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Controlling mit Kennzahlen

Sechs Stufen
Controlling mit Kennzahlen

Controlling mit Kennzahlen
Eckhard Boecker, 35, Prokurist bei der FSG Fair & Exhibition Service GmbH (Logistik/Spedition) mit Sitz in Hamburg; gelernter Speditionskaufmann, Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Controlling, Marketing und Management; Erfahrung als Controller Materialwirtschaft sowie Stabsstellenleiter Beschaffung, Controlling, Fuhrpark, Organisation und Verwaltung. E-Mail:Eckhard.Boecker@fsg-Hamburg.de
Praktiker sehen sich in der Beschaffungslogistik einer hohen Komplexität ausgesetzt. Dieser Hintergrund macht deutlich, warum die Notwendigkeit einer gezielten Planung und Kontrolle in der Beschaffungslogistik gegeben ist. Diese Funktionen werden neben der Steuerung und Koordination vom Logistik-Controlling realisiert.

Eckhard Boecker

Im Mittelpunkt steht das kontinuierliche Wirtschaftlichkeits-Controlling (Plan-/Ist-Vergleiche) von Kosten, Erträgen und Leistungen sowie die Beschaffung, die Aufbereitung und das Reporting von entscheidungsrelevanten Daten für das Management als Entscheidungsorgan im Unternehmen.
Das Logistik-Controlling gliedert sich in sechs Schritte: Der erste stellt die Zielsetzung sicher. Ziele müssen realistisch aber auch ehrgeizig, operational und quantifizierbar sein. Außerdem geht es bei der Zielbildung immer um den Zielinhalt (z.B. Marktanteilserweiterung um 10%), um das Zielausmaß (z.B. Festlegung der Toleranzbreite) und um den Zeitbezug (z.B. Zielerreichung in fünf Jahren).
Beim zweiten Schritt geht es um die Feststellung des Ist-Zustandes. Der dritte Schritt befaßt sich mit der Abweichungsanalyse. Zentraler Punkt ist die Feststellung, inwieweit der IstZustand vom Soll-Zustand abweicht. Ziel einer solchen Analyse ist es, festzustellen, warum der Planwert nicht erreicht wurde. Dabei können sowohl negative wie auch positive Abweichungen zu Tage treten. Diese Daten bilden die Ausgangssituation für maßnahmenorientierte Schritte.
Als vierter Schritt folgt die Erarbeitung von Gegensteuerungsgrößen, die sich an den Abweichungsursachen zu orientieren haben, damit der größtmögliche Erfolg erzielt werden kann. Wichtig ist, wie beim Projektmanagment im Übrigen auch, dass für die Realisierung der Maßnahmen Verantwortliche und Termine gefunden werden.
Die Bildung neuer Planwerte bildet den fünften Schritt. Wenn die getroffenen Maßnahmen Früchte tragen, sind die ehemals festgelegten Planwerte zu korrigieren. Mit den Kostenstellenverantwortlichen sind, aufgrund veränderter Planwerte, neue Zielvereinbarungen zu treffen. Beim sechsten Schritt geht es um die Sicherstellung eines aussagekräftigen Reportings sowie um eine nachvollziehbare Dokumentation hinsichtlich des Zielerreichungsgrades mit Blick auf die gesteckten Unternehmensziele. Dieses Berichtswesen stellt möglicherweise auch die Basis für eine Kursänderung dar.
Passende Controlling-Instrumente
Eine professionelle Beschaffungslogistik wird auf Dauer nur dann den erhofften Nutzen produzieren, wenn passende Controlling-Instrumente implementiert wurden. Profit-Center-Manager sollten ihre Kosten und Leistungen in der Beschaffungslogistik zeitnah, umfassend und kontinuierlich messen (lassen). Ein Instrument zur Messung von logistischen Leistungen/Logistikkosten sind Kennzahlen. Diese Tools sollen dazu beitragen, dass Controller kritische Planabweichungen frühzeitig erkennen, so dass wieder-um vom Entscheidungsträger geeignete Gegensteuerungsmaßnahmen, die vom Controller vorzuschlagen sind, so schnell wie nötig in die Umsetzung geschickt werden können.
Kennzahlen werden übereinstimmend in der betriebswirtschaftlichen Literatur als quantitative Informationen, die als Komprimierung der komplexen Praxis über zahlenmäßig erfassbare betriebswirtschaftliche Prozesse entscheidungsorientiert Auskunft geben, definiert.
Ausgangsbasis für ein (selektives) Kennzahlensystem ist die Unternehmensstrategie. Bezogen auf die Logistik geht es darum, welchen Beitrag die Unternehmenslogistik auf die Zielerfüllung der strategischen Planung hin leisten kann. Der potenzielle Einfluss der Unternehmenslogistik auf strategische Ziele (z.B. Gewinnsteigerung um 15%) ist groß. Daher sollten logistische Leistungen und Kosten transparent sein.
Strategiebezogene Kennzahlen finden sich in der administrativen und in der operativen Logistik wieder, wie die noch zu diskutierenden Produktivitäts-, Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskennzahlen erkennen lassen.
Prof. Dr. Ingrid Göpfert definiert strategische Logistikkennzahlen als Kennzahlen, die der Unterstützung des strategischen Logistikmanagments dienen. Sie unterstützen die Steuerung langfristiger Prozesse und bedürfen zu ihrer Realisierung langfristiger Zeiträume. Operative Kennzahlen dagegen sind in das operative Logistikmanagement und -controlling integriert und tragen potenziell zu einer qualifizierten Planung, Steuerung, Kontrolle und Information der kurz- und mittelfristigen Prozesse bei. Das ausschlaggebende Unterscheidungsmerkmal bildet der Planungshorizont. Insofern finden dieselben Logistikkennzahlen sowohl für die strategische Steuerung als auch für die operative Steuerung Anwendung.
Kennzahlen
Als erste Kennzahl wird das Ergebnis der Qualitätskennziffer von mangelhaft ausgeführten Lieferungen behandelt:
Quote der Mangellieferungen:
Mangelhafte Lieferungen x 100 / Gesamtlieferungen [%]
Diese Qualitätskennzahl liefert eine hohe Aussagekraft und sollte in keinem Controlling-Report im Unternehmensbereich Beschaffungslogistik fehlen. Denn der Substitutionsgrad von Produkten ist generell sehr hoch. Dagegen die Nachahmung von Spitzenservice nicht im selben Umfang, d.h. wer diese Kennzahl im Promillebereich hält, braucht sich über fehlende Aufträge mit Sicherheit nicht zu beklagen. Die Kennzahl sollte über die Wertigkeit der Fehllieferungen weiter Auskunft geben, d.h. handelt es sich um A-, B- oder um C-Sendungen? Außerdem könnte weiter danach gefragt werden, ob es sich um Falsch-, um Teil- oder um Schlechtlieferungen handelt.
Ein wettbewerbsfähiges Produkt zu produzieren und zu verkaufen reicht heute nicht mehr aus, damit das Unternehmen auch zukünftig am Markt bestehen kann. Eine Ware, die zu spät beim Käufer eintrifft, verliert an Nutzen. Dieser Sachverhalt kann mit der folgenden Qualitätskennzahl transparent gemacht werden:
Quote der Lieferverzögerungen:
Volumen des verspäteten Wareneinganges x 100 / Gesamtes Wareneingangsvolumen [%]
Lieferanten, die mit dieser Kennzahl nicht im Promillebereich liegen, sollten durch leistungsfähigere Unternehmen ersetzt werden. Vielleicht ist diese Kennzahl in den Fällen unbefriedigend, wo der Verlader selbst mit eigenem Equipment (Personal, EDV und Fahrzeuge) die Logistik sicherstellt. Vielleicht sollte daher aus strategischer Sicht über ein Outsourcing dieser Funktion nachgedacht werden. In diesen Zusammenhang passt die Tatsache, dass es in vielen Industrieunternehmen (noch) an qualifizierten Logistikern mangelt. Außerdem wirken innerbetriebliche Widerstände gegenüber der eigenen Logistik, z.B. aus den Vertriebsreihen, kontraproduktiv.
Wenn die Istzahlen von den Planzahlen zu stark abweichen, muss konsequent nach den Ursachen dafür gesucht werden. Dabei wird häufig vom Vertriebsmann behauptet, dass die Planumsatzzahlen deshalb nicht erreicht wurden, weil die Logistik zu große Qualitätsdefizite produziert (z.B. zu viele Lieferverspätungen oder zu viele Schadensfälle). Häufig kann die Logistik nicht immer durch entsprechende Fakten diese Behauptung mit dem Gegenteil entkräften, weil die Qualität nicht oder nicht umfassend genug gemessen wird.
Bei dieser Kennzahl empfiehlt sich eine Unterscheidung nach Verzögerungszeiträumen, z.B. Verspätungen bis zu einem Tag, zwischen zwei und drei Tagen sowie vier und mehr Tage.
Die folgende Wirtschaftlichkeitskennzahl macht die Kosten im Wareneingangsbereich transparenter:
Wareneingangskosten:
Ist-Kosten des Wareneinganges x 100 / Soll-Kosten des Wareneinganges [%]
Auch diese Kennzahl liefert wichtige Informationen. Ergänzt werden sollte diese um folgenden Eckwert:
Produktivität des Wareneinganges:
Ist-Sendungen pro Monat / Ist-Mitarbeiterstunden pro Monat
Zur Erhöhung der Aussagekraft sollte, in Abhängigkeit vom umzuschlagenden Produkt, zusätzlich oder alternativ das Gewicht oder die Kartonanzahl je Zeiteinheit verglichen werden. Eine zu niedrige Produktivität könnte an der mangelnden Unterstützung durch entsprechende Hilfsinstrumente liegen (z.B. unzureichender EDV-Einsatz), außerdem an einer Ablauforganisation, die dem aktuellen Technikstand nicht entspricht. Beispielsweise wird der Wareneingang nicht gescannt, sondern nach wie vor vom Personal manuell kontrolliert.
Die folgende Kennzahl gibt den Abwicklungsaufwand einer Bestellung im Durchschnitt wieder:
Beschaffungskosten je Auftrag:
Gesamte Beschaffungskosten pro Monat x 100 / Gesamtzahl der Bestellungen pro Monat [%]
Genauer betrachtet, liefert dieses Ergebnis aber nur ein unzureichendes Bild, wenn nicht tiefer differenziert wird. Häufig steht der Aufwand bei Kleinbestellungen in keinem Verhältnis zu den anfallenden Logistikkosten. Der betrieblichen Praxis ist zu empfehlen, dass gerade solche Aufträge verstärkt im Auge zu behalten sind. Daher ist für jeden Beschaffungslogistiker die Bestellstruktur von hoher Bedeutung:
Bestellstruktur:
Bestellungswert bis 100 Euro x 100 / Gesamtwert der Euro-Bestellungen [%]
Hier wird die prozentuale Verteilung der Kaufaufträge nach Wertgruppen dargestellt. Diese Kennzahl kann Defizite hinsichtlich einer unzureichenden Bestellplanung aufdecken (z.B. viele Sonderbestellungen). Beispielsweise kann hier zu Tage gefördert werden, dass ein zu hoher Anteil von Kleinbestellungen an den Gesamtbestellungen besteht. Dabei handelt es sich insbesondere um C-Teile, die in der Regel in gewissen Mengen beschafft werden sollten, weil der Wert dieser Waren gering ist. Außerdem werden dadurch Administrations- und Logistikkosten reduziert.
Als nächste operative Wirtschaftlichkeitskennzahl soll der Auslastungsgrad der technischen Handling-Einrichtungen (z.B. Gabelstapler) betrachtet werden:
Auslastungsgrad von Entladeequipment:
Ist-Nutzung pro Monat x 100 / Soll-Nutzung pro Monat [%]
Bei diesem Kennzahlenergebnis ist der Anfall von Spitzenzeiten, z.B. Saisongeschäfte vor Weihnachten in der Unterhaltungsindustrie (Braune Ware), unbedingt zu beachten. Diese Kennzahl sollte deshalb vom Controller nicht isoliert als Durchschnittsgröße, sondern auf den einzelnen Arbeitstag runtergebrochen dem Management reportet werden. Bestehen gleiche Umschlagseinrichtungen an unterschiedlichen Wareneingangsstellen in einem Betrieb, können überflüssige Stellen abgebaut oder auf mehr Produktivität hin verändert werden.
Allerdings ist, damit Fehlentscheidungen vermieden werden, ein umfassender Kostenvergleich nötig: Zum Beispiel müssen im Falle eines Abbaus von Warenannahmestellen höhere innerbetriebliche Transportkosten kalkuliert werden. Eventuell muss eine zweite Schicht aufgebaut werden, weil das jetzt zu bewältigende Wareneingangsvolumen an einem Point of Handling dies mit einem „timelag“ erforderlich macht. Schließlich könnten bei Umstellung auch noch Standgelder anfallen. Diese sollten nicht zu Lasten der anliefernden Spediteure oder Lieferanten gehen.
Diese Kennzahl gibt Auskunft über den Verwaltungsaufwand bei der Registrierung und Bearbeitung von Lieferscheinen.
Anteil der Barcode-Lieferscheine:
Anzahl Barcode-Lieferscheine x 100 / Gesamtzahl der Lieferscheine [%]
Ein prozentuales Ergebnis von um die 90% läßt erkennen, dass überwiegend mit Barcode-Lieferscheinen gearbeitet wird. Der Verwaltungsaufwand ist entsprechend gering. Praxisbeispiel: In der Versandabteilung eines Industrieunternehmens wurden insgesamt 100.000 Barcode-Lieferscheine bearbeitet. Insgesamt waren es 110.000 Lieferscheine. Damit wurde eine Quote von gerundet 91% erreicht.
Als neunte und letzte Kennzahl wird die durchschnittliche Wiederbeschaffungszeit von Produkten betrachtet. Diese Kennzahl gibt die Zeit für die Bereitstellung von fehlenden Produkten wieder. Dabei geht es um die Erfassung der Durchschnittszeit für Bestellauslösung/Bestellabwicklung plus Lieferzeit sowie die Durchschnittszeit für die Wareneingangskontrolle, Einlagerung und Bereitstellung.
Zu lange Wiederbeschaffungszeiten haben ihre Ursachen in langen Lieferzeiten oder in unzureichend organisiertem Materialfluss. Außerdem kann eine ineffiziente Bestellabwicklung als weitere Ursache für zu lange Wiederbeschaffungszeiten genannt werden.
Alle dargestellten Kennzahlen können die Grundlage für die Implementierung eines individuellen Kennzahlensystems bilden. Voraussetzung ist jedoch, dass gerade die Kennzahlen gebildet und gepflegt werden, die mit den einzelnen Bedürfnissen des Betriebes/Unternehmens korrespondieren. Determinanten wie zum Beispiel die Unternehmensgröße, Mitarbeiterqualifikation, Kapitalintensität des Unternehmens etc. spielen dabei eine einflussreiche Rolle.
Fazit
Alle diskutierten Kennzahlen können in vielen Unternehmen auch die Basis für Benchmarks bilden. Dabei hat das funktionale Benchmarking im Gegensatz zum externen eine höhere Erfolgsquote. Auch für ein internes Benchmarking lassen sich solche Kennzahlen heranziehen. Internes Benchmarking eignet sich insbesondere auch für Unternehmen, die in mehreren Niederlassungen gleiche oder ähnliche Geschäftsfelder oder Geschäftsprozesse haben.
Abschließend soll an dieser Stelle betont werden, dass es nicht darauf ankommt, jede Kennzahl praktisch umzusetzen, sondern aus der individuellen Unternehmenssituation heraus, in Abhängigkeit von den strategischen Unternehmenszielen, die besten Kennzahlen zu bilden und zu pflegen (es geht um maßgeschneiderte Kennzahlen und nicht um Kennzahlenfriedhöfe und Reporte, die im Laufe der Zeit immer länger werden). Wie wichtig für den Erfolg eines Unternehmens gerade auch die hier diskutierten Kennzahlen sein können, zeigt die Weisheit, dass der Segen eines Unternehmens immer noch in der Beschaffung liegt.
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