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Compliance und Lieferantenmanagement

BME-Initiative
Compliance und Lieferantenmanagement

In den USA und auch in Europa werden Unternehmen stärker in die Verantwortung auch für das Handeln ihrer Geschäftspartner genommen. Hinzu kommen mögliche Imageschäden, die sich aus der Zusammenarbeit mit Lieferanten ergeben, die gegen Recht verstoßen oder nicht in Einklang mit Umwelt- und Sozialaspekten handeln. Der BME legt eine Prozessbeschreibung vor, die das Lieferantenmanagement um die Dimensionen Compliance und Nachhaltigkeit erweitert.

Compliance ist zunehmend ein Faktor auch im Bereich der Lieferantenqualifizierung. Mindestanforderungen an Compliance-Programme sind in der Praxis:

  • das Verhalten der Geschäftsleitung,
  • ein festgelegter Verhaltenskodex,
  • Meldemöglichkeit für Hinweise auf Compliance-Verstöße,
  • ein angemessener Umgang mit Verdachtsfällen,
  • regelmäßige zielgruppen- und risikoorientierte Schulungen und
  • regelmäßige Berichterstattung an die Geschäftsführung zu Compliance-Risiken und Vorfällen.
Dabei beschränken sich die Verpflichtungen längst nicht mehr nur auf die betroffenen Unternehmen, sondern gehen über die Unternehmensgrenzen hinaus. Üblicherweise fordern Gesetzgeber, dass Unternehmen geeignete und angemessene Maßnahmen ergreifen, um das Risiko durch Geschäftspartner zu verringern. Um den Anschein zu vermeiden, dass Auftraggeber Compliance-Verstöße billigend in Kauf nehmen, sollte ein Lieferantenmanagement daher immer auch eine Compliance-Komponente beinhalten.
Compliance-Prüfungsprozesse sind idealerweise in sämtliche Prozessphasen des Lieferantenmanagements zu integrieren, das im Wesentlichen die folgenden Bereiche umfasst:
  • 1. Lieferantenqualifizierung – Ermittlung der geeigneten Lieferanten (Lieferantenpool)
  • 2. Lieferantenbewertung – Bewertung der Leistung der Lieferanten
  • 3. Lieferantenentwicklung – quantitative und qualitative Optimierung des Lieferantenpools.
Diese Schritte sind regelmäßig und wiederkehrend zu durchlaufen. Wichtig ist ein konsistenter Prüfprozess mit einem einheitlichen Bewertungsmodell.
Die Bewertung ist idealerweise eine Zusatzqualifikation für die Lieferanten, ein gutes Rating zu erreichen. Eine negative Bewertung muss Auswirkungen, wie etwa Lieferantenentwicklung (z. B. Maßnahmenliste mit Umsetzungsfristen) oder Ausphasen, beinhalten.
Der Prozess ist angemessen und nachvollziehbar zu dokumentieren und sollte den Lieferanten zur Verfügung gestellt werden.
Nachfolgend werden Mindestanforderungen an ein Lieferantenmanagement beschrieben.
Lieferantenqualifizierung. Kern der Lieferantenauswahl ist die Eignungsprüfung mit den Elementen Zuverlässigkeit/Integrität, Fachkunde und Leistungsfähigkeit. Hierzu können auch länderspezifische Risiken zählen. Zur Beurteilung länderspezifischer Risiken stehen beispielsweise verschiedene Indices und Indikatoren zur Verfügung:
  • Korruptionswahrnehmungsindex – CPI,
  • Bertelsmann Transformation Index – BTI,
  • Environmental Performance Index – EPI,
  • OECD-Mitgliedschaft.
In der Praxis hat sich zur Abfrage der Basisdaten und der wirtschaftlichen Rahmendaten des Lieferanten eine Lieferantenselbstauskunft bewährt. Diese enthält üblicherweise Fragen zu Leistungsfähigkeit und Fachkunde, wie etwa zu Qualität und Innovationskraft des Lieferanten. Die Lieferantenauskunft kann postalisch, per Fax, per Email oder mit Hilfe eines webbasierten Tools erfolgen.
Compliance-Gesichtspunkte können auch von einer Lieferantenauskunft erfasst werden. Wesentliche Informationen, die ein Unternehmen dadurch gewinnen kann, sind neben dem Inhalt der Antworten auf die Fragen auch die Genauigkeit und Sorgfalt, mit der die Auskünfte erteilt werden. Häufig werden mit der Selbstauskunft Belege und Zertifikate verlangt, die ebenfalls Indikatoren für die Eignung des Lieferanten sein können.
Abhängig von der jeweiligen Risikoanalyse, den verfügbaren Ressourcen, können sich Vor-Ort-Audits beim Lieferanten anbieten. Zweck, Zielsetzung und Umfang einer Stichprobe sind festzulegen. Ein Vor-Ort-Audit ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Einhaltung bestimmter rechtlicher Vorgaben durch eine Sichtprüfung vor Ort nicht oder nicht eindeutig festgestellt werden kann.
Lieferantenbewertung. Innerhalb der Lieferantenbewertung kann die Gesamtbeziehung zum Lieferanten bewertet werden oder eine einzelne, konkrete Liefer- oder Leistungsbeziehung.
Um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen, sind die Bewertungen nach vorgegebener Logik in einem geordneten Prozess vorzunehmen. In die Lieferantenbewertung sind die identifizierten Risiken einzubeziehen.
Lieferantenentwicklung. Die Entwicklung von Lieferanten ist abhängig von der Bedeutung des Lieferanten, nach der Warengruppenstrategie und dem Ergebnis der Bewertung oder Qualifizierung vorzunehmen. Einem Unternehmen stehen in dieser Phase des Lieferantenmanagements mehrere Handlungsoptionen zur Verfügung. Festgestellte Defizite können durch Vereinbarung konkreter Maßnahmen unter Fristsetzung, diese umzusetzen, behoben werden. Hierbei sind etwaige rechtliche Grenzen zu beachten.
Stellt das Unternehmen bei einem Lieferanten fest, dass dieser Defizite aufweist, kann es auch den Lieferanten ausphasen.
Damit die Integration eines Compliance-Prozesses in das Lieferantenmanagement gelingt, muss das Unternehmen zuvor bei allen Themenfeldern deren rechtliche Grundlagen feststellen. Gleichzeitig gilt es, die Risiken aus dem festgestellten Umfeld zu identifizieren und zu klassifizieren. Compliance-Prozesse sind anschließend in das bestehende Lieferantenmanagement zu integrieren. Hierbei sind spezifische Ausprägungen der jeweiligen Risiken zu berücksichtigen.
Mehr Informationen zum Thema:
  • bme.de/compliance
  • bme.de/compliance-lieferantenmanagement
  • bme.de/kartellrechtscompliance

  • Beschaffung aktuell: Was ist die BME-Compliance-Initiative?
    Sebastian Schröder: Compliance und Nachhaltigkeit werden für die Unternehmen immer wichtiger. Das betrifft zum einen unternehmensinterne Prozesse, zum anderen die Gestaltung von Geschäftsbeziehungen zu Dritten (Lieferanten, aber auch Kunden). Im Kern hat der BME einen Verhaltenskodex geschaffen, der mit einem jährlich stattfindenden Selbstauskünfteverfahren verknüpft ist.
    Die BME-Compliance-Initiative und der BME-Verhaltenskodex unterstützen Unternehmen aller Größen und Branchen beim Aufbau und bei der Weiterentwicklung eines Compliance-Programms. Der Kodex enthält fundamentale Regeln zur Bekämpfung von Korruption, Kinder- und Zwangsarbeit, zu kartellrechtswidrigen Absprachen sowie zur Einhaltung ethischer Grundsätze. Die BME-Verhaltensrichtlinie umfasst überdies Grundsätze zur Wahrung der Menschenrechte, zum Umwelt- und Gesundheitsschutz sowie zu fairen Arbeitsbedingungen.
    Beschaffung aktuell: Wer engagiert sich bei der BME-Compliance-Initiative?
    Schröder: Sowohl Konzerne wie ThyssenKrupp, Merck, Allianz, Daimler oder auch Mittelständer wie Jänecke + Schneemann Druckfarben, Jantsch Kunststofftechnik, Miele, Rational oder Dronco engagieren sich in der BME-Compliance-Initiative. Ferner besteht innerhalb des BME ein Arbeitskreis, der sich mit compliance-relevanten Fragestellungen des Einkaufs befasst.
    Beschaffung aktuell: Was ist die Zielsetzung der Initiative?
    Schröder: Unser Ziel ist es, Compliance und Nachhaltigkeit in den Unternehmen strategisch und systematisch zu stärken. Das bedeutet: Sensibilisierung der Firmen für ethische Anforderungen, Beratung und Information, insbesondere der Unternehmen ohne eigene Compliance-Programme sowie Unterstützung der Unternehmen bei der Durchsetzung ethischer Standards.
    Der BME-Kodex soll insbesondere durch Standardisierung und Orientierung an Prozessen die notwendige Umsetzung von Compliance-Maßnahmen erleichtern.
    Beschaffung aktuell: Was ist zurzeit Schwerpunkt Ihrer Arbeit?
    Schröder: Ein wesentliches compliance-relevantes Thema im Beschaffungswesen ist das Lieferantenmanagement. Da Compliance und Nachhaltigkeit nur dann gestärkt werden, wenn diese in bestehende Prozesse des Einkaufs integriert werden, befassen wir uns seit einiger Zeit intensiv damit, wie dies gelingen kann. Hier gilt es auch zu verhindern, dass durch die Schaffung paralleler (Geschäftspartner-Due-Diligence) Prozesse durch die Unternehmensabteilung „Compliance“ im Ergebnis regelkonformes und ethisch richtiges Tun nicht zielführend umgesetzt werden. Hierzu haben wir daher einen Standard zu den Anforderungen eines Compliance-/CSR-Prozesses im Lieferantenmanagement entwickelt und veröffentlicht (Best-Practice-Ansatz). Konkretisiert haben wir dies anhand zweier wichtiger Compliance-Themen: Korruptionsprävention und Kinderarbeit. Compliance und Nachhaltigkeit werden so in bestehende Geschäftsprozesse integriert.
    Beschaffung aktuell: Worin sehen Sie aktuell Handlungsbedarf?
    Schröder: 2013 werden wir uns zudem mit Fragen des Lieferantenmanagements hinsichtlich kartellierter Beschaffungsmärkte sowie Auswirkungen auf die Leistungsbereitschaft und Lieferfähigkeit im Zusammenhang mit Exportkontrolle und der EU-Terrorismusverordnung befassen. Auf der Agenda steht zudem der Umgang mit den Regelungen des Dodd-Frank-Aktes (Konfliktmineralien).
    Die Nutzung des BME-Code-of-Conduct als Supplier-Kodex, mit jährlichen Selbstauskünfteverfahren und strukturiertem Fragebogen, minimiert Risiken. Wenn der Lieferant beigetreten ist und das Verfahren durchlaufen hat, ist er im Risikomanagement des Kunden positiver bewertet. Da der Kunde das Ergebnis über den BME bekommt, ist das eine smarte Lösung, denn er muss nicht selbst die Fragen stellen und die Antworten bewerten oder nachhalten. Wenn man sich gemeinsam einem Standard anschließt, spart das beidseitig hohe Prüfungsaufwände.
    Beschaffung aktuell: Bei Compliance geht es um das Befolgen von Regeln – auch intern. Ist das für Ihre Initiative ebenfalls ein Thema?
    Schröder: Wir verfolgen einen allumfassenden Ansatz. So beschäftigen wir uns ebenfalls mit Einkaufsrichtlinien, die das regelkonforme Beschaffen sicherstellen sollen und deren Umsetzung in den Einkaufsabteilungen. Gemeinsam mit Einkaufs- wie Compliance-Verantwortlichen wollen wir auch das sogenannte Maverick Buying verhindern. Konkret befassen wir uns mit Themen wie Vier-Augen-Prinzip, Geschenke-Richtlinien, transparenter Beschaffung sowie Integritätsklauseln in Einkaufsverträgen.
    Regulatorische Anforderungen sowie die Bedürfnisse von Unternehmen, Mitarbeitern und Gesellschaft werden weitere Themen auf die Agenda setzen. Diese Themen werden uns auf der Schnittstelle von Einkauf und Compliance/Nachhaltigkeit daher auch in Zukunft nicht ausgehen.
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