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Benchmarking und Balanced Score Card

Teil 3: Bester sein unter den Besten
Benchmarking und Balanced Score Card

„Vergesst Benchmarks“ war vor einigen Monaten ein Artikel des Wirtschaftsmagazins Econy überschrieben. In der nächsten Zeile stand das Credo dazu: Kennzahlenvergleiche zeigen den Unternehmen, wo sie heute stehen. Aber sie verbauen den Blick auf die Zukunft.

Günter Hirschsteiner

Dantotsu (nach dem Besten streben) oder Benchmarking steht für betriebliche interne und externe Vergleiche von Produkten, Leistungen und Prozessen mit der Vorgabe, den jeweiligen Primus in einer vergleichbaren Gruppe festzustellen. Die Ursachen seines Erfolges sollen so erkannt werden. Im Vergleich von Kennzahlen sollen die eigenen Schwächen und die wirklichen Stärken des eigenen Unternehmens oder der entsprechenden betrieblichen Funktion deutlich werden.
Benchmarks sind Maßgrößen, d.h. definierte und vergleichbare Kennzahlen. Dem Ansatz nach werden unterschiedliche Benchmarking-Verfahren ausgerichtet:
–Strategisches Benchmarking bezieht sich auf die grundsätzlichen Aspekte der strategischen Unternehmensführung,
–Prozess-Benchmarking vergleicht die organisatorischen Abläufe in den Betrieben,
–Kennzahlen-Benchmarking stellt die eigenen betrieblichen Kennzahlen denen anderer Betriebe gegenüber.
Betriebliche Praxis
Das Ziel des Benchmarkings ist, durch Nachahmung bzw. Optimierung der Leistungsparameter die Führung im Wettbewerb zu erhalten. In den Betrieben wird Benchmarking mit seinen Inhalten noch allgemeiner und weitergehender verstanden: Es kann auf die gesamten Wertschöpfungsaktivitäten des Unternehmens gezielt, aber auch betriebsübergreifend und für bestimmte Produkte mit Erfolg angewandt werden. Besonders die Vergleiche mit Branchenfremden können neue Aspekte aufzeigen, weil sie sich nicht nur am Vergleichbaren orientieren, sondern andere, neue Wege und Möglichkeiten erkennen lassen.
Allerdings: Mit Benchmarking wäre das Rad wohl niemals erfunden worden. Mit ausschließlichem und puristischem Benchmarking alleine wären wohl viele große Erfindungen versäumt worden. Es ist sicherlich schwierig, sensible Daten und Informationen zwischen Unternehmen freiwillig und kooperativ auszutauschen, die im Wettbewerb miteinander stehen. Leichter ist es, funktional oder organisatorisch gleichartige Aufgabenstellungen verschiedener Branchen zu vergleichen, z.B. logistische. Das kann unter anderem die Lagerorganisation eines Versandhauses im Vergleich mit der eines Produktionsbetriebes sein.
Man lernt nur weiter, wenn man über den Erfahrungskomplex der eigenen Firma oder der Branche hinausdenkt.
Methode
Als Methode ist Benchmarking ein kontinuierlicher Prozess des überbetrieblichen Informationsmanagements der
–systematischen Suche nach bereits mit Erfolg praktizierten Verfahren und den von anderen erreichten Ergebnissen und der
–konstruktiven Informationsverarbeitung für adaptierbare Alternativen, Strategien und Lösungen.
Dem Vergleich der eigenen mit den Gegebenheiten anderer Betriebe folgt die Analyse und Bewertung der Verschiedenheiten bzw. Abweichungen, ihrer Ursachen und ihrer Adaptionsmöglichkeiten. Der Anlass für eine Benchmark-Analyse ist regelmäßig die Erkenntnis eigener Schwachstellen bzw. die Absicht, Veränderungen einzuführen. Es sollen Antworten gefunden werden zu grundsätzlichen Fragen, z.B.:
–Wo stehen wir im Wettbewerb?
–Was muss anders werden?
–Wie machen es die anderen Wettbewerber?
–Wie machen es andere mit gleichen Aufgabenstellungen?
–Warum machen sie es in dieser Weise und warum haben sie (mehr) Erfolg?
Benchmark-Studien erhalten allerdings ihre Grenzen mit der Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit der relevanten überbetrieblichen Messgrößen. Aber auch in den vergleichbaren Funktionen innerhalb eines größeren Unternehmens finden sich im allgemeinen erhebliche Unterschiede und damit bedeutende Benchmarking-Potenziale. So kann auf aufwendige externe Projekte gegebenenfalls oder auch anfänglich verzichtet werden.
Eine Untersuchung des REFA-Bundesverbandes, Strategische Planung mit Benchmarking, im Jahre 1996 bei mehr als 1.000 Produktionsunternehmen hat u.a. ergeben, dass die folgenden Funktionsbereiche für mittelständische Unternehmen besonders geeignet sind:
–Logistik und Materialwirtschaft,
–Fertigung bzw. Montage,
–Angebotsbearbeitung und Vertrieb.
Verfahren
Benchmarking-Prozesse arbeiten regelmäßig die folgenden Schritte ab:
–Formierung einer Absicht oder Erkenntnis eines Mangels,
–Analyse und Identifikation der eigenen Stärken und Schwächen,
–Erfassung der relevanten Daten,
–Recherche der Mangelpotenziale,
–Ermittlung und Feststellung des Bestleisters,
–Analyse, Datenerfassung und Bewertung der Gegebenheiten und Methoden des Bestleisters und der Sekundärquellen,
–Bildung von geeigneten Strategien,
–Umsetzung der Absichten, Steuerung und Erfolgskontrolle.
Reine Zahlen (hard facts) und Einschätzungen (soft facts) sind selbstverständlich differenziert zu behandeln und angemessen zu bewerten. Benchmarking-Projekte werden von Unternehmensberatungen und von den Fachverbänden unterstützt. Dort werden in einigen Fällen auch Referenzdatenbanken geführt und Auswertungssoftware bereitgestellt.
Verhaltenskodex
Überbetriebliche Benchmarking-Projekte erfordern wegen der beanspruchten Vertraulichkeit und der latenten Gefahr des Missbrauchs der Kennzahlen und der Informationen die verständige Akzeptanz eines besonderen Verhaltenskodexes nach den hauptsächlichen Grundsätzen
–der Legalität, der Einhaltung von Gesetzen, Normen und Konventionen,
–der Gegenseitigkeit im gleichwertigen Austausch der Informationen,
–der vertraulichen Verwendung ausschließlich für innerbetriebliche Verbesserungen,
–der Achtung der Interessen der Partner und der Beachtung der vereinbarten Bedingungen und Beschränkungen,
–der Zuverlässigkeit, Zusagen und Regeln einzuhalten,
–des kollegialen Verhaltens, das Respekt und Gleichberechtigung manifestiert.
Kennzahlen
Benchmarking-Kennzahlen müssen betriebswirtschaftlich und organisationsbezogen ausgerichtet und beschrieben sein. Es ist wenig hilfreich, wenn beispielsweise die Anzahl der Mitarbeiter in der Materialwirtschaft, bezogen auf den Lagerumschlag, zwischen unterschiedlichen Betrieben verglichen wird, ohne dass festgestellt wird, ob auch die Funktionen gleichartig organisiert und die Aufgaben vergleichbar sind.
Beispiele für die Anwendung von Kennzahlen des Materialmanagements sind
–Materialkostenanteile,
–Lagerhaltungskostensätze,
–Anzahl der Mitarbeiter im Funktionsvergleich,
–Lagerumschlagshäufigkeit,
–Lieferbereitschaft.
Daraus wird leicht erkennbar, dass bei einer vergleichenden Beurteilung und Bewertung auch die Bedingungen zu beachten sind, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen müssen. Den Controllern, die diese Vergleiche nur als Aufforderung für Einsparaktionen erkennen und nicht als strategische Verbesserungsansätze, sollten sie wohl gar nicht in die Hände fallen. Zur Erinnerung: Gewinn kann dauerhaft nicht mit Sparen, sondern bestenfalls durch optimierte Leistung erwirtschaftet werden.
Ablauf
Ein typisches Benchmarking-Projekt könnte praktisch so ablaufen:
  • 1.Festlegung der Projektziele und -inhalte: Zweck der Daten, Art der Daten, Quellen der Daten.
  • 2.Zusammenstellung einer Projektgruppe: höchstens acht sachkundige Teilnehmer, davon mindestens einer mit Benchmarking-Erfahrung (ggf. ein externer Berater), ein Sprecher mit Entscheidungs- und Ausführungskompetenz.
  • 3.Gespräche mit den Benchmarking-Partnern vorbereiten: Fragenkatalog erstellen, Strategien und Verhaltensregeln beschreiben, Personen festlegen, Aufgaben zuweisen.
  • 4.Zwischenbetriebliche Gespräche führen: Daten austauschen, Vergleichbarkeiten und Abweichungen feststellen, Gegenseitigkeit der Informationen wahren, Vertraulichkeit vereinbaren.
  • 5.Daten auswerten: geeignete Daten auswählen und zuordnen, Daten als übersichtliche Tabelle gegenüberstellen, jeweils den Bestwert feststellen, Unterschiede und Abweichungen beachten, Ursachen für Abweichungen ermitteln, Vergleichbarkeit verifizieren, auf Machbarkeit beurteilen.
  • 6.Konsequenzen formieren: Änderungs- und Handlungsbedarf feststellen, innerbetriebliche Information und Diskussion führen, Aktionsplan formulieren und „Milestones“ festlegen, Prozesse neu gestalten, Fortschritts- und Erfolgskontrolle organisieren und ausführen.
Weitere Ansätze für Vergleiche ergeben sich u.a. für die Lieferanten- Leistungsbeurteilung und -entwicklung:
–Sind die Lieferzeiten minimiert?
–Wie gut sind Servicegrad/ Lieferbereitschaft?
–Gestaltung der Liefer- und Zahlungsbedingungen,
–Preisentwicklung bei Artikelgruppen,
–Wertschöpfungspartnerschaften.
Oder für das Bestands- und Vorratsmanagement:
–Umschlagshäufigkeit und Lagerdauer,
–Durchlaufzeiten,
–Fehlbestände,
–Inventuraufwand,
–Lieferflexibilität.
Kennzahlenvergleiche sind oft der Anstoß und auch die Grundlage für Reengineering-Verfahren. Eines allerdings hat die Praxis auch gezeigt: Verbesserungen und Einsparungen im operativen Bereich können zwar die Effizienz erhöhen, dauerhafte strategische Wettbewerbsvorteile schaffen sie allerdings nicht.
Eine andere Gefahr beim intensiven Vergleichen von Kennzahlen besteht darin, dass der Blick auf das Ganze verdrängt wird – weil die Summe der „best practices“ natürlich nicht den Erfolg ausmacht, sondern letztendlich ihre kluge Kombination.
Fehlverhalten
Benchmark-Projekte können scheitern, wenn die Aufgabe oder das Ziel zu allgemein formuliert werden, die Partner nach sehr großzügigen Gesichtspunkten ausgewählt werden, die betroffenen Mitarbeiter nicht einbezogen werden, die Umsetzung, die den schwierigeren Teil ausmacht, halbherzig oder mangelhaft betrieben wird und wenn Benchmarking nur als eine einmalige Aktion verstanden wird bzw. das Ganze in einen zielverlorenen Benchmarking-Tourismus ausartet.
Benchmarking ist das gezielte Suchen nach besseren Ideen und Verfahren.
Balanced Score Card (BSC)
Der Begriff bedeutet wörtlich „ausgewogenes Spieleprotokoll“ und beschreibt ein Konzept (1) siehe Literaturhinweis) der Unternehmensführung durch Kennzahlen.
Die ermittelten Kennzahlen werden über Ursache-Wirkungsrelationen mit den Unternehmenszielen verkettet. Damit soll die Eindimensionalität der Kennzahlen und ihrer Verwendung überwunden und der strategische Führungsprozess unterstützt werden.
Vier Perspektiven sollen mit strategischen Faktoren behandelt werden:
•Finanzen Ô Ziele
•Kunden (Lieferanten)Ô Kennzahlen
•Geschäftsprozesse Ô Vorgaben
•Lernen und Entwicklung Ô Maßnahmen.
BSC im Materialmanagement
Eine Kombination von 10 bis 20 Kennzahlen wird so zusammengestellt, dass damit der Funktionsbereich gesteuert werden kann. Diese ergeben sich aus den Ziel- und Aufgabenstellungen, die vom Unternehmen gesetzt werden. Sie erhalten regelmäßig die klassischen Grundtugenden zur Optimierung der Kriterien Leistung, Kosten, Qualität, Beziehungen und strategische Zielvorgaben.
Vorgehen: Nach der Bestimmung der Aufgaben und aus ihren Prioritäten werden die Kennzahlen als Messgröße festgelegt. Daraus sind Ziele zu bestimmen und die Maßnahmen dazu. Im Ablauf sollen Milestones und Soll-/Ist-Vergleiche die Fortschritte und Ergebnisse aufzeigen.
Die Elemente des BSC sind nicht neu. Locker formuliert, soll es eingefleischte Controller aus ihren Zahlenfriedhöfen in die Höhen des strategischen Denkens führen. Jürgen Weber sagt in der Zeitschrift Management-Berater (11/95) dazu:
„Die Herausforderung für Controller und Manager liegt darin, die positive Wirkung von Sprache und Rhetorik der Score Card mit einer sorgfältigen unternehmensspezifischen Gestaltung zu verbinden. Dazu bedarf es jedoch mehr als die ‚rasche Implementierung‘ eines Allheilmittels“.
1)Kaplan/Norton: Balanced Score Card-Strategien erfolgreich umsetzen, Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart, 1997
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