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Auf der Suche nach einer neuen friedlichen Weltordnung

Buchrezension
Auf der Suche nach einer neuen friedlichen Weltordnung

2014 war das Jahr der lokalen Kriege, des Terrorismus und der Flüchtlingsströme. Vieles spricht daher dafür, dass wir an einem historischen Wendepunkt stehen. Mehr denn je bedarf es heute weitsichtiger Weltpolitiker. Diese sind aber Mangelware. So kann es nicht überraschen, dass sich die Riege der „elderly statesmen“ Henry Kissinger, Michail Gorbatschow, Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher zu Wort melden und auf die Gefahren für den Frieden in der Welt eindringlich hinweisen. Henry Kissinger, Ex-Außenminister der USA, hat mit seinem Buch eine tiefgreifende Analyse vorgelegt.

Henry Kissingers Grundthese lautet: Die Menschheit steht an einem historischen Wendepunkt. Wurden noch zu Zeiten des Kalten Krieges die Weltgeschicke von zwei konträren Systemen bestimmt, so konkurrieren heute zahlreiche rivalisierende Mächte miteinander. Diese stellen die überkommenen Wertvorstellungen und die darauf basierende Weltordnung mehr als in Frage. Für Kissinger ist daher klar, dass es in diesem Umfeld der Herausbildung einer neuen Weltordnung bedarf. Er macht sich in seiner Schrift fundierte Gedanken zu einer möglichen zukünftigen Weltordnung, in der nicht Islamisten, Säbelrassler und Separatisten dominieren.

In der eng vernetzten Welt von heute wäre eine Ordnung vonnöten, die von Menschen unterschiedlicher Kultur, Geschichte und Tradition akzeptiert wird und auf einem Regelwerk beruht, das in der Lage ist, Machtgleichgewichte auszutarieren und regionale und globale Kriege einzudämmen.
Kissingers historische Analyse ist ausgesprochen kenntnisreich. Er holt weit aus, indem er darauf hinweist, dass mit dem Westfälischen Frieden von 1648, der das Ende des 30-jährigen Krieges markierte, erstmals in der Geschichte eine allgemeingültige, weithin akzeptierte Ordnung etabliert wurde – basierend auf Essentials wie etwa Nichteinmischung in innere Angelegenheiten eines anderen Landes, Unantastbarkeit der Landesgrenzen, staatliche Souveränität. Diese Essentials würden bis heute zumindest in der westlichen Welt als Prämissen der internationalen Politik betrachtet. Von den neuen rivalisierenden Mächten würden sie hingegen nicht anerkannt.
Das aktuelle Chaos sich zersetzender Staaten, nationalistischer Bestrebungen mit teilweise (pseudo-)religiösen Fundamenten, unkontrollierbarer Verbreitungsmöglichkeit von A-, B- und C-Waffen usw. müsse daher soweit als möglich wieder in eine Weltordnung mit breiter Zustimmung überführt werden. Und dafür brauche man „eine praktische Aussöhnung mit der Realität, keine besondere moralische Einsicht“, meint der Weltpolitiker. Davon sind wir leider zurzeit weit entfernt!
Dass politische Ordnungskonzepte sehr verschieden sein können, ist Altmeister Kissinger wohl bewusst. So zeigt er die historischen Entwicklungen in China, die auf das 7. Jahrhundert zurückgehenden Vorstellungen der islamischen Weltordnung und auch die im Iran auf. Essentiell für ein Zusammenleben ist jedoch, dass es eine Ordnung gibt.
Kissinger entwirft in seinem Buch eine Art Plan, wie es weitergehen sollte/müsste, um wieder eine geordnetere Welt zu erhalten. Die Abkehr vom „sich überall (militärisch) einmischen“ hin zu „lieber nichts tun als etwas falsch machen“ ist für ihn kein Plan.
Die sehr unterschiedlichen europäischen Positionen zwischen bombardieren, Waffen an die vermeintlich Richtigen liefern, keine Waffen liefern, nur humanitäre Hilfe leisten, Bodentruppen einsetzen, hätten natürlich jeweils ihre Pros und Contras. Aber das Problem werde nicht kleiner oder erledige sich von selbst, indem man immer nur weiter diskutiere. Problematisch sei, dass inzwischen eigentlich jeder Politiker nur von heute bis zum nächsten wichtigen Wahltermin denke.
Die USA hätten praktisch seit ihrer Gründung ein Sendungsbewusstsein, ihre Überzeugungen auf der ganzen Welt zu verbreiten. So sehr dies z. B. im Nachkriegsdeutschland funktioniert habe, so wenig war ein Muster westlicher Demokratie kompatibel mit den Gesellschaften in Afghanistan, Irak, Vietnam usw. Die USA seien heute nicht mehr der „Weltpolizist“ und sollten es auch nicht sein. Aber sie sind nach Kissingers Auffassung ein unverzichtbarer Teil in einer Art Gremium der aktuell führenden Staaten wie China, Russland und anderen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates.
Die anspruchsvolle Lektüre macht nachdenklich – jenseits des Tagesgeschäftes. Dennoch haben Kissingers Mahnungen viel mit dem Geschäft auch des strategischen Einkäufers zu tun: Letztlich ist eine stabile friedliche Weltordnung unverzichtbare Voraussetzung für ein den allgemeinen Wohlstand förderndes ökonomisches Handeln.
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