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Aufbau eines Qualitätsmesssystems für Beschaffungsprozesse

Instandhaltung und Ersatzteilversorgung
Aufbau eines Qualitätsmesssystems für Beschaffungsprozesse

Der vorliegende Beitrag stellt ein Qualitätsmesssystem Beschaffungsprozess vor, welches von der Zentrum für Logistik und Unternehmensplanung GmbH, Berlin, entwickelt und in einem Konzern der Verkehrsindustrie erfolgreich eingeführt wurde. Zielsetzung hierbei ist, die in der Praxis verbreiteten Beurteilungssysteme im Einkauf – mit Fokus auf den reinen Einkaufsprozess – auf die Qualität im gesamten Beschaffungsprozess zu erweitern.

Dipl.-Ing. Norbert Lebelt,Dipl.-Ing. Thomas Wöhlert

Aus den entwickelten Messgrößen, die genau an den Schnittstellen mit wechselnder Prozessverantwortung ansetzen, lassen sich direkt Maßnahmen zur Verbesserung des Beschaffungsprozesses ableiten. Im Pilotbereich (ein Instandhaltungswerk des Konzerns sowie die verantwortlichen Einkaufsabteilungen) sind kurzfristig deutliche Verbesserungen in der Prozessqualität erzielt worden: Die Pünktlichkeit der Lieferungen konnte innerhalb kurzer Zeit von 63% auf 92% bei kritisch festgelegten Lieferterminen erhöht werden.
Die Beschaffung wird zunehmend zum erfolgskritischen Faktor im Unternehmen. Einerseits stellen sinkende Fertigungstiefe, steigender Fremdbezug und Variantenreichtum hohe Anforderungen an die Unternehmen. Die Beschaffung als Global Sourcing wird weiter zunehmen, zukünftig werden große Unternehmen über 50% ihres Beschaffungsvolumens von ausländischen Lieferanten beziehen. Andererseits ist die Qualität der Lieferungen bezüglich termingerechter Bedarfsbefriedigung oft ungenügend und führt zu Fehlteilkosten oder zusätzlichen (Sicherheits-)Beständen. Die Sicherstellung der Prozessqualität in der Beschaffung für die Erreichung der Unternehmensziele nimmt einen immer höheren Stellenwert ein.
Die Einhaltung der Prozessqualität bei allen Prozessbeteiligten ist Grundvoraussetzung bei der Prozessneugestaltung für
–die Gewährleistung der erforderlichen Materialverfügbarkeit,
–ein effizientes Bestandsmanagement bei den Bedarfsträgern,
–eine aktive Lieferantenbearbeitung und
–die Messbarmachung der logistischen Leistung in der Beschaffung.
Mit dem vorgestellten Qualitätsmesssystem wird der Beschaffungsprozess so transparent, dass sowohl der Einkauf als auch die Bedarfsträger in der Lage sind, gezielt Verbesserungen zur Erhöhung der Zeit- und Kosteneffizienz zu erreichen.
Prozesse in der Beschaffung
Die Beschaffungsprozesse sind gekennzeichnet durch eine wechselnde Prozessverantwortung seitens des Bedarfsträgers, des Einkaufs, des Lieferanten und erneut des Bedarfsträgers (siehe Abb. 1). Dabei werden folgende Teilprozesse unterschieden:
Bearbeitungszeit Disposition
Der Teilprozess umfasst die Bearbeitung der Systemvorschläge (z.B. in SAP), die Disposition und die eventuell notwendige Abstimmung mit der Produktion sowie dem Einkauf, und endet mit der Freigabe der Bedarfsanforderung (BANF) an den Einkauf (Bestellung über Liefervertrag) bzw. dem Eingang der Abrufbestellung beim Lieferanten (Abruf auf Rahmenvertrag).
Versorgungszeitraum
Hier beginnt die Verantwortung des Einkaufs. Der Teilprozess umfasst die Bearbeitungszeit des Einkäufers, z.B. für Bearbeitung der Bestellanforderung, Einholen von Angeboten, Durchführung einer Ausschreibung, Verhandlungen mit Lieferanten und Abschluss des Liefervertrags sowie die Lieferzeit. Für die Lieferzeit, die im Einflussbereich des Lieferanten steht, ist der Einkäufer über die Auswahl des Lieferanten und den Abschluss von Rahmen- bzw. Lieferverträgen verantwortlich. Der Teilprozess endet mit der Anlieferung beim Bedarfsträger.
Bearbeitungszeit Wareneingang
Dieser Teilprozess beginnt mit dem Eintreffen der Materialposition beim Bedarfsträger. Er umfasst alle Vorgänge, die zwischen der Anlieferung beim Bedarfsträger und der Verfügbarkeit im Lager und/oder in der Produktion liegen, so z.B. notwendige Qualitätskontrollen, internes Handling und Transport sowie die Einlagerung und/oder Bereitstellung.
Die Vorgabe von Planungsgrößen durch den Einkauf ist Voraussetzung eines optimalen Beschaffungsprozesses. Der zuständige Einkäufer gibt für seine Materialumfänge den Versorgungszeitraum vor, der Bedarfsträger passt seine Dispositionsparameter dieser Vorgabe an. Bei Materialpositionen mit Abruf auf Rahmenvertrag entspricht der Versorgungszeitraum der vertraglich vereinbarten Lieferzeit im Rahmenvertrag, bei allen anderen Positionen hat der Einkäufer neben der voraussichtlich erzielbaren Lieferzeit des Lieferanten auch seine eigene, materialspezifische Bearbeitungszeit für Anfrage und Vertragserstellung zu berücksichtigen.
Aus dem systemseitigen Dispositionsvorschlag erzeugt der Disponent unter Berücksichtigung der Bedarfe der Produktion einen gewünschten Liefertermin, der mit dem vom Einkäufer vorgegebenen Versorgungszeitraum abzugleichen ist. Ist der gewünschte Liefertermin nicht durch den Versorgungszeitraum gedeckt, ist er kritisch (zu kurzfristig); die Beschaffung ist zum gewünschten Termin vom Einkauf vertraglich nicht zugesichert. Es ist mit dem Lieferanten (bei Abruf auf Rahmenvertrag) oder dem Einkäufer (bei Einzelbestellung mit Liefervertrag) ein realistischer Liefertermin abzustimmen. Der vereinbarte Liefertermin ist im DV-System einzustellen.
Ist der gewünschte Liefertermin durch den Versorgungszeitraum abgedeckt, so ist er unkritisch und die Beschaffung zum gewünschten Termin vertraglich möglich. Der (unkritische) Liefertermin ist abgesichert und kann vom Bedarfsträger gegenüber dem Lieferanten (Abruf) bzw. Einkäufer (Einzelbestellung) eingefordert werden.
Konzeption eines Qualitätsmesssystems Beschaffungsprozess
Für die Konzeption werden zunächst die erforderlichen Qualitätsmessgrößen beschrieben und im Anschluss daran Zielwerte festgelegt, deren Erreichung eine deutliche Prozessoptimierung bei laufender Qualitätsmessung voraussetzt.
Qualitätsmessgrößen
Die in der Praxis gängige Bewertung der Einkaufsleistung mit Hilfe des Einkaufsergebnisses bildet nur die Zielgröße Einkaufspreis bzw. Einkaufsergebnis ab. Eine systemgestützte Lieferantenbeurteilung, z.B. in SAP, misst nur die Einhaltung des gewünschten Liefertermins, hierbei wird nicht unterschieden, ob dieser kritisch oder unkritisch festgelegt wurde und somit vertraglich abgesichert ist oder nicht. Darüber hinaus bilden bestehende Kennzahlensysteme den Beschaffungsprozess zu allgemein ab.
Um die Prozessqualität für den gesamten Beschaffungsprozess sicherzustellen, ist es erforderlich, die Qualität von Teilprozessen zu messen, um die Eingangs- und Ausgangsqualität verschiedenen Verantwortungsträgern zuordnen zu können. Die ausschließliche Messung der Qualität des Gesamtprozesses ist nur zur Darstellung des Status quo geeignet, nicht jedoch zur Verbesserung und Optimierung der Prozessqualität, da hierbei nicht ersichtlich wird, in welchen Verantwortungsbereich die Abweichung vom Sollprozess fällt. Die Zuständigkeit der Verantwortungsträger muss transparent gemacht werden, damit jeder gezielt geeignete Verbesserungsmaßnahmen in seinem Bereich auswählen und einleiten kann.
Bei geeigneter Wahl von Messpunkten und Messgrößen lässt sich über die Einhaltung der Prozessqualität in den Teilprozessen die Einhaltung der Qualität der gesamten Prozesskette sicherstellen. Geeignete Messpunkte sind an den Schnittstellen der Teilprozesse zu definieren, an denen die Verantwortung von einem Prozess auf einen anderen übergeht (siehe Abb. 2). An diesen Messpunkten wird die Einhaltung der Prozessqualität mittels Messgrößen überprüft.
Messgröße (1): Einstellung Planlieferzeit
Messergebnis: Anteil der unkritisch eingestellten Planlieferzeiten.
Die beim Bedarfsträger eingestellte Planlieferzeit ist vom Disponenten mit dem Versorgungszeitraum abzugleichen. Die Messung der eingestellten Planlieferzeit kann mit Hilfe des Systems zu jedem beliebigen Zeitpunkt erfolgen. Spätestens bei der Bearbeitung des Dispositionsvorschlages ist für die jeweilige Materialnummer zu prüfen, ob die Planlieferzeit unkritisch, d.h. größer oder gleich dem vertraglich vereinbarten Versorgungszeitraum eingestellt ist.
Messgröße (2): Festlegung Liefertermin
Messergebnis: Anteil der unkritisch festgelegten Liefertermine.
Bei jeder Abrufbestellung bzw. Bedarfsanforderung (BANF) ist durch den Disponenten zu überprüfen, ob der gewünschte Liefertermin des Bedarfsträgers durch den Versorgungszeitraum des Konzerneinkaufes gedeckt (unkritisch) oder zu kurzfristig (kritisch) ist. Wenn bei unkritisch eingestellter Planlieferzeit der Systemvorschlag für den Liefertermin vom Disponenten übernommen wird, entsteht automatisch ein unkritischer Liefertermin. Gemessen wird der Liefertermin, der nach dem eventuell notwendigen Abstimmungsprozess in den Abruf bzw. die BANF geschrieben wurde.
Messgröße (3): Einhaltung Liefertermin
Messergebnis: Anteil der bei Lieferung realisierten Liefertermine (Termintreue).
Mit der Vereinbarung eines Liefertermins für einen Abruf oder eine BANF ergibt sich eine Terminvorgabe für die Lieferung. Die Einhaltung dieser Vorgabe ist zu überwachen, das heißt, im Wareneingang des Bedarfsträgers wird der Ankunftstermin des Materials im SAP-System festgehalten und kann danach mit dem Liefertermin aus dem Abruf bzw. der BANF verglichen werden. Hierzu ist es erforderlich, dass der Wareneingang zeitnah verbucht wird, um keine falschen Ergebnisse zu erhalten. Die Einhaltung der zugesicherten Liefertermine durch den Lieferanten wird also bei Eintreffen des Materials beim Bedarfsträger gemessen. Bei der Messung der Termintreue ist ein Zielkorridor für den realisierten Liefertermin möglich.
Messgröße (4): Zeitgerechte Bedarfsbefriedigung
Messergebnis: Anteil der realisierten Produktionsbedarfe.
Die Aufgabe der Materialwirtschaft ist die termingerechte Bereitstellung des vom Bedarfsträger benötigten Materials. Sie wird durch die Lagerverfügbarkeit und die Ersatzmaßnahmen des Disponenten bei Unterdeckung wie Eilbestellungen beim Lieferanten gewährleistet. Die Messung der Materialverfügbarkeit für die Produktion errechnet sich aus dem Anteil der direkt und in voller Höhe befriedigten Bedarfspositionen an allen Bedarfspositionen in einer Periode.
Zielwerte für die Messgrößen
In Abb. 3 wird das Qualitätsmesssystem mit seinen Messgrößen zusammenhängend dargestellt. Dabei werden die Teilprozesse hervorgehoben, die den Prozess ohne Qualitätsabweichung beschreiben. Die Zielwerte geben die in der Praxis zulässige Abweichung vom Sollprozess vor. Im Fall der Abweichung haben Disponent und Einkäufer die Möglichkeit, Sondermaßnahmen zu ergreifen, um die Materialverfügbarkeit dennoch zu gewährleisten, allerdings mit zusätzlichem Aufwand und zu erhöhten Prozesskosten oder Teilepreisen. Die zu erreichenden Zielwerte sind in der Abbildung dargestellt, die Ist-Werte sind bei der einzelnen Messung zu ermitteln.
Zielwert zur Einstellung der Planlieferzeit (1):
Die Planlieferzeit ist zu 100% mit den Versorgungszeiträumen in Übereinstimmung zu bringen. Überschreitungen des Versorgungszeitraumes um bis zu einer Woche zur Abdeckung der (spezifischen) Bearbeitungszeit beim Bedarfsträger sind zulässig. Voraussetzung für eine sinnvoll eingestellte Planlieferzeit ist die Vorgabe von Versorgungszeiträumen für jede Materialnummer durch den Einkauf. Ziel ist die Erhöhung des Anteils der unkritisch eingestellten Planlieferzeiten. Sie sind die Grundvoraussetzung für eine automatische Disposition im IT-System.
Zielwert zur Festlegung des Liefertermins durch den Bedarfsträger (2):
97% der Liefertermine in Abrufbestellungen bzw. BANF sind unkritisch festzulegen, d.h. größer oder gleich den in Rahmenverträgen vorhandenen bzw. von Einkäufern vorgegebenen Versorgungszeiträumen. 3% der kritisch festgelegten Liefertermine aus Abrufbestellungen bzw. BANF können durch Sondermaßnahmen nach kurzfristigen Produktionsplanungs- und -steuerungserfordernissen abgestimmt werden. Dieser Anteil umfasst nicht planbare Bedarfe, die es auch bei vorbeugender Instandhaltung immer gibt.
Alle kritischen Liefertermine sind durch schriftliche Bestätigung vom Lieferanten (Abruf) bzw. Vereinbarung mit dem zuständigen Einkäufer (BANF) abzustimmen. Ziel ist die Erhöhung des Anteils unkritisch festgelegter Liefertermine im Abruf oder einer BANF. Sie führen zu einem höheren Anteil pünktlicher Lieferungen der Lieferanten.
Zielwert zur Einhaltung des Liefertermins/Erhöhung der Termintreue (3):
99% der unkritischen Liefertermine sind von den Lieferanten einzuhalten, nur 1% der Materialpositionen mit überschrittenem (unkritischen) Liefertermin sind akzeptabel. Demgegenüber sind 90% der kritisch vereinbarten und bestätigten Liefertermine von den Lieferanten einzuhalten, 10% der Materialpositionen mit Terminüberschreitungen werden bei kritischem Liefertermin akzeptiert. Ziel ist ein erhöhter Anteil von termingerecht befriedigten Lieferterminen durch die Lieferanten, sowohl bei unkritisch als auch bei kritisch festgelegten Lieferterminen.
Implementierung am Beispiel eines Konzerns der Verkehrsindustrie
Im Rahmen eines Beratungsprojektes wurde die beschriebene Konzeption eines Messsystems für die Beschaffungsqualität in Zusammenarbeit und Abstimmung mit Materialdisponenten und Einkäufern des Kunden entwickelt und erfolgreich eingeführt. Aus den Ergebnissen der ersten Messungen wurden Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet und gemeinsam mit dem Kunden durchgeführt.
Maßnahmen zur Optimierung der Beschaffungsprozesse
Die Verantwortlichkeiten im Beschaffungsprozess führen dazu, dass die Bedarfsträger für die Einleitung von Maßnahmen zur Verbesserung der Messgrößen 1 und 2 und die Einkäufer des Einkaufs für die Einleitung von Maßnahmen zur Verbesserung der Messgröße 3 verantwortlich sind. Dementsprechend sind im folgenden die Maßnahmen zur Optimierung des Beschaffungsprozesses nach Bedarfsträgern und Konzerneinkauf unterteilt.
Maßnahmen der Bedarfsträger zur Einstellung der Planlieferzeit (1):
–Pflege der Planlieferzeit im SAP-System, so dass die Planlieferzeit nicht kürzer und maximal eine Woche länger als der Versorgungszeitraum ist.
Maßnahmen der Bedarfsträger zur Festlegung des Liefertermins (2):
–Im Regelfall erfolgt ein Abruf mit unkritisch eingestelltem Liefertermin.
–Abstimmung eines kritisch eingestellten Liefertermins mit dem Lieferanten (Abruf) bzw. mit dem zuständigen Einkäufer (BANF).
–Bestätigung von kritisch eingestellten Lieferterminen durch den Lieferanten. Nur so ist dem Lieferanten gegenüber später der Nachweis zu führen, dass er eventuell nicht termingerecht geliefert hat.
–Verkürzung eines generell zu langen Versorgungszeitraums im Rahmenvertrag gemeinsam mit dem Konzerneinkauf, wenn erforderlich zu einem höheren Preis.
–Abstimmung mit der Produktion über frühzeitige Bedarfsmeldung an die Materialwirtschaft.
–Überprüfung der systemseitig vorhandenen Dispositionsverfahren auf ihre Eignung für das jeweilige Material.
Maßnahmen des Einkaufs zur Einstellung der Planlieferzeit (1):
Es erfolgt eine Vorgabe von Versorgungszeiträumen für alle Materialnummern. Bei Material ohne Rahmenvertrag steht der Lieferant in der Regel vor Abschluss des Liefervertrags noch nicht fest. Trotzdem ist auch hier die Vorgabe eines in der Regel zu realisierenden Versorgungszeitraums durch den zuständigen Einkäufer unbedingt erforderlich, da der Disponent ihn zur Einstellung der für die Disposition erforderlichen Parameter benötigt. Für die Vorgabe des Versorgungszeitraums ist genaue Marktkenntnis des zuständigen Einkäufers erforderlich, sie kann daher nicht den Disponenten selbst überlassen werden.
Maßnahmen des Einkaufs zur Einhaltung des Liefertermins (3):
–Klärung und Behebung der Ursachen einer nicht termingerechten Lieferung mit dem zuständigen Lieferanten.
–Einleitung von lieferantenspezifischen Maßnahmen, beispielsweise Vertragsstrafen, Kündigung des Rahmenvertrags oder keine weitere Berücksichtigung des Lieferanten bei Lieferverträgen.
–Vertragsänderungen bezüglich Lieferzeit und Preis, wenn absehbar ist, dass der vereinbarte Liefertermin auf Basis des Versorgungszeitraumes auch zukünftig nicht eingehalten wird.
–Anpassung von Lieferzeiten im Rahmenvertrag, falls der Lieferant grundsätzlich frühzeitiger liefern kann.
Verbesserung der Prozessqualität
Mit den beschriebenen Maßnahmen konnte im Pilotbereich innerhalb kurzer Zeit der Anteil der unkritisch eingestellten Planlieferzeiten von 95% auf 98% erhöht werden (siehe Abb. 4). Die Disponenten haben bei der Festlegung der Liefertermine im Abruf bzw. in der BANF die vereinbarten Versorgungszeiträume berücksichtigt und damit den Anteil der unkritisch festgelegten Liefertermine von 55% auf 68% erhöht. Mit weiteren Maßnahmen der zuständigen Einkäufer bis hin zur Aufnahme von Pönalregelungen und Kündigung von Rahmenverträgen konnte auch die Pünktlichkeit der Lieferungen von 80% auf 95% bei den unkritischen und von 63% auf 92% bei den kritisch festgelegten Lieferterminen verbessert werden.
Nachfolgend werden die im Pilotwerk und im Konzerneinkauf durchgeführten Maßnahmen zu den einzelnen Messgrößen beschrieben.
Verbesserung bei der Einstellung der Planlieferzeit (1):
Bei dem untersuchten Bedarfsträger wichen die Planlieferzeiten zum großen Teil deutlich von den Versorgungszeiträumen ab. Bei 5% der Materialnummern bestand aufgrund der kritisch eingestellten Planlieferzeiten die Gefahr von Lieferengpässen oder von Mehraufwand für Disponenten und Einkäufer, um eine rechtzeitige Lieferung zu erreichen. Bei 83% der Materialnummern war die Planlieferzeit mehr als eine Woche zu lang, so dass die Termindisposition mit deutlich zu langen, so nicht erforderlichen Zeiten gearbeitet hat.
Grund für kritisch oder deutlich zu lang eingestellte Planlieferzeiten war hauptsächlich der hohe Aufwand zur Ermittlung der Versorgungszeiträume aus dem Rahmenvertragstext.
Zur Anpassung wurden dem Pilotbereich Listen mit Gegenüberstellung von Planlieferzeiten und Versorgungszeiträumen zur Verfügung gestellt. Bei der zweiten Messung waren alle vorher kritischen oder deutlich zu langen Planlieferzeiten angepasst, die 2% kritischen Planlieferzeiten der 2. Messung resultieren aus Abrufen von zusätzlichen Materialsorten, die in der ersten Messung noch nicht berücksichtigt worden waren.
Verbesserung der Festlegung des Liefertermins durch den Bedarfsträger (2):
Die Festlegung von kritischen Lieferterminen durch den Bedarfsträger wurde häufig durch eine kritisch eingestellte Planlieferzeit, durch fehlende Einsichtnahme in die vereinbarte Lieferzeit im Rahmenvertrag oder durch nicht optimal eingestellte Dispositionsparameter verursacht. Erste erzielte Verbesserungen im Pilotbereich wurden nach entsprechender Schulung der Disponenten über die korrekte Einstellung der Planlieferzeiten, die Nutzung des Versorgungszeitraums bei Rahmenvertrag entsprechend dem neuen Sollprozess sowie durch eine Optimierung der im IT-System vorhandenen Dispositionsverfahren erreicht.
Weitere Verbesserungen sind durch die frühzeitige Erfassung und Weitergabe der Produktionsbedarfe an die Materialwirtschaft mit Hilfe des Systems, durch die Reduzierung zu langer Versorgungszeiträume unter Berücksichtigung der Kundenwünsche, durch eine abgestimmte Disposition zwischen den Bedarfsträgern und eine abgestimmte Bedarfsplanung mit den Auftraggebern zu erzielen.
Verbesserung bei der Einhaltung des Liefertermins (3):
Zur Verbesserung der Termintreue sind im Pilotbereich alle in der ersten Messung untersuchten Abrufe mit mangelnder Termintreue an die zuständigen Einkäufer zur Bearbeitung weitergeleitet worden. Von den Positionen mit unkritisch eingestelltem Liefertermin wurden 26% in laufende Verhandlungen mit den betroffenen Lieferanten übernommen, für 20% wurde der entsprechende Rahmenvertrag gekündigt, für 2% wurden Pönalvereinbarungen in die Rahmenverträge aufgenommen und in einem Fall wurde ein Lieferantenlager eingerichtet.
Zusätzlich zu den im Einkauf eingeleiteten Maßnahmen hat im Pilotbereich eine zeitnahe Verbuchung des Wareneingangs sowie der neu eingeführte zusätzliche Abstimmungsprozess mit den Lieferanten bei kritischem Liefertermin zu den Verbesserungen der Prozessqualität in der zweiten Messung beigetragen.
Fazit und Ausblick
Mit Entwicklung, Test und Einführung des vorgestellten Qualitätsmesssystems Beschaffung hat das Zentrum für Logistik und Unternehmensplanung ein Instrumentarium entwickelt, mit dessen Hilfe die Prozessqualität der Beschaffung transparent gemacht wird. Durch Messung an den Schnittstellen des Gesamtprozesses lassen sich Abweichungen der Prozessqualität direkt den verschiedenen Verantwortungsträgern zuordnen und damit gezielt Verbesserungsmaßnahmen einleiten. Der Erfolg der Maßnahmen wird bei jeder weiteren Messung sofort sichtbar.
Dem Disponenten dient die Gegenüberstellung von (vertraglich) vereinbarten Lieferzeiten mit den im IT-System eingestellten Planlieferzeiten als direkte Vorgabe zur Anpassung der Dispositionsparameter im System. Die Darstellung der kritisch festgelegten Liefertermine wird zur Einleitung von Maßnahmen zur Prozessverbesserung bei Bestellanforderung für den Einkäufer oder Abrufbestellung beim Lieferanten genutzt.
Für den Einkäufer ist die Messung der Termintreue in Abhängigkeit von kritisch oder unkritisch festgelegtem (Wunsch-) Liefertermin ein aussagekräftiges Hilfsmittel zur Beurteilung und Auswahl der Lieferanten. Maßnahmen zur Verbesserung der Termintreue können auf Basis der Messergebnisse direkt in Lieferantenverhandlungen einbezogen werden.
Für die konzernweite Nutzung wird das Qualitätsmesssystem in das IT-System des Unternehmens eingebunden. Hierzu werden die benötigten Inputdaten in einer Datenbank zusammengestellt und können regelmäßig automatisch ausgewertet werden. Damit ist eine Aggregation der Ergebnisse auf einzelne Disponenten, Werke, Einkäufer und Einkaufsgruppen einfach möglich.
Literatur:
Baumgarten, H.: Trends und Strategien in der Logistik 2000; Analysen – Potentiale – Perspektiven, Berlin 1996.
European Logistics Association (ELA): Towards the 21st Century, Trends and Strategies in European Logistics, Berlin/Brussels 1997.
Reichmann, Th.: Controlling mit Kennzahlen und Managementberichten, 5. Aufl. München 1997.
Straube, F.: Logistik und Bedarfsermittlung im Einkauf in: Strub. M (Hrsg.): Das große Handbuch Einkaufs- und Beschaffungsmanagement, Landsberg/Lech 1998.
Zentrum für Logistik und Unternehmensplanung GmbH (ZLU)
Ein führendes Beratungsunternehmen im Bereich der Logistik und Unternehmensplanung; das Leistungsspektrum umfasst neben der Planung auch die Realisierung von Projekten. Schwerpunkte sind Reengineering von Unternehmensstrukturen und -prozessen, ganzheitliche Logistik und Unternehmensplanung, Supply Chain Management sowie die Auswahl und Einführung von Informations- und Kommunikationssystemen.
Gegründet 1990, beraten heute 120 Mitarbeiter aus den verschiedensten Fachrichtungen Kunden aus den Bereichen Industrie, Handel, Verkehr und Transport. Enge Kooperationen bestehen mit dem Bereich Logistik der TU Berlin und der logplan GmbH Frankfurt/M. und Denver. http://www.zlu.de
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