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Bündelung im Anlagengeschäft

Nachfragen strukturieren und Vergleichbarkeit herstellen
Bündelung im Anlagengeschäft

Bündelung in Produktionsunternehmen wird seit jeher in unterschiedlich hohem Maße betrieben. Im Anlagengeschäft – durch kundenindividuelle Projekte geprägt – ist die Bündelung von Bedarfen und Einkaufs-Know-how ein junger Ansatz, Beschaffungskosten zu senken. Dieser Beitrag zeigt, wie das organisatorische Umfeld und die Prozesse zu gestalten sind, damit in einem Konzern mit verschiedenen Feldern des Anlagengeschäfts der Bedarf erfolgreich gebündelt werden kann.

Bündelung im Anlagengeschäft scheint ein Widerspruch in sich zu sein. Im klassischen Anlagengeschäft wird der Bedarf in technischer Hinsicht durch die Spezifikation des Endkunden bestimmt. Anlagenbauer setzen diesem Vorgehen Standardbauweisen, z.B. für Kraftwerke, entgegen.

Die verschiedenen Unternehmensbereiche eines Konzerns, die sich mit Anlagenbau beschäftigen, definieren für verschiedene Untergewerke, z.B. Stromversorgungen, unterschiedliche Lösungen. Der Gesamtbedarf für ein bestimmtes Materialfeld liegt demzufolge heterogen und dezentral vor. Steht man vor der Aufgabe, die Nachfrage-Macht durch die Bündelung der Bedarfe zu stärken, ist der Bedarf zu strukturieren und die technische Vergleichbarkeit herzustellen, um den Anforderungen eines breiten Produkt- und Einkaufsspektrums gerecht zu werden.
Ziele der Bündelung
Welche Ziele sollen mit der Bündelung erreicht werden? Neben einer Bündelung der Nachfragemacht werden folgende Vorteile realisiert:
-Einleitung bereichsübergreifender Standardisierung,
-Bündelung des Know-hows,
-Abstimmung des gemeinsamen Auftritts am Beschaffungsmarkt sowie Definition und Durchsetzung einer gemeinsamen Einkaufsstrategie,
-Konzentration des Einkaufsvolumens auf Vorzugslieferanten,
-Verbesserung der Einkaufskonditionen,
-Steigerung der Beschaffungseffizienz durch Koordination der internen Beschaffungsaktivitäten,
-Nutzung gemeinsamer Systeme und IT-Tools, z.B. gemeinsames Beschaffungsportal,
-permanente Analyse der Beschaffungsmärkte.
Heterogene Konzernstrukturen bedürfen einer übergeordneten Form der Zusammenarbeit, um traditionell vorhandene Barrieren zwischen Unternehmensbereichen zu überwinden. Siemens hat für die Funktion Einkauf das Global Procurement Board (GPB) gebildet, in dem die Einkaufsleiter der Unternehmensbereiche und ausgewählter Regionen vertreten sind. Das Board entscheidet über die globale Einkaufsstrategie des Konzerns für ausgewählte Arbeits- und Materialfelder. Die speziellen Belange des Anlagengeschäfts werden in einem Ausschuss des GPB erörtert. Das Global Procurement Office (GPO) koordiniert die Umsetzung der konzernweiten Einkaufsaktivitäten.
Drei Bündelungsmodelle
Um den unterschiedlichen Bedarfsverteilungen und Strukturen der Materialfelder gerecht zu werden, hat Siemens drei Bündelungsmodelle entwickelt.
•Bei dem Modell Lead Buyer übernimmt der Unternehmensbereich mit dem größten Einkaufsvolumen das intern und extern verbindliche Verhandlungs- und Vertragsmandat für alle Verbraucher des Konzerns.
•Purchasing Councils (PuC) werden gegründet, wenn das jährliche Einkaufsvolumen 50 Mio. Euro übersteigt sowie eine Ersparnis von mindestens 10% des gesamten Einkaufsvolumens erwartet wird. PuC’s setzen sich aus den verantwortlichen Einkäufern der geschäftsführenden Unternehmensbereiche zusammen und sind das ausführende Organ im Siemens-Einkaufs-Netzwerk. Bevor die Zusammensetzung des PuC’s geklärt wird, sind in einer Grobanalyse Einkaufsvolumen und Hauptbedarfsträger zu analysieren. Ein PuC hat das Mandat, für das jeweilige Materialfeld intern und extern verbindliche Verträge abzuschließen.
•Materialfelder, die für die Unternehmensbereiche keine strategische Bedeutung haben, werden einem Einkaufsdienstleister übergeben. Dazu wurde die Siemens Procurement Logistic Services (SPLS) gegründet, die für interne und externe Kunden Einkaufs- und Logistikdienstleistungen übernimmt.
Für das Anlagengeschäft sind Purchasing Councils von zentraler Bedeutung, da in ihnen das Know-how der verschiedenen Unternehmensbereiche zusammengeführt wird. Purchasing Councils sind virtuelle Teams, die sich regelmäßig zur Bearbeitung der gemeinsamen Aufgabe treffen. Disziplinarisch sind die PuC-Mitglieder weiterhin den Unternehmensbereichen zugeordnet. Das Global Procurement Office koordiniert die PuC’s und setzt damit die Beschlüsse des Global Procurement Board bzw. des entsprechenden GPB-Ausschusses um. Der Ausschuss für das Anlagengeschäft besteht aus den jeweiligen Einkaufsleitern der fünf betreffenden Unternehmensbereiche. Der Ausschuss kontrolliert und steuert die Arbeit der PuC’s und Lead Buyer. Durch diese Konstellation stellt man sicher, dass die Interessen der Unternehmensbereiche berücksichtigt werden und ein einheitliches Auftreten am Beschaffungsmarkt gegeben ist.
Vorgehensweise der Purchasing Councils
Die Vorgehensweise der Purchasing Councils orientiert sich an Strategischen Einkaufsprozessen.
Der Purchasing Council legt die materialspezifischen Ziele fest und stimmt die Zielplanung mit dem GPB-Ausschuss ab, dann gliedert er das Materialfeld in seine Segmente. Anschließend legt der PuC zusammen mit den verantwortlichen Technikern für das jeweilige Materialsegment einheitliche Standards, Module und Optionen fest. Beispielsweise hat der PuC Stromversorgungen für die Materialsegmente Batterien, Ladegeräte und Unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV) Standardspezifikationen erstellt, die Kapazitäten der Batterien und den Leistungsbereich der Ladegeräte und USV-Anlagen definiert. Nachdem der Beschaffungsmarkt und deren Global Player analysiert wurden, legt der PuC die Einkaufsstrategie fest. Diese dynamische Sourcingstrategie orientiert sich an den Verhandlungsergebnissen und einem einheitlichen Lieferantenmanagement. Aus der Lieferantenbewertung werden die Lieferantenentwicklungsmaßnahmen abgeleitet.
Der PuC Stromversorgungen vereinbarte mit den ausgewählten Lieferanten konkrete Maßnahmen zur stärkeren Nutzung des Internets, damit die Kommunikationsprozesse effizienter gestaltet werden. Erfüllt der Lieferant seine jährliche abzuschließende Zielvereinbarung und zeigt die Lieferantenbewertung ebenfalls beste Ergebnisse, steht seiner Teilnahme an der nächsten Verhandlungsrunde nichts mehr im Wege. Lieferanten mit schlechten Ergebnissen berücksichtigt der PuC nicht mehr und bereitet mit den crossfunktionalen Schnittstellenpartnern eine Strategie zum Ausphasen dieser Lieferanten vor. Dafür erhalten andere potenzielle Lieferanten eine Chance, sich auf den freien Plätzen zu bewähren.
Ergebnisse der Purchasing Councils
Welche Ergebnisse können die Purchasing Councils im Anlagengeschäft vorweisen? Für das Anlagengeschäft hat das Global Procurement Office in Zusammenarbeit mit den beteiligten Unternehmensbereichen bisher fünf PuC’s und zwei Lead Buyer installiert. Mit den sieben Materialfeldern wird ein Einkaufsvolumen in Höhe von 900 Mio. Euro gebündelt. Die Einsparungen liegen, abhängig vom Materialfeld, in der Größenordnung von 10%. Weitere Materialfelder mit einem Einkaufsvolumen in Höhe von 500 Mio. Euro sind noch in Analyse. Zu den nächsten Aufgaben gehören das Aufgreifen neuer Materialfelder und die Umsetzung der verhandelten Konditionen in Zusammenarbeit mit den Bedarfsträgern.
Der PuC Stromversorgungen konnte als Anfangserfolg die Anzahl der Lieferanten um 80% senken. Die Preisreduktionen betragen über 12%. Im nächsten Geschäftsjahr wird die Sourcing-Strategie neu überarbeitet, der Strategische Einkaufsprozess wird neu durchlaufen. Es ist davon auszugehen, dass bei der Festlegung des neuen Lieferantenportfolios die Gruppe der PuC-Lieferanten nochmals verkleinert wird. 80% des Einkaufsvolumens wird dann auf die PuC-Lieferanten konzentriert. Zusätzlich werden nennenswerte Prozesseinsparungen erzielt, da der PuC das Siemens-Intranet intensiv zur internen Kommunikation ausgebaut hat.
Umsetzung der Sourcingstrategie
Wie setzt das Purchasing Council die Sourcingstrategie im Konzern um? Die Bedarfsträger werden immer anspruchsvoller. Es genügt nicht, ein Lieferantenportfolio zu entwickeln, Rahmenverträge zu verhandeln und den Bedarfsträgern günstige Konditionen zur Verfügung zu stellen. Die Verträge, Prozesse und Sourcingstrategien sind erklärungsbedürftig. Der PuC leistet viel Überzeugungsarbeit, denn die Trennung von bisherigen Lieblingslieferanten und Gewohnheiten fällt schwer.
Aufgrund der Größe des Konzerns ist eine professionelle Informationspolitik unabdingbar. Die Bereitstellung von tagesaktuellen Informationen im Intranet muss begleitet werden von Informationsveranstaltungen und Workshops mit Projektleitern, Technikern, Vertriebsleuten und Einkäufern. Lieferantentage mit den PuC-Lieferanten schließen die Informationskette.
Die Veröffentlichung der Konditionen geschieht über das Einkaufs-Informations-System (EIS) und über das Siemens-Intranet. Im Intranet stellt der PuC außer den Verträgen und Preisen Hilfsmittel bereit, die den Bedarfsträgern die Auswahl der optimalen Produkte und Lieferanten ermöglicht. Links zu den PuC-Lieferanten sind dabei ebenso selbstverständlich wie ein automatisiertes Anfrage-Tool, das die unmittelbare Kontaktaufnahme mit den PuC-Lieferanten gewährleistet.
Das GPO hat speziell für Bündelungsgremien das Tool click2select entwickelt. Die Interessenten am PuC Stromversorgungen geben in der Eingabemaske des Tools die technischen Parameter für Batterien ein. Als Ausgabe erhalten Sie die vertraglich vereinbarten Produkte der PuC-Lieferanten, differenziert nach einzelnen Preisbestandteilen. Das Intranet bewirkt somit die effiziente, zentrale Bereitstellung von gemeinsam benötigten Dokumenten, die dezentral genutzt werden. Die Standarddokumentation des Lieferanten steht mit einem Mausklick zu dessen Website oder zu Extranetseiten in Sekundenschnelle zur Verfügung.
Die Bedeutung der weltweiten Kommunikation via Internet und Intranet wird auch für den Einkauf gewaltig steigen. Deshalb werden bei Siemens E-Procurement-Lösungen in zunehmendem Maße integriert. Der Buy-Side-Marktplatz click2procure von Siemens (siehe Beschaffung Aktuell 4/2001) beinhaltet katalogbasierte Bestellsysteme, elektronische Ausschreibungs- und Auktions-Tools und eine interaktive Lieferantendatenbank.
In der Vergangenheit haben Telefon, Fax und E-Mail den Einkauf geprägt, in der Zukunft steht den Einkäufern eine vollkommen transparente Beschaffungswelt bevor. Diese Entwicklung wird die Bündelung im Anlagengeschäft noch stärker fördern, und den Einkauf des Anlagengeschäfts hinsichtlich Transparenz und Prozess-Sicherheit neu ausrichten.
Klaus Walter, ErlangenE-Mail: klaus.walter@erl6.siemens.de
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