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Anziehend wirken und menschlich

Wer Mitarbeiter nur als Kostenfaktor sieht, verliert deren Leistungswillen
Anziehend wirken und menschlich

Welche Wechselwirkung besteht zwischen Führung, Führungskultur und der betrieblichen Leistungsfähigkeit? Wie wichtig sind kreative und operative Freiräume für Mitarbeiter? Wie wichtig das persönliche Auftreten von Führungskräften? Hartmut Volk sprach darüber mit Thomas Weegen vom Organisationsentwicklungsspezialisten Coverdale in München.

Beschaffung aktuell: Herr Weegen, weshalb ist das Führungsverhalten so wichtig für die Leistungskraft eines Betriebes?

Thomas Wegen: Weil sich kein Betrieb heute mehr über Wasser hält ohne Menschen, die sich mit dem Betrieb identifizieren! Weil Betriebe heute zum Überleben unbedingt auf Menschen angewiesen sind, die ganz bestimmte unverzichtbare Eigenschaften aufweisen. Sie müssen den Mut zu eigenständigem Denken haben und den Mut, dazu auch zu stehen. Und, „Mut zu eigenständigem Denken“ heißt immer notwendiger neben dem unabhängig-kritischen Denken und Mitdenken auch in Alternativen zu denken und Probleme aus jeweils unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Naheliegend, dass dazu das Rückgrat gehört zu widersprechen und gegen den Wind von vorne zu argumentieren. Nur wenn sich zumindest die Mitarbeiter in den Schlüsselpositionen so verhalten und sich so in das Betriebsgeschehen einbringen, beugt der Betrieb der Gefahr vor, sich im Gewohnten festzufahren und die Zeichen der Zeit zu ignorieren. Fehlen solche Menschen, bekommt er unweigerlich Probleme mit der wachsenden Komplexität, mit den sich häufig daraus ergebenden Zielkonflikten, mit der Entscheidungsfindung unter wachsender Ungewissheit. Was in der täglichen Beanspruchung und Anspannung von betrieblicher Seite in selbstschädigender Weise meist nur übersehen wird: Menschen, von denen so ein Leistungsprofil und so eine Einsatzbereitschaft erwartet werden, haben natürlich auch entsprechende Erwartungen an die Führung.
Beschaffung aktuell: Welche?
Weegen: Ob kompetente und entsprechend selbstbewusste junge Kraft oder gestandene Ältere mit ausgewiesener Leistungsbilanz, beide legen sie Wert auf ein gutes Arbeitsklima, beide wollen als Mitgestaltende und nicht lediglich als Ausführende und, im Problemfall, nicht als automatische Sündenböcke angesehen und behandelt werden. Sie wollen Zeit haben und Raum, um Dinge zu besprechen, zu bedenken und zu diskutieren. Sie wollen gehört werden! Sie wollen widersprechen können! Und sie erwarten, dass zwangsläufig in Denk- wie Arbeitsprozessen auftretende Fehler als Lern- oder Verbesserungsanstöße und nicht sofort als persönliches Versagen gewertet werden. Sie sind bereit, den Kopf hinzuhalten, aber nicht, ihn ergeben zu senken.
Ganz unverkennbar ist auch die wachsende Verwobenheit von Leistungsbereitschaft mit Sinnvermittlung und einer ausgewogenen Balance aller Lebensbereiche. Work-Life-Balance wird zunehmend als mitbestimmendes Element, ja Voraussetzung zu hoher Einsatzbereitschaft, angesehen. Stimmt diese Mischung nicht, wird sich ein Betrieb zunehmend schwerer tun, die Leistungsträger an sich zu binden, die er heute braucht, um sich zu entwickeln, Krisen zu trotzen und einem in mancherlei Hinsicht unfairer werdenden Wettbewerb die Stirn bieten zu können.
Beschaffung aktuell: Praktisch heißt das was?
Weegen: Dass Unternehmer wie Führungskräfte nur dann effizient und die eigenen wie die Kräfte ihrer Leute schonend führen, wenn sie diesen Ansprüchen entsprechen – was angesichts der offenbar geradezu sprunghaft ansteigenden Arbeitsausfälle infolge psychischer Probleme an Bedeutung gewinnt. Wer Identifikation mit dem Betrieb will, muss Identifikation ermöglichen. Und möglich wird Identifikation mit dem Betrieb, wenn Stufe für Stufe von oben herab gute Beziehungen zu den Belegschaftsangehörigen aufgebaut werden, wenn ihnen Sinn und auch Visionen, sprich nachvollziehbare Ziel- und betriebliche Wunschvorstellungen vermittelt werden.
Und nun kommt etwas, was manchen Chefs, ob Unternehmer oder Führungskraft, erkennbar nicht leicht fällt: Dazu müssen sie selber offener und ihren Leuten zugewandter auftreten. Also sich die Zeit nehmen, zuzuhören, Meinungen zu erkunden, zu diskutieren, unterschiedliche Sichtweisen nachzuvollziehen.
Und – nicht nur Launen und Stimmungen einigermaßen im Griff haben, sondern auch unmittelbar freundlich sein! Wenn etwas für ganz viel Demotivation und Frustration in den Betrieben sorgt, dann, dass Chefs ihre Leute nicht zur Kenntnis nehmen: in dem sie grußlos an ihnen vorübergehen, indem sie nie ein persönliches Wort an sie richten, sich nie nach deren Befinden erkundigen. Kurz und gut, wenn sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht fühl- oder spürbar signalisieren, dass sie sie wertschätzen, wenn sie sich hinter Führungstechniken verschanzen anstatt sich als Mensch, als Führungspersönlichkeit zu zeigen. Die so dringend gebrauchte, leider aber kaum noch in ausreichendem Maße vorhandene Identifikation mit dem Betrieb läuft maßgeblich über diese Schiene. Der zum Kostenfaktor degradierte arbeitende Mensch ist ein Wesen aus Fleisch und Blut. Wer als Führender Effizienz will, muss sich an seine eigenen diesbezüglichen Bedürfnisse erinnern und sie anderen zubilligen und ihnen zumindest ein Stück weit entsprechen.
Beschaffung aktuell: Weshalb betonen Sie die Bedeutung der Führungspersönlichkeit so?
Weegen: Weil die bessere Leistung nachgewiesenermaßen das Ergebnis der besseren Wirkung als Führungsmensch ist!
Heute wird, vielleicht aufgrund eines weit verbreiteten Machbarkeitswahns, viel zu stark das Gewicht auf Führungstechniken gelegt. Darauf wies schon der zu seiner Zeit hochgeachtete Rhetoriker und Managementberater Rupert Lay in seinem, gemessen an einem Teil der heute zirkulierenden Führungsliteratur, doch recht anspruchsvollen Buch „Führen durch das Wort“ hin: „Menschenführung ist nur aus einer Grundstimmung der Alterozentrierung möglich, d. h. der Führende muss in der Lage sein, sich selbst hinter den anderen, hinter die Sache zurückzustellen … Techniken sind sekundär. Die Persönlichkeit ist das primäre, nicht immer die charismatische, sondern sehr viel häufiger die gebildete.“ Also: Auf die Persönlichkeit kommt es an, nicht auf die Techniken, die sind sekundär, die Persönlichkeit ist das Primäre. Wenn es einen Ausweg aus der wachsenden Entfremdung der Belegschaften von „ihrem“ Betrieb und dem damit einhergehenden Effizienzverlust gibt, dann weist dieser Satz den Weg in die einzuschlagende Richtung. Wer andere führen will, muss sich selbst führen können. Um diese Selbstführung aber ist es in vielen Fällen recht jämmerlich bestellt.
Der Chef, ob Vorgesetzter oder Unternehmer, muss seine Leute für sich einnehmen – können. Und dazu braucht er, wie Lay zutreffend feststellt, ein gewisses Maß an Persönlichkeitsbildung. Um wirkliche Führungseffizienz zu bekommen, brauchen wir also zuerst die Einsicht: Diese Effizienz bekommen wir nicht auf der Technikschiene, die bekommen wir nur auf der Persönlichkeitsschiene. Es gibt da ein schönes altes Sprichwort: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch wieder heraus. Wir sollten es aus seinem Mottenkistendasein befreien!
Beschaffung aktuell: Ihr abschließender Rat an die Führungskräfte?
Weegen: Die heutige Arbeitsbelastung fordert ein mit Bedacht gestaltetes, wechselseitig entlastendes Miteinander! Die heute überall anzutreffende Konfrontationshaltung, das Gegeneinander, das Betonen von Übereinander, das – aberwitziger Weise oft erwartete – brandgefährliche Nach-dem-Munde-Reden ist irrsinnig kontraproduktiv. Der archimedische Punkt effizienter Unternehmensführung ist ja beileibe nicht die Herrschaft der Controller, das penible Kostenmanagement, heute im Wesentlichen verstanden als Personalabbau.
Entscheidend ist die Frage nach dem Wirkungsgrad der Kosten, vor allem der Personalkosten. Und dieser Wirkungsgrad liegt in den Händen der Führungskräfte. Das bessere Kosten-Leistungsverhältnis anzustreben heißt immer auch, die bessere Führung anzustreben, den Betrieb von der menschlichen Seite her geschmeidiger, reibungsloser in seinen Abläufen, unkomplizierter in seinem Schnittstellenverhalten, kurz und gut, ihn durchgehend williger zu machen. In der Nahaufnahme sind viel zu viele Betriebe heute von der Personalseite her, von deren Willigkeit her gesehen, außerordentlich bockbeinige, in sich verstrickte, widerspenstige Gebilde. Zentrales Streben der Führungskräfte sollte es also sein, diesen inneren Widerstand aus dem Geschehen zu nehmen. Und dazu müssen sie anziehend auf ihre Leute zu wirken, was nicht mit anbiedernd zu verwechseln ist.
Nehmen wir das Wort ‚FührungsKRAFT‘ einmal ganz wortwörtlich, dann kommt diese KRAFT der Führung daraus, sich auf der Verhaltensebene in den Mitarbeitern Unterstützer zu erobern, Verbündete, Mitmacher, selbstbewusste wohlgemerkt. Die überlegene Leistungseffizienz hat zwei Quellen: Wissen und Können und ein gutes Gefühl bei der Arbeit!
Das Interview führt für Beschaffung aktuell unser Autor Hartmut Volk, Journalist
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