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„Da geht nichts mehr“: Entlarven Sie die Verkäufer-Lüge

Verhandlungstechnik
„Da geht nichts mehr“: Entlarven Sie die Verkäufer-Lüge

Was tun, wenn in einer Einkaufsverhandlung scheinbar nichts mehr geht? Wichtig: Lassen Sie sich nicht von vermeintlichen Bluffs der Gegenseite aushebeln. Mit dem Mauerbrecher, einer wachen Analyse der Verkäuferreaktion und den daran andockenden modularen Kontern gewinnen Sie an der vermeintlichen Mauer die Sicherheit, das optimale Verhandlungsergebnis zu erzielen.

Kennen Sie das? Eben noch sagt der Verkäufer: „Das ist mein bester Preis!“ und im nächsten Moment purzelt doch noch ein weiterer Nachlass heraus? Wollten wir den Job des Einkäufers in Preisgesprächen definieren, so lautet er wohl: „Hol das Bestmögliche heraus!“ Doch was ist das Bestmögliche in Zahlen? Die Lösung liegt im Kopf des anderen.

Da müssen wir ran! Der Verkäufer beziehungsweise dessen Kalkulatoren oder Vorgesetzte können die sogenannte Schmerzgrenze oder auch Mauer benennen. Wobei selbst sie große Schwankungen erleben. Was heute noch die absolute Preisuntergrenze ist, kann morgen schon ein Top-Erfolg sein. Egal ob die Schwankungen von Rohstoffpreisen, Nachfrageschwankungen oder gar Skandalen herrühren. Da Lieferanten möglichst hohe Gewinne erzielen wollen, wird der wahre „bestmögliche Preis“ versteckt. Es geht also primär um Wahrheit: Verkäufer lügen uns aus Gewinnstreben an. Die Wahrheit über den besten Preis wird gebogen und verzerrt. Bis auf Ausnahmen würden Verkäufer mit Pinocchio-Nasen an die Windschutzscheibe der Außendienstfahrzeuge stoßen. Die Gretchenfrage ist: Wie können wir den Verkäufern zur Wahrheit verhelfen und die Nasen wieder auf Normalmaß schrumpfen lassen?
Zur Mauer gelangen
Als Erstes bewegen wir uns auf die Mauer zu. Es bringt nichts, eine Mauer zu testen, die noch gar nicht vorhanden ist! Nutzen Sie dafür Fragetechniken statt absolute Aussagen. Denn absolute Forderungen wie „Wir fordern drei Prozent Nachlass!“ vermindert Chancen. Kein Verkäufer wird auf diese Forderung hin vier Prozent aussprechen. Nochmal: Die Information über die Mauer, die Schmerzgrenze liegt im Kopf des Verkäufers! Also hartnäckig fragen und mit Konsequenzen arbeiten!
Eine Aussage, die Sie viel besser anwenden können: „Mit dem jetzigen Preis kommen wir nicht zusammen/gewinnt Ihr Wettbewerber“. Und verlängern Sie direkt mit einer offenen Frage: „Wie weit können Sie sich noch runter?“ Bereiten Sie sich vor, indem Sie viele Varianten der Frage nach „Was geht noch?“ zurechtlegen. Etwa so: „Was ist der bisher beste Preis gewesen, den Sie für dieses Produkt hatten?“, „Wie können wir diesen Preis noch unterschreiten?“, „Wenn wir da nun nicht weiterkommen, wen könnten wir beide hinzuziehen, um den nächsten Schritt zu machen?“
Ein Indiz, wo Mauern liegen können, finden Sie an diversen Stellen. Damit erhalten Sie eine grobe Vorahnung, wohin die Preis-Reise gehen könnte:
  • Ergebnisse nach Wettbewerbskämpfen
  • Door-Opener-Preise: Was bieten Wettbewerber an, um den ersten Fuß in Ihre Türe zu bekommen?
  • Ehemalige Großprojekte, die aufgrund des Volumens schließen lassen, dass der Preis ans Limit gelegt wurde
Dieses Know-how empfehle ich als ergänzende Leitlinie in der Hinterhand zu halten. Erst wenn die Fragestrategie keine Frucht mehr bringt, sind das Argumente, die weitere Savings fördern. Es gilt: Erst ausloten, dann fordern!
Nehmen wir an, Sie haben den magischen Punkt erreicht. Der Verkäufer blockiert ein weiteres Vorankommen. Seine Aussage: „Da geht nichts mehr! Weder im Preis noch drumherum. Entweder Sie kaufen zu diesem Preis oder Sie müssen halt zum Wettbewerb gehen!“ Wie finden Sie heraus, ob der Verkäufer die Wahrheit sagt oder nur hoch pokert?
Betrachten Sie hierzu zwei Szenarien:
Fall 1: Der Verkäufer blufft
Der Geschäftsführer der Firma hat seinen Verkäufer zu Ihnen geschickt. Dessen Aussage: „Herr Verkäufer, Sie dürfen dem Kunden bis zu zehn Prozent Nachlass geben. Wir brauchen den Auftrag, um unsere Produktion auszulasten. Auf keinen Fall wollen wir den Kunden an den Wettbewerb verlieren.“ Der Verkäufer hat aber bereits bei fünf Prozent – also bei der Hälfte seines Handlungsspielraumes – die Mauer gesetzt.
Sie wollen nicht abbrechen, aber tun mal so, als ob. Sie konfrontieren den Verkäufer also mit einem vermeintlichen Abbruch. Etwa so: „Gesetzt den Fall, wir kommen mit fünf Prozent nicht zurecht, lassen Sie es jetzt direkt daran scheitern?“
Der Verkäufer nimmt vor allem sein Angstgespenst wahr: Scheitern. In seinem Kopf läuft der „Horrorfilm“ Abbruch und Chef-Beichte ab. „Ich werde meinem Chef beichten müssen, dass ich durch meinen 5-%-Poker den Kunden an den Wettbewerb verloren habe.“ Seine Angst, als unfähiger Verkäufer zu gelten, lässt sein limbisches System Alarm schlagen. Unser Pinocchio-Verkäufer wird einen höheren Puls bekommen, die Atemfrequenz steigt, die Pupillen weiten sich, nach einigen Sekunden folgt ein Schweißausbruch.
Fall 2: Der Verkäufer sagt die Wahrheit.
Gleiche Ausgangssituation, nur diesmal hat der Verkäufer bereits elf Prozent geboten, als er die Mauer hart aufstellt. Was würde bei diesem Verkäufer passieren, wenn er mit einem vermeintlichen Abbruch konfrontiert wird? Nichts Neues! Denn der Film ist bereits abgelaufen, als er die zehn Prozent überschritten hat: „Oh je, jetzt scheitert die Verhandlung … Aber ich habe sogar schon mehr versucht, als mir mein Chef als Handlungsspielraum gewährt hat … Wenn ich jetzt zu ihm gehe, werde ich sagen: „Ich habe sogar elf Prozent angetestet, selbst da war der Kunde nicht zufrieden!“ … Also kann ich nichts dafür. Wahrscheinlich kauft unser Einkauf die Rohstoffe zu teuer ein oder unsere Produktion ist nicht pfiffig genug. Die sind schuld, nicht ich!“
Bei diesem Verkäufer bricht keine Panik aus. Er hat den Kunden nicht durch leichtfertiges Pokern versenkt, sondern hat alles in seiner Macht stehende getan. Nach außen äußert sich das etwa so: Der Verkäufer fällt in den Stuhl zurück, zuckt mit den Schultern. „Dann kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen, schade.“ Die Anspannung fällt von ihm ab.
Den Bluff entlarven
Im Fall 1 (= Bluff) läuft also aktuell ein Film im Kopf des Verkäufers. Im Fall 2 (= Mauer echt) ist der Film bereits abgelaufen, es passiert nichts Neues. Diesen Unterschied erkennen Sie im Minimum daran, dass der Blickkontakt im Fall Bluff vom Verkäufer kurz unterbrochen wird. In der Neurolinguistischen Programmierung (NLP) spricht man von Augenzugangshinweisen. Der Verkäufer bewegt sich quasi visuell in die Zukunft. Er erlebt übertragen das Gespräch mit seinem Chef. Seine Augen gehen zum Beispiel nach oben links. Sie können Bluffs entlarven, wenn Sie die damit verbundenen Köperreaktionen Ihres Verhandlungspartners kennen. Die Augenbewegungen sind dabei nur ein Erkennungszeichen. Auch anhand der Stimme, der Schultern, der Atmung und der Sitzhaltung merken Sie, ob der Verkäufer nur blufft oder die Mauer echt ist.
Natürlich wollen Sie Verhandlungen nicht scheitern lassen. Also benötigen Sie Andock-punkte, um aus der vermeintlichen Sackgasse wieder professionell herauszukommen. Hier drei modulare Konter:
  • 1. Wenn der Verkäufer weiter blufft, aber unsicher wird, kontern Sie: „Ich merke, Sie sind sich nicht ganz sicher. Wo sehen Sie noch Möglichkeiten, weiter aufeinander zuzukommen?“
  • 2. Wenn der Verkäufer seinen Bluff aufdeckt: „Na ja, scheitern würde ich es jetzt nicht lassen, aber viel geht nicht mehr!“, kontern Sie mit „Dann sagen Sie konkret, was geht denn noch?“ und loten weiter aus, was maximal möglich ist.
  • 3. Wenn der Verkäufer die Wahrheit gesagt hat, die Mauer also echt ist. Das wäre die unangenehmste Situation, weil Sie nun den vermeintlichen Abbruch zurückziehen müssen. Bleiben Sie Profi, sehen Sie die Situation als das Selbstverständlichste der Welt an! Selbstsicher wirkt folgende Formulierung: „Gut, ich schreibe mir die elf Prozent als finalen Wert auf. Dieser wird in den Wettbewerbsvergleich so einlaufen. Am kommenden Dienstag kann ich Ihnen sagen, ob es gereicht hat.“

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Urs Altmann, Experte für Verhandlungsführung
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