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Auch den Einkauf pflegen

Krankenhäuser und Senioreneinrichtungen
Auch den Einkauf pflegen

Auch Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen finden sich heute in Märkten wieder, die von hoher Wettbewerbsintensität und starkem Kostendruck gekennzeichnet sind. Wie sich hier ein professionelles Einkaufsmanagement zum zentralen Erfolgsfaktor entwickeln kann, zeigt unser Autor Patrick Da-Cruz.

Patrick Da-Cruz

In vielen Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen hat der Einkauf bis vor wenigen Jahren eine untergeordnete Rolle gespielt. Häufig wurden lediglich die Bestellanforderungen aus Abteilungen wie Verwaltung, Küche oder Pflege erledigt. Nur selten dagegen wurde der Einkauf in strategische Projekte eingebunden, wie z. B. in Investitionsvorhaben oder Outsourcing-Projekte. In Zeiten engerer Budgets ändert sich dies. Zunächst rückte in vielen Einrichtungen der größte Kostenblock − die Personalkosten − in den Fokus. Neue Arbeitszeitmodelle oder die Verlagerung ehemals intern erbrachter Leistungen an externe Dienstleister, die nicht gemäß den starren Vergütungsrichtlinien des BAT bezahlen, waren und sind auch heute noch die Schwerpunktthemen des Managements.
In erster Linie geht es darum, schlanke Strukturen mit klarer Verantwortlichkeit zu schaffen. Mit welchen Instrumenten können Heimleitungen den bislang eher operativ agierenden Einkauf zu einem strategischen Einkauf weiterentwickeln? Diese Informationen sind insbesondere für Betreiberorganisationen, die mehrere Einrichtungen unterhalten und somit über das „kritische“ Einkaufsvolumen verfügen, von besonderem Nutzen. Welchen Einfluss der Einkauf auf den Gewinn haben kann, verdeutlicht folgendes Rechenbeispiel:
Starker Einfluss auf die GUV
Bei einer unterstellten Kostenstruktur mit 20 Prozent Materialkosten, 5 Prozent sonstigem betrieblichen Aufwand (der Anteil Materialkosten/sonstiger betrieblicher Aufwand kann auch höher sein, falls viele Dienstleistungen fremdvergeben sind) und 5 Prozent Marge und einem Umsatz von 10 Millionen Euro (zur Vereinfachung für die Modellrechnung) hat eine dreiprozentige Senkung der Materialkosten und des sonstigen betrieblichen Aufwands den gleichen Effekt auf das Betriebsergebnis wie eine 15-prozentige Umsatzerhöhung, nämlich eine Verbesserung um 75 000 Euro. Neben dem Einfluss auf Materialkosten und den sonstigen betrieblichen Aufwand hat der Einkauf aber auch Einfluss auf weitere Positionen in der Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz. So ist die fristgerechte und zuverlässige Lieferfähigkeit zwingende Voraussetzung dafür, dass die Einrichtung ihre Dienstleistungen erbringen und damit Umsätze generieren kann. Über seine Aktivitäten übt der Einkauf weitergehenden Einfluss auf den Personalaufwand (Folgekosten in der Pflege), das Anlage-/Umlaufvermögen (durch die Investitionsfinanzierung) oder die Struktur der Verbindlichkeiten (über die Vereinbarung von Zahlungszielen) aus. Die folgenden Instrumente stellen eine Auswahl an strategischen Einkaufsinstrumenten dar, die besonders relevant für den Pflegesektor sind:
1. Flexibilisierung von Fixkosten
Personalkosten werden auch auf absehbare Zeit den wesentlichen Kostenblock in den Senioreneinrichtungen darstellen. Deren Flexibilisierung ist zwingend erforderlich, um Auslastungsschwankungen abfedern zu können. Ein strategisch orientierter Einkauf kann hier seinen Beitrag vor allem in der Entscheidungsvorbereitung leisten. Kontinuierliches Markt-/Anbieterscreening, vergleichende Wirtschaftlichkeitsberechnungen (make-or-buy-Analysen), die Berücksichtigung von Wechselkosten beim Lieferantenwechsel oder Methoden der Lieferantenbewertung seien hier genannt. Die enge Kooperation mit externen Dienstleistern kann, bei entsprechender Ausgestaltung, auch dazu beitragen, dass das Fachpersonal der Einrichtung von fachfremden Tätigkeiten entlastet wird und sich stärker seinen eigentlichen Fachaufgaben zuwenden kann.
2. Warengruppenspezifische Einkaufsmandate (Lead-Buyer-Konzept)
Gerade in standortübergreifenden Organisationen bilden sich schnell Mehrfachstrukturen mit unklar geregelten Kompetenzen und Verantwortlichkeiten heraus. Schlechtere Konditionen aufgrund fehlender Kompetenz- und Mengenbündelung und administrativer Mehraufwand sind nicht selten die Folge.
Standardisieren und Lead Buyer einsetzen
Abhilfe schafft hier ein Lead-Buyer-Konzept, bei dem ein Einkäufer als Lead Buyer fungiert. Er besitzt ein Mandat, um die Gruppenbedarfe für eine Warengruppe zu verhandeln. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass der Vertreter einer Einrichtung den gesamten Einkauf von Telekommunikationsdienstleistungen übernimmt, während der Vertreter einer anderen Einrichtung medizinische Verbrauchsmaterialien beschafft. Wichtig ist, das Mengen und Know-how gebündelt werden. Damit das Konzept erfolgreich ist, sollten die zu beschaffenden Produkte und Dienstleistungen möglichst standardisiert sein. Dies stellt für viele Betreiber noch eine große Herausforderung dar, insbesondere dann, wenn Einrichtungen von anderen Trägern übernommen wurden und somit mehrere Lieferanten pro Artikel existieren.
3. Management der vorgelagerten Kosten
In Senioreneinrichtungen wird der Einkauf häufig über Verwaltungskräfte, bzw. bei größeren Ausgaben über die Einrichtungsleitung abgewickelt. Natürlich kennen diese die Anforderungen der internen Kunden sowie die jeweils relevanten Beschaffungsmärkte, die häufig in regionaler Hinsicht begrenzt sind. Ausbaufähig sind jedoch häufig Kenntnisse in Bereichen wie Kostenmanagement, Make-or-buy-Kalkulationen, finanzwirtschaftlich orientierter Szenarienbildung oder EDV-Simulationen. Hier müssen die Einkäufer geschult werden; dies ist in vielen Einrichtungen jedoch ein Manko. Da Hersteller und Dienstleister ihrerseits immer professioneller agieren und bei verschiedenen Waren bzw. Dienstleistungen für Senioreneinrichtungen mittlerweile Marktstrukturen existieren, die von wenigen, mächtigen Anbietern dominiert werden, muss sich auch der Einkauf von Senioreneinrichtungen entsprechend weiterentwickeln. Nur so ist auf Dauer eine gewisse Machtbalance gegenüber seinen Lieferanten und Dienstleistern zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang gilt es, für die wesentlichen Kategorien (z. B. medizinisches Verbrauchsmaterial) Kenntnisse über die jeweilige Kostenstruktur der Lieferanten und Dienstleister aufzubauen.
4. Einkaufskooperationen
Gerade in Ketten und Wohlfahrtsorganisationen wird häufig versucht, einen Zentraleinkauf zu installieren. Die Erfolge dieser Vorhaben sind unterschiedlich. Das Kernproblem ist nach wie vor die Produkt- und Dienstleistungsharmonisierung sowie die Kontrolle darüber, ob die entsprechenden Vorgaben eingehalten werden. Wenn diese Voraussetzungen gewährleistet sind, steht signifikanten Kosteneinsparungen und vereinfachten Abläufen nichts im Wege.
Auch kleine, konzernunabhängige Einrichtungen können in Teilen diese Vorteile für sich nutzen. Das Instrument dazu sind Einkaufskooperationen. Im Klinik- und Heimbereich haben sich mittlerweile verschiedene Anbieter erfolgreich etablieren können, die nahezu das komplette benötigte Material- und Dienstleistungsspektrum abdecken. Diese Anbieter erledigen auf Wunsch den gesamten Einkaufsprozess, von der Beschaffungsmarktforschung über Verhandlungen bis hin zur Bestellabwicklung.
5. Strategisches Controlling des Einkaufs
Hält man sich den oben beschriebenen Effekt vor Augen, den der Einkauf auf Unternehmensergebnis und -wert hat, dann ist einsichtig, dass für die Steuerung des Einkaufs entsprechende Kennzahlen benötigt werden. Bislang wird häufig über prozentuale Einsparungen je Einheit und Personalkennzahlen (z. B. Einkaufsvolumen pro Mitarbeiter oder Anzahl Bestellungen) gemessen. Natürlich sind die Einsparungen eine Kenngröße für sämtliche Einkaufsaktivitäten, sie greifen allerdings zu kurz. Dies ist beispielsweise darin begründet, dass die erzielte Preisreduktion zum Vorjahr eigentlich immer nur in Relation zur Marktpreisentwicklung sinnvoll beurteilt werden kann. Es stellt auch eine Leistung des Einkaufs dar, wenn es ihm gelingt, die Spezifikation benötigter Produkte zu vereinheitlichen oder durch eine erhöhte Anlieferfrequenz die Materialbestände zu senken bzw. durch modifizierte Zahlungsbedingungen die Liquidität zu verbessern.
6. Internationaler Einkauf
Großunternehmen und immer mehr Mittelständler nutzen zunehmend die Möglichkeiten internationaler Beschaffungsmärkte.
Global Sourcing „vor der Haustür“
Zum einen sind durch die geöffneten osteuropäischen Märkte attraktive Beschaffungsmöglichkeiten „vor der Haustür“ entstanden, zum anderen sind die Märkte Indien und China bei vielen Vorprodukten konkurrenzlos günstig (beim Bezug von Rohmaterialien bis zu 50 Prozent, bei wettbewerbsfähiger Qualität). Während amerikanische und englische Gesundheitsdienstleister die sich hier ergebenden Chancen bereits nutzen, spielt das Thema in weiten Teilen des deutschen Gesundheitswesens noch eine untergeordnete Rolle.
Weitere Informationen über Einkaufsverbünde gibt es u. a. bei P.E.G., München, und beim Wirtschaftsbund (Wibu), Ahrensburg. Einen Online-Marktplatz für Alten- und Pflegeheime bietet die Sensano AG, München.

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Der Autor


So wird der Einkauf schlagkräftiger

Tipps

  • Mit einem Lead-Buyer-Konzept bei standortübergreifenden Organisationen. Der Einkauf für eine Warengruppe wird gebündelt von einem Lead Buyer übernommen. Beispiel: Einkäufer von Pflegeeinrichtung A ist für den Einkauf von Verbrauchsmaterialien aller Häuser zuständig, Einkäufer von Einrichtung B für den Erwerb neuer Telekommunikationsanlagen.
  • Mit gut geschulten Einkäufern. Diese können professionellen Verhandlungspartnern auf Hersteller- und Dienstleisterseite besser Paroli bieten.
  • Mit Einkaufskooperationen für kleinere Einrichtungen. Mittlerweile existieren verschiedene Anbieter für den Klinik- und Heimbereich.
  • Mit einem professionellen Controlling.
  • Mit Bestellungen auf internationalen Beschaffungsmärkten. Osteuropäische und asiatische Anbieter können auf den großen Messen kontaktiert werden. Diese sind unter anderem bei Verbrauchsartikeln wesentlich günstiger.
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