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Auf dem Vormarsch: Supplier Relationship Management

IT-Lösungen für das strategische Beschaffungsmanagement
Auf dem Vormarsch: Supplier Relationship Management

IT-Anwendungen im Einkauf dienten bisher vorwiegend dazu, operative Prozesse zu automatisieren. Unter dem Begriff Supplier Relationship Management (SRM) kommen zunehmend integrierte Lösungen auf den Markt, die Unternehmen bei strategischen Beschaffungsaufgaben stärker unterstützen.

Timo Lührs, Dirk Bialucha, Senior Consultants für die Bereiche SCM und SRM bei Detecon International

Die Organisation des Einkaufs sei in vielen Firmen antiquiert. Das sagten kürzlich die Analysten der Aberdeen Group. Der Grund: Die meisten Unternehmen setzen bisher auf E-Procurement-Lösungen, die ausschließlich dazu dienen, operative Prozesse zu straffen und zu optimieren. Die entscheidenden Abläufe im Unternehmen, die vielfach über Erfolg oder Misserfolg entscheiden, sind jedoch die strategisch ausgerichteten Beschaffungsprozesse. Dabei nimmt vor allem die Zusammenarbeit mit Lieferanten eine immer bedeutendere Rolle ein. Denn durch den globalen Wettbewerbsdruck konzentrieren sich Unternehmen immer stärker auf ihre Kernkompetenzen und setzen zunehmend auf Arbeitsteilung. Folglich wächst das Einkaufsvolumen und somit auch der Anteil der Kosten, die durch die Beschaffung verursacht werden.
Voraussetzung für ein effizientes Beschaffungsmanagement ist zum einen die institutionalisierte Verteilung von Wissen im Unternehmen. Denn nur wenn das Know-how über Beschaffungsmärkte oder Lieferantenstrukturen für alle Mitarbeiter im Einkauf zugänglich ist, erfüllt es seinen Zweck. Data Warehouses, globale Lieferantendatenbanken und eine Suchfunktion für den Einkauf, vergleichbar mit „google“, werden daher künftig von elementarer Bedeutung sein.
Ebenso wichtig sind IT-Anwendungen, welche die interne Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Funktionsbereichen eines Unternehmens sowie den Austausch mit externen Partnern unterstützen. Dazu kommen Anwendungen wie E-Procurement, E-Sourcing oder Spend Analysis. Insbesondere große ERP-Anbieter fassen diese Lösungen unter dem Begriff Supplier Relationship Management (SRM) zusammen.
Integrierte Systemlandschaft
Während viele Unternehmen heute noch Nischenanwendungen für einzelne Bereiche des strategischen Einkaufs einsetzen, geht der Trend bei den SRM-Lösungen immer mehr zu integrierten Anwendungslandschaften, die den gesamten strategischen und operativen Beschaffungsprozess abbilden. Sie stellen Einkäufern und Bedarfsträgern alle relevanten Informationen und Applikationen auf einer einheitlichen und leicht zu bedienenden Oberfläche zur Verfügung. Solche SRM-Lösungen unterstützen insbesondere den strategischen Einkauf dabei, Marktanalysen durchzuführen, Anfragen und Ausschreibungen softwaregestützt zu bearbeiten oder automatisiert bei Auktionen mit zu bieten. Auch Anwendungen für das Vertragsmanagement sind Teil dieser integrierten Konzepte. Sie sorgen insbesondere bei Unternehmen mit vielen dezentralen ERP-Systemen für eine unternehmensweite Transparenz bei allen bestehenden Lieferantenverträgen.
Zusammenarbeit mit Lieferanten
Ein wesentliches Ziel der SRM-Lösungen ist es, die Effektivität der Lieferantenbeziehungen zu steigern. Spezielle Software-Werkzeuge dienen beispielsweise dazu, Informationen über Zulieferer zu verwalten oder diese zu bewerten und auszuwählen. Für Unternehmen, die dezentral organisiert sind, ist eine übergreifende Plattform sinnvoll. Sie verbindet im Idealfall sämtliche Lieferanten und Käufer weltweit miteinander und schafft für alle eine standardisierte und transparente Datengrundlage. Auf diese Weise lässt sich der Einkaufsprozess durchgehend verfolgen. Die Verantwortlichen in den Unternehmen erkennen Zielabweichungen damit frühzeitig und können bei Bedarf entsprechend eingreifen. Umgekehrt profitieren auch die Lieferanten von einer solchen Plattform. Denn sie haben von jedem Ort der Welt Zugriff auf die für sie relevanten Daten und können so ihre Leistungen entsprechend anpassen. Unter anderem setzt Siemens mit seiner click4suppliers-Plattform auf diese Form der IT-gestützen Zusammenarbeit.
Transparentes Einkaufsvolumen
Eine elementare Voraussetzung, um die Leistungsfähigkeit des strategischen Einkaufs zu verbessern, ist die Transparenz des Einkaufsvolumens eines Unternehmens. Tools, mit denen sich die notwendigen Informationen ermitteln lassen (Spend-Analyse-Werkzeuge), werden nach Angaben des CCMI (Consultative Commission on Industrial Change) heute jedoch erst von rund 20 Prozent der Unternehmen genutzt. Etwas mehr als die Hälfte der Firmen analysiert das Einkaufsvolumen zwar regelmäßig, allerdings jeweils nur auf Bereichs- oder Divisionsebene. Die größte Herausforderung bei der Spend-Analyse besteht darin, die Daten aus den verschiedenen Subsystemen zu extrahieren. Hier mangelt es vielfach an geeigneten Werkzeugen. Dazu kommt, dass die Datenqualität in den lokalen Systemen oft unzureichend ist. Auch politische Hemmnisse bei der Herausgabe der Daten einzelner Geschäftseinheiten spielen in vielen Unternehmen eine Rolle.
Unternehmen, die Spend-Analysen durchführen möchten, sollten zunächst festlegen, in welchem Detaillierungsgrad die Daten in den einzelnen Systemen vorliegen müssen. Das wiederum hängt davon ab, wer die Informationen zu Entscheidungszwecken im Unternehmen nutzen soll. Zu klären ist außerdem, wie mit Material- und Lieferantenstammdaten umzugehen ist und welche Systeme zusätzlich in die Analyse eingebunden werden sollen. Denn vielfach ist es sinnvoll, Daten aus dem Lieferanten- und Vertragsmanagement oder Informationen aus dem Controlling einzubeziehen. Vor allem Nischenanbieter arbeiten aktuell an Lösungen, die es ermöglichen, Informationen automatisch zu kategorisieren, zu bereinigen und zu analysieren. Eine der wesentlichen Anbieter für den Bereich der direkten Güter ist i2, für indirekte Güter sind es die Unternehmen Emptoris und Softface.
ERP-Anbieter versus Best-of-Breed
Insgesamt ist die Software-Anbieter-Landschaft für den Einkauf stark fragmentiert. Auf der einen Seite bieten die klassischen ERP-Hersteller, wie SAP, Oracle oder PeopleSoft umfangreiche SRM-Suiten an, die operative und strategische Beschaffungsprozesse sowie Spend-Analyse-Funktionen mit einer Lösung unterstützen. Auf der anderen Seite gibt es so genannte Best-of-Breed-Anbieter, die sich mit ihrem Lösungsspektrum auf den Einkauf spezialisiert haben. Häufig werden diese Lösungen unter dem Begriff „Enterprise Spend Management“ vermarktet. Die Anbieter kombinieren Lösungen des E-Procurement und E-Sourcing mit Funktionalitäten der Spend Analysis und des Contract Life-cycle Managements. Anbieter von Spezialfunktionen besetzen hingegen Marktnischen, indem sie einzelne Bereiche, wie das Vertragsmanagement oder den Dienstleistungseinkauf, abdecken.
Beim Vergleich der Funktionen lässt sich feststellen, dass die SRM-Anwendungen großer ERP-Anbieter weniger gut aufgestellt sind als die Lösungen der Spezialanbieter. So bieten die ERP-Hersteller im strategischen Einkauf beispielsweise noch deutlich weniger Funktionalitäten im Bereich des Vertragsmanagements oder der elektronischen Ausschreibungen und Auktionen an als die Nischenanbieter. Entsprechende Untersuchungen von AMR Research bestätigen diese Einschätzung.
Ähnlich verhält es sich beim Dienstleistungseinkauf. Die Praxisanforderungen dieser Warengruppe sind sehr spezifisch und heterogen, und die ERP-Anbieter sind heute noch nicht in ausreichendem Maße in der Lage, diesen Anforderungen zu genügen. SAP beispielsweise investiert derzeit massiv in diesen Bereich, um zukünftig Funktionen für die Ausschreibung komplexer Dienstleistungsverzeichnisse zu ermöglichen.
Massive Entwicklungsanstrengungen
Fast alle Best-of-Breed-Anbieter arbeiten derzeit daran, ihr Produktspektrum zu erweitern, um ihren Kunden zusätzliche Funktionalitäten anbieten zu können. Aber auch die großen ERP-Anbieter unternehmen massive Anstrengungen, um den Rückstand aufzuholen und künftig mit integrierten Gesamtlösungen an den Markt zu gehen. Aufgrund des integrativen Ansatzes sind die Entwicklungszeiten für neue Module bei Unternehmen wie SAP grundsätzlich länger als bei Best-of-Breed-Anbietern. Letztere können hingegen sehr schnell neue Funktionen anbieten. Allerdings ist hier die Einführung aufwändig und kostenintensiv, da die Speziallösungen mit dem Back-End-System verbunden werden müssen. Unternehmen, die aktuell eine PeopleSoft-Lösung einsetzen, können mit einer Unterstützung der Produktlinie bis 2013 rechnen. Oracle plant eine erste Best-of-all-Suite für 2008. Dort sollen die ausgereiftesten Funktionalitäten aus den bestehenden Lösungen zu einer zusammengefasst werden.
Die Qual der Wahl
Bei der Softwareauswahl für Einkaufssysteme sollten Unternehmen folgende Punkte berücksichtigen:
  • Unternehmen, die bereits ERP-Lösungen einsetzen, sollten, wenn möglich, auf die Suiten desselben Anbieters setzen, um die Vorteile einer vorintegrierten Lösung auszuschöpfen. Fehlende Funktionen sollten durch etablierte Best-of-Breed-Lösungen ergänzt werden, bis diese Anforderungen auch durch den ERP-Anbieter abgedeckt werden können.
  • Unternehmen, die Kernanwendungen mit den Lösungen eines Standardsoftware-Anbieters abdecken, sollten diese Strategie auch im Einkauf weiterverfolgen. Ein kompletter Umstieg auf einen anderen Suite-Anbieter kann zwar funktionale Vorteile haben. Doch der integrative Ansatz und die damit verfolgten Ziele, wie zum Beispiel Transparenz, wären nur unzureichend gewährleistet beziehungsweise nur durch kostspielige und technisch äußerst komplexe Integrationsszenarien zu realisieren. Unternehmen, die SAP einsetzen oder noch keine ERP-Lösung im Einsatz haben, ist von einem Wechsel auf Oracle/PeopleSoft aufgrund des anstehenden Produktmergers und der derzeit noch ungewissen Produktstrategie für SRM abzuraten.
  • Mittelständische und kleine Unternehmen sollten genau überdenken, ob eine große integrierte SRM-Lösung überhaupt notwendig ist. Oft lassen sich die Anforderungen dieser Unternehmen mit kleinen, flexiblen und kostengünstigen Lösungen von Best-of-Breed-Anbietern gut erfüllen.
Egal ob Komplettlösung oder Einzellösung: Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Entwicklungen und der häufig sehr heterogenen IT-Landschaften ist es unabdingbar, vor der Implementierung eines SRM-Systems zunächst eine unternehmensweite Einkaufssystemstrategie zu formulieren. Um den Anschluss nicht zu verlieren, sollten insbesondere große Unternehmen mit divisionalen Geschäftsstrukturen so bald wie möglich damit beginnen, ihre Einkaufprozesse und heutigen Einkaufssystemlandschaften diesbezüglich auf den Prüfstand zu stellen.

Nutzen von SRM-Lösungen
  • Transparenz über sämtliche Verträge mit Lieferanten, Einkaufsvolumina und Einkäuferverhalten
  • Umfangreiche Informationen bieten Entscheidungsunterstützung für strategische Einkaufsvorgänge
  • Verbesserte Möglichkeiten zur Analyse des Maverick-buying-Anteils und der Zusammenarbeit mit nicht zugelassenen Anbietern (Maverick-buying, deutsch: „Wilder Einkauf“: Unternehmen kaufen beim lokalen Lieferanten um die Ecke, anstatt die Ware beim Vertragslieferanten zu bestellen)
  • Effektivere Prozesse durch die Einführung integrierter Lösungen
  • Chance, verbesserte Preise und Konditionen mit Lieferanten auszuhandeln
  • Effiziente IT-Strukturen durch Standardisierung und Konsolidierung der Einkaufssystemlandschaft

  • Detecon International GmbH
    Detecon ist ein Beratungsunternehmen für integrierte Management- und Technologieberatung. Der Leistungsschwerpunkt liegt in Beratungs- und Umsetzungslösungen, die sich aus dem Einsatz moderner Informations- und Telekommunikationstechnologien ergeben. Das Leistungsspektrum reicht von analytischen und strategischen Themenstellungen, über Organisations- und Prozessberatung bis hin zur Unterstützung bei Planung, Aufbau oder Betrieb technischer Infrastrukturen. Mit fünf nationalen und zehn internationalen Standorten sowie rund 40 Projektbüros sind die Berater auf nahezu allen Kontinenten vertreten. Detecon ist eine 100%ige Tochter von T-Systems International GmbH.


    Dr. Lars Immerthal ist Senior Consultant bei der BrainNet Navigator GmbH, www.brainnet.de
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