Angebot“ mit Standard-Folien zum Unternehmensprofil?
Im Zeitraum zwischen Weitergabe der Ausschreibungsunterlage und Rücklauf der Angebote sind die Beurteilungskriterien zu fixieren und zu gewichten. Dies zielt auf eine Objektivierung qualitativer und quantitativer Kriterien ab und umfasst idealerweise acht bis zwölf voneinander unabhängige Einzel-Maßstäbe. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Konkretisierung und allgemein gültige Definition der Ausprägungsformen, z. B. („was heißt Bewertung 5 im Beurteilungskriterium Flexibilität“?).
Ein Beispiel soll diese Beurteilungsmatrix veranschaulichen (s. Abb. 3).
Bei der Bewertung der Angebote hat es sich als sehr vorteilhaft herausgestellt, die aktuelle Ist-Situation nach demselben Schema einer Beurteilung zu unterziehen. So hat sich in der Praxis schon in mehreren Fällen gezeigt, dass die vorliegenden Angebote nicht oder nur marginal besser als der Status quo waren. In einem solchen Fall ist das Ergebnis von Schritt 1 (Entscheidung zu Gunsten des Geschäftsmodells „Outsourcing“) nochmals zu hinterfragen.
Schritt 7: Persönliches Vorstellen der Angebote und Besichtigung vor Ort (short list)
Im Schritt 6 wurde die Liste der Anbieter von der long list (fünf bis acht Anbieter) auf die short list (Top 3) reduziert, um zielgerichtet und effizient weiter vorzugehen. Diese Anbieter sind im nächsten Schritt zu einer Angebotspräsentation einzuladen, um offene Punkte zu klären und um sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Im Rahmen dieser Angebotspräsentation und -diskussion wird oft auf Referenz-Projekte Bezug genommen, die der zukünftige Kontraktgeber im Anschluss besuchen und auditieren sollte. Im Rahmen eines solchen Audits sollte eine unabhängige und gemeinsame Beurteilung sowie ein Vergleich individueller Eindrücke auf Grundlage eines standardisierten Fragenkatalogs vorgenommen werden (Ordnung, Sauberkeit, Organisation, Teamarbeit, Qualitätsmanagement, Materialfluss, Equipment etc.). Dabei sind nicht alle Fragen gleich zu gewichten, sondern fließen teilweise in mehr als ein Kriterium ein.
Im Idealfall sollte der eingeplante zukünftige Niederlassungsleiter des Kontraktlogistikers das Logistik-Konzept bzw. das Angebot vorstellen. Hierdurch gewinnt der Auftraggeber einen Eindruck über die Persönlichkeit und es wird sichergestellt, dass die zukünftige Führungsmannschaft auch hinter dem eigenen Konzept steht.
Schritt 8: Preisverhandlungen/LoI/Vertragsverhandlungen und -abschluss
Auf Grundlage der Ergebnisse der Angebotsauswertungen und der Besichtigungen vor Ort sind nun mit den verbliebenen Anbietern Preisverhandlungen aufzunehmen, da sich erfahrungsgemäß die Preisrelationen zwischen den Logistik-Dienstleistern im Projektverlauf verschieben. Wichtig ist dabei, dass diese Verhandlungen von beiden Seiten nicht als reines „Preisdrücken“ empfunden werden. Dies wäre kontraproduktiv und würde zu zwei Negativ-Effekten führen: Einerseits wäre das Vertrauen in eine „partnerschaftliche Zusammenarbeit“ nachhaltig gestört, andererseits besteht die Gefahr, dass im Zuge der Durchsetzung von „Kampfpreisen“ der Dienstleister entsprechende Preisaufschläge im Projektverlauf einfordert oder den Vertrag mittelfristig sogar wieder kündigt. Nachdem die Entscheidung für den Logistik-Partner getroffen wurde, wird anschließend ein Letter of Intent unterzeichnet. Der letzte Schritt beinhaltet Vertragsverhandlungen mit juristischer Unterstützung.
Erste Vertragsentwürfe können von beiden Seiten aus initiiert werden; erfahrungsgemäß sollte man die Gelegenheit nutzen, mit einem eigenen Entwurf in die Verhandlungen zu gehen.
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