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Beschleunigung am Boden

Informations- und Kommunikationssysteme im Luftfrachtumschlag
Beschleunigung am Boden

Innerhalb der letzten 25 Jahre verringerte sich die durchschnittliche Laufzeit einer interkontinentalen Luftfrachtsendung um sechs Stunden auf nunmehr sechs Tage, dabei setzt sich die Laufzeit zu 22% aus reiner Transportzeit und zu 78% aus Ruhezeit zusammen. Damit ist die durchschnittliche interkontinentale Luftfrachtsendung insgesamt 144 Stunden unterwegs, befindet sich dabei aber rund 112 Stunden in einer Lauer- und Warteposition.

Prof. Dr. Bernd Voigt

Beschleunigt wird dieser Vorgang nur durch die Reduktion von Wartezeiten. Wartezeiten wiederum verringert man durch bessere Planung und durch die Fähigkeit, Planung effizient umzusetzen. Und beides basiert auf Information und Kommunikation.
Aber moderne Informations- und Kommunikationssysteme (IuK) sind keine Allheilmittel gegen schlecht organisierte Logistikprozeßketten mit mangelnder Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen. Durch den Einsatz moderner Kommunikationsnetze wie etwa dem Internet, Intranet oder Extranet kann man jedoch die Grenzen der bisherigen IuK-Systeme auflösen. Nur die Unternehmen, die die Möglichkeiten für sich nutzen, werden ihre Wettbewerbsposition sichern und, wenn sie schneller als andere handeln, sogar noch verstärken.
Laufzeitreduzierung von Luftfrachtsendungen
Ansatzpunkt zur Beschleunigung der Laufzeit ist die lange Ruhezeit der Luftfrachtsendung am Boden, denn die reine Transportzeit läßt sich kaum noch verkürzen. Die Laufzeitverkürzung muß durch eine Verringerung der Anzahl der Vorgänge und/oder deren Beschleunigung während der Ruhezeit erfolgen.
Die bisherigen IuK-Systeme konnten die Laufzeit nicht verkürzen. Lücken in der Informationskette sorgten und sorgen für Verzögerungen im physischen Luftfrachtumschlag. Sie werden durch die manuelle Übertragung von Daten aus einem System in ein anderes geschlossen. Die manuelle Eingabe der Daten verringert die Datenqualität und führt zu einer Umschlagsverzögerung der Luftfrachtsendungen, da keine Informationen zum weiteren Vorgehen mit den Sendungen vorliegen und sie somit erst einmal eingelagert werden müssen. Überdies müssen die Dokumente, die die Informationen enthalten, ebenfalls bearbeitet werden.
Die Internet-Technologie bietet die Voraussetzungen, plattformübergreifend und global Informationen auszutauschen. Das alleine heißt aber noch lange nicht, daß tatsächlich auch global zusammengearbeitet werden kann. Unabdingbar ist ein weltweiter Standard für den elektronischen Datenaustausch.
Internet, Intranet und Extranet
Der Datenaustausch via Internet erfolgt mit zwei standardisierten Protokollen – dem Transmission Control Protocol (TCP) und dem Internet Protocol (IP). Vorteil von TCP/IP ist, daß dieses Transportprotokoll von verschiedenen Rechnerplattformen verstanden wird und die Definitionen von TCP/IP im Gegensatz zu firmeneigenen Protokollen frei und kostenlos zugänglich sind.
Da es sich beim Internet um ein öffentliches Netz handelt, gibt es keine Zugangsbeschränkungen. Die Nutzung ist im Vergleich zu privaten Netzwerken sehr preiswert. Nachteilig wirken sich temporäre Überlastungen der Datenleitungen aus. Dadurch schwankt der Datendurchsatz beim Datentransfer je nach Tageszeit und Ort erheblich. Außerdem treten immer wieder Sicherheitsprobleme gerade im Bereich des Electronic Commerce auf.
Unter dem Begriff Intranet versteht man ein auf Internet-Technologie basierendes unternehmensinternes Netz, das über einfach zu bedienende Client-Programme, wie WWW-Browser, funktioniert.
Trotz heterogener Netzwerkstrukturen zwischen den Unternehmensbereichen ermöglicht das Intranet einen durchgehenden Informationsfluß. Das Intranet gehört ausschließlich dem Unternehmen und kann mit Hilfe einer Firewall oder anderer Möglichkeiten nach außen abgesichert werden. Überlastung gibt es natürlich auch in Intranets, aber hier unterliegt der Datenverkehr einer weitaus größeren internen Kontrolle und Steuerung als im Internet möglich. Das Extranet hingegen stellt ein Kommunikationsmedium zwischen Geschäftspartnern dar. Es ist ein ebenfalls auf Internet-Technologie basierendes Netz zwischen geschäftstreibenden Unternehmen, sozusagen ein Internet mit Zugriffsbeschränkung.
Intra- und Extranet dienen fast ausschließlich der Business-to-Business-Kommunikation und schließen interaktive Kontakte zu Endverbrauchern weitestgehend aus.
Electronic Data Interchange (EDI)
Im Vergleich zum Internet ist EDI, der elektronische Datenaustausch, fast schon ein alter Hut. Der elektronische Datenaustausch wird um so rationeller, je mehr Nachrichtenstandards vereinheitlicht sind. Aus diesem Grund werden jetzt die Cargo-IMP-Nachrichten der UN/Edifact-Syntax angepaßt und in dem UN/Edifact Subset Cargo-Fact zusammengefaßt.
Kritiker zweifeln aber daran, ob das Internet als Transportmedium für EDI-Daten dienen kann: Zu unsicher erscheinen die Wege. Abgesehen davon fragen sich Skeptiker, ob der Datenaustausch über das Internet bei entsprechender Verschlüsselung und zusätzlicher Sicherheitseinrichtungen kostengünstiger als ein kommerzielles Mehrwertnetz bleibt.
Das Hauptproblem liegt jedoch in der mangelnden Bereitschaft der Spediteure als Mittler zwischen Luftfahrt- und Luftfracht-umschlagsgesellschaft auf der einen und Versender respektive Empfänger auf der anderen Seite, den standardisierten elektronischen Datenaustausch zu benutzen. Die Cargo-Media, eine Arbeitsgruppe der IATA, fand heraus, daß nur 15% aller Luftfrachtbriefe elektronisch an die Luftfahrt- und Luftfrachtumschlagsgesellschaften übermittelt werden.
Die Schlüsselposition in der Transportkette hat der Spediteur inne. Er nimmt die Aufträge vom Versender entgegen, stellt die Ladungen zusammen, beauftragt die Frachtführer, rechnet mit Auftraggeber und Frachtführer ab und verfolgt die einzelnen Sendungen. Diese Tätigkeiten machen ihn zu einer natürlichen Informationsdrehscheibe innerhalb der Transportkette.
Der Spediteur tauscht die transportbegleitende Information mit Partnern aus unterschiedlichen Branchen aus, die ihrerseits ihren branchenspezifischen EDI-Standards unterliegen. Daher hat der Spediteur mit der Mannigfaltigkeit verschiedener EDI-Standards zu tun. Man könnte erwarten, daß er deshalb Interesse daran haben müßte, EDI nach allgemein gültigen, einheitlichen und vor allem internationalen Normen abzuwickeln. Daß dem nicht so ist, liegt in der üblicherweise wirtschaftlich schwächeren Position gegenüber dem starken Versender. Verstärkt wird diese Haltung durch den Konkurrenzkampf zwischen den Spediteuren um Luftfrachtsendungen. Spediteure versuchen einem scheinbar drohenden Konflikt durch vorauseilende Anpassungsbereitschaft an die Branchenstandards der Versender zu entgehen, da sie sich einen Konflikt mit ihren Kunden im Hinblick auf die Wettbewerbssituation nicht leisten können.
Auf der anderen Seite muß man berücksichtigen, daß Ankündigungen der Luftfahrtgesellschaften, sich vom Anbieter reiner Transportleistungen zwischen A und B zum Door-to-Door-Logistikdienstleister zu entwickeln, nicht gerade das Vertrauen zwischen beiden fördern. Der Spediteur befürchtet durch die elektronische Datenübertragung mit den Luftfahrt- und Luftfrachtumschlagsgesellschaften, seine Rolle als Mittler zu verlieren.
Aber zurück zu der Frage, ob das Internet als Transportmedium für EDI-Daten dienen kann.
Für Daten, die nicht sicherheitskritisch sind, ist das Internet das geeignete Medium, um Kosten zu sparen. Zeitkritische und wettbewerbssensitive Daten gehören hingegen nicht ins Internet.
Nutzung des World Wide Web (WWW)
Inzwischen präsentieren sich ungefähr 400 Airlines im WWW, wobei nur ein kleiner Teil aus dem Luftfrachtbereich stammt. Repräsentativ für den Funktionsumfang der im WWW vertretenen frachtbefördernden Luftfahrtgesellschaften sind die Webseiten der Lufthansa Cargo AG. Neben Informationen zum Unternehmen, Produkten und Flugplan beschränkt sich das interaktive Angebot auf die Möglichkeit der Abfrage von Statusmeldungen in Abhängigkeit der Luftfrachtbriefnummer und in Einzelfällen auf die Vornahme von Reservierungen.
Für die Zukunft planen die meisten Luftfahrtgesellschaften eine stärkere Regionalisierung der Webseiten, nach der Implementierung eines Intranets dessen Erweiterung zu einem Extranet, die Einführung eines EDI-to-Fax-Dienstes und die Durchführung von Buchungen, aber nur für Zugangsberechtigte zum jeweiligen Extranet.
Zwei Schritte weiter als die konventionellen Luftfahrtgesellschaften sind die Integratoren, die einen Transportservice Door-to-Door aus einer Hand anbieten. So bietet zum Beispiel Federal Express (Fedex) im WWW einen Service an, der weit über das Niveau einer bloßen Infothek hinausgeht. Beschränkt auf Versender in den USA, Canada und 27 anderen Regionen können diese ihre Transportaufträge ohne zusätzliche Software über das WWW direkt übermitteln, Luftfrachtbriefe auf ihrem Laserdrucker erstellen, eine Abholung der Sendung in Auftrag geben und per E-Mail den Empfänger vorab informieren.
Luftfrachtumschlag mit Elwis
Die mögliche Nutzung moderner Informations- und Kommunikationssysteme für den Luftfrachtumschlag soll am Beispiel des Frachtabfertigungssystems Elwis der Lufthansa Systems Berlin GmbH verdeutlicht werden. Das System gliedert sich in drei aufeinander abgestimmte Kernmodule, die eine schnelle und transparente Abfertigung sicherstellen: Export-, Import- und Kommunikationsmodul. Diese Kernmodule werden durch eine Reihe weiterer Komponenten ergänzt, um das System individuell an seine Aufgabenstellung anzupassen.
Am Beispiel des Exportmoduls soll hier die Nutzung der IuK-Systeme wie Internet, Intra- und Extranet geschildert und ihre Auswirkung auf den Luftfrachtumschlag dargestellt werden.
Das Exportmodul enthält alle Funktionen, die für das Airline-Fullhandling notwendig sind. Bevor der Lkw bei der Luftfrachtumschlagsgesellschaft am Flughafen eintrifft, ist die Buchung schon vom Spediteur via WWW oder im Extranet bei der Luftfahrtgesellschaft erfolgt. Ob er sich nun an die Luftfrachtumschlagsgesellschaft oder die Luftfahrtgesellschaft gewendet hat, ist nebensächlich. Obwohl die Buchungssoftware nur auf den Rechnern der Luftfahrtgesellschaft läuft, kann der Spediteur sich auch an die Luftfrachtumschlagsgesellschaft wenden, denn er wird durch einen Hyperlink auf den Seiten der Luftfrachtumschlagsgesellschaft mit dem Buchungsprogramm der Luftfahrtgesellschaft verbunden. Als Bestätigung für eine erfolgreiche Buchung wird die Buchungsbestätigung auf dem Bildschirm angezeigt und ihm wahlweise als E-Mail, Fax oder Cargo-IMP oder später als EDIFACT-Nachricht zugeschickt. Zusätzlich kann der Spediteur angeben, wann er seine Sendungen der Luftfrachtumschlagsgesellschaft übergeben möchte. Wahlweise kann er sich auch mehrere Zeitfenster zur Anlieferung anzeigen lassen, aus denen er dann ein Fenster auswählt. In diesen Zeitfenstern garantiert die Luftfrachtumschlagsgesellschaft die sofortige Annahme der Sendungen. Abschließend zeigt das Buchungssystem den Luftfrachtbrief und das Barcode-Label in Form von Webseiten an, die der Spediteur nacheinander auf seinem Laserdrucker ausdruckt. Danach vervielfältigt er den Luftfrachtbrief und klebt die Barcode-Label auf die Frachtstücke der Sendung. Die Buchung ist abgeschlossen.
Das Ziel, die durchschnittliche Gesamtlaufzeit einer interkontinentalen Luftfrachtsendung auf zwei bis drei Tage zu reduzieren, rückt somit ein Stück näher.
Die Zukunft der Luftfracht befindet sich „am Boden“. Hier entscheiden sich Geschwindigkeit, Qualität und Zuverlässigkeit des Luftfrachttransports durch ein optimales Zusammenspiel der am Transport von Luftfracht Beteiligten.
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