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Besondere Zusammenarbeit in derAutomobilindustrie

Industrieparks aus Sicht der Beschaffung
Besondere Zusammenarbeit in derAutomobilindustrie

Besondere Zusammenarbeit in derAutomobilindustrie
Fertigung in der Automobilindustrie, hier Getriebebau im Mercedes-Benz-Werk in Stuttgart-Untertürkheim – je mehr Systeme und Module einbaut werden, desto eher bietet sich ein Industriepark an (Foto: DaimlerChrysler)
Industrieparks haben sich in den vergangenen Jahren in der Automobilindustrie stark verbreitet. Sie unterstützen heute in der Praxis die Just-in-Time (JiT)-Versorgung und stellen eine besondere Form der Zusammenarbeit zwischen Zulieferern und Herstellern in der Automobilindustrie dar.

Dr. Karin Gareis ist Leiterin Supply Chain Management im Geschäftsbereich Service Automation der Bosch Rexroth AG, Lohr

Unter einem Industriepark wird eine abnehmernahe, gemeinschaftliche Ansiedlung von mehreren Zulieferern eines Abnehmers und/oder beauftragten Dienstleistern verstanden. Die Entstehung des Standorts erfolgt durch eine gesamtheitliche Planung. Während des Betriebs des Standorts werden zum einen die gemeinschaftlichen Flächen, Gebäude und Infrastruktureinrichtungen bereitgestellt und instandgehalten, zum anderen führen die angesiedelten Unternehmen im Industriepark spezifische Logistik- und Fertigungsprozesse für einen Abnehmer durch. Zielsetzungen der Errichtung eines Industrieparks sind Kosteneinsparungen und Serviceverbesserungen in der Beschaffungslogistik des Abnehmers sowie der Aufbau und die Absicherung enger Geschäftsbeziehungen. Als Synonyme zum Begriff Industriepark werden teilweise die Ausdrücke Zulieferpark oder Lieferantenpark verwendet.
Das Aufkommen von Industrieparks in der Automobilindustrie lässt sich durch immer großvolumigere, wertvollere und variantenreichere Zulieferteile, insbesondere Module, erklären. Diese Veränderung der Eigenschaften der Zulieferteile resultiert aus einer konsequenten Senkung der Fertigungstiefe – verbunden mit einer Verringerung der Lieferantenanzahl – und aus einer Zunahme der Ausstattungsvarianten. Die Zulieferteile würden bei einer herkömmlichen Montage und Anlieferung erhebliche Transport- und bei zwischengeschalteter Lagerung enorme Lagerkosten verursachen. Ferner wären die geforderten Vorlaufzeiten (die z.B. für den Kabelsatz unter 2 Stunden liegen) nicht abgesichert. Um den Anforderungen an die Kosten und den Lieferservice der Beschaffungslogistik gerecht zu werden, sind eine Montage dieser Zulieferteile in unmittelbarer Nähe zur Endmontage des Abnehmers und eine JiT-Anlieferung notwendig.
Wie ist der Industriepark jedoch aus Sicht der Beschaffung zu betrachten? Die Entscheidung zur Errichtung eines Industrieparks berührt die strategischen sowie taktischen und somit auch die operativen Aufgaben der Beschaffung. Im Rahmen der strategischen Beschaffung werden u.a. die Beschaffungsstrategien festgelegt. Zur Beschreibung der inhaltlichen Ausgestaltung der Beschaffungsstrategien dienen Substrategien zum Beschaffungsobjekt, zum Lieferanten, zum Beschaffungsareal, zur Beschaffungszeit, zum Wertschöpfungsort und zum Beschaffungssubjekt. Jede Substrategie hat mindestens zwei Ausprägungen. Diese Ausprägungen werden als Sourcing-Konzepte bezeichnet. Die Beschaffungsstrategie ergibt sich als Kombination von verschiedenen Sourcing-Konzepten.
Industrieparks können als Ausprägung der Wertschöpfungsortstrategie interpretiert werden. Hierbei wird unterschieden, ob der Zulieferer in einer räumlich vom Abnehmer entfernten Produktion die Beschaffungsobjekte fertigt und sie anschließend zum Abnehmer überführt (External Sourcing) oder ob der Zulieferer einen Teil seiner Wertschöpfung beim Abnehmer oder in unmittelbarer geographischer Nähe zum Abnehmer erbringt (Internal Sourcing). Die Sourcing-Konzepte im Rahmen des Internal Sourcings entsprechen der Beschaffung über einen Industriepark. Die Beschaffung über den Industriepark tritt ferner häufig in Kombination mit der Beschaffung von Systemen oder Modulen (system sourcing, modular sourcing) bei einem Zulieferer (single sourcing) unter JiT-Vorgaben (JiT sourcing) auf.
Ist die Entscheidung über einen Industriepark auf der strategischen Ebene gefallen, ergeben sich hieraus Auswirkungen auf die taktische Beschaffung. Deren Aufgabe ist es, die beschaffungspolitischen Instrumente (Programm-, Bezugs-, Preis- und Konditionen- sowie Kommunikationspolitik) auszugestalten.
Als Programmpolitik ist die Selektion sowie Festlegung der zu beschaffenden Güter und Leistungen zu bezeichnen. Hinsichtlich der Güter geht es u.a. um die Entscheidung über Eigenfertigung oder Fremdbezug. Hier eröffnet der Industriepark die Möglichkeit, die Flexibilitäts- und Fixkostenvorteile des Fremdbezugs auszuschöpfen, ohne die Kontrolle über den Abschnitt der Wertschöpfungskette zu verlieren. Aufgrund der beschränkten räumlichen Kapazitäten im Industriepark ist eine Konzentration auf ausgewählte Güter (z.B. ausschließlich JiT-Module) notwendig, d.h. es muss ein spezielles Beschaffungsprogramm für den Industriepark aufgestellt werden. Hierzu kann ein Portfolio eingesetzt werden.
Im Rahmen der Preis- und Konditionenpolitik führt der Industriepark bei einer an der Wertschöpfung orientierten Preisaufteilung zu einer Verschiebung innerhalb der Preisbestandteile (z.B. Preis für Produkt und Leistungen bis zur letzten bzw. nach der letzten Wertschöpfung). Ferner bietet der Industriepark vielfältige Möglichkeiten zur Finanzierungsbeteiligung, z.B. von Einrichtungen in den Industrieparks.
Zusammenfassend gilt somit, dass die Entscheidung über Industrieparks auf der Ebene der strategischen Beschaffung des Abnehmers getroffen wird und dass diese Entscheidung die Rahmenbedingungen für die taktische und somit auch für die operative Beschaffung verändert.
Literatur:
Gareis, K.: Das Konzept Industriepark aus dynamischer Sicht. Theoretische Fundierung – empirische Ergebnisse – Gestaltungsempfehlungen. Wiesbaden 2002
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