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Das Bindemittel, das Beschaffer und Lieferanten zusammenhält

Kommunikation
Das Bindemittel, das Beschaffer und Lieferanten zusammenhält

Die Reduzierung der Wertschöpfungstiefe hat zur Folge, dass Unternehmen intern und extern immer komplexere Strukturen vorfinden. Für die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen reicht es deshalb nicht mehr aus, ausschließlich die internen Wertschöpfungsprozesse zu optimieren. Vielmehr hat die Gestaltung der Beziehungen zu den Lieferanten als unternehmungsübergreifendes Wertkettenmanagement an Bedeutung gewonnen.

Dr. Bernhard H. Höveler

Die Beschaffungsabteilung muss sich in diesem Zusammenhang daran gewöhnen, dass sie nicht nur für interne Kunden arbeitet, sondern auch für die Lieferanten als Reverse-Kunden, die intensiv aufgebaut und gepflegt werden müssen. Die Entwicklung und Pflege einer erfolgreichen Kundenbeziehung beruht dabei zu einem großen Teil auf einer funktionierenden zwischenbetrieblichen Kommunikation. Und obwohl die Kommunikation ein kritischer Erfolgsfaktor für die Beschaffer-Lieferanten-Beziehung ist, wird diesem noch zu wenig Beachtung geschenkt und der Informationsaustausch häufig ohne Konzept betrieben.
Daraus resultieren Missverständnisse und Ineffizienzen (wie z. B. eine verspätete Informationsbereitstellung) in der Zusammenarbeit. Die Alltäglichkeit der Kommunikation verstellt offensichtlich bei vielen Einkäufern den Blick dafür, dass Kommunikation ein komplexer Prozess ist, der systematisch gestaltet werden muss. Ein erfolgversprechendes Instrument zur optimalen Gestaltung der Beziehung zwischen Beschaffer und Lieferant ist das Kommunikations-Management.
Kommunikations-Management erfordert eine umfassende Analysearbeit. Erst wenn sie geleistet wurde, können bestehende Mängel und Potenziale der Kommunikation wirklich erkannt und Maßnahmen zur Verbesserung entworfen werden. Je effizienter die Analyse ist, um so effizienter kann das Kommunikations-Management gestaltet werden. Für die Analyse stehen ausreichende Instrumente zur Verfügung – sie werden hier vorgestellt und ausgewählte Beispiele ihrer Anwendung gezeigt.
Kommunikation: Planung statt Chaos
Kommunikations-Management braucht Planung. Zuerst muss der Beschaffer die Ausgangs- und Rahmenbedingungen der Kommunikation erfassen. Er muss sich darüber klar werden, über welches Beschaffungsobjekt unter welchen internen und externen Bedingungen kommuniziert werden soll.
Die externen Bedingungen spiegeln sich in der Wettbewerbssituation des Beschaffers. Interne Bedingungen sind die Personal-, Organisations-, Sach- und Finanzpotenziale, die zur Begünstigung der Wettbewerbsposition gehoben werden müssen. Auch Faktoren, die das Kommunikationsverhalten prägen, wie sozio-kulturelle Besonderheiten, Beziehungsstrukturen und Klima der Beziehungen wird der Beschaffer berücksichtigen.
Als Selbstverständlichkeit erscheint der folgende Schritt: die Bestimmung von Ziel und Strategie des Kommunikations-Managements. Doch auch hier ist viel Denkarbeit zu leisten, wie aus der zum Teil aufwendigen, aber lohnenswerten Entwicklung von Unternehmenszielen und -strategien bekannt. Ziele bilden auch hier die Ergebnisse der Kommunikationsarbeit ab, und Strategien den Weg dorthin. Ein Ziel kann es zum Beispiel sein, bei den Lieferanten eine hohe Aufmerksamkeit zu erreichen, gemessen an den Indikatoren „Steigerung der Kontakthäufigkeit um XY% bis zum Jahr 20XY“.
Die Messbarkeit dieser Indikatoren ist ein vertracktes, aber lösbares Problem. Strategien werden aus einer Bandbreite von Kommunikationsstrategien zwischen den Polen kooperative und autonome Kommunikation ausgewählt. Die Art der Beziehung zwischen Beschaffer und Lieferanten bestimmt maßgeblich die Auswahl der Kommunikationsstrategie. Handelt es sich um eine intensive Zusammenarbeit, so wird auch der Informationsaustausch in allen Ausprägungen – Richtung, Inhalt, Modalität und Informationsgehalt – entsprechend intensiv gestaltet.
Im letzten Schritt der Planung werden die auszutauschenden Informationen bzw. Botschaften, der Kommunikator, Kommunikationsmix und -kanal sowie das zur Verfügung stehende Budget vom Beschaffer analysiert und neu bestimmt. Der Beschaffer bestimmt, welcher Bedarf an Informationen über den Lieferanten besteht. Für die Lieferantenauswahl und -analyse werden beispielsweise ausführliche Informationen über die Qualität der Produkte und Beschaffungsmodalitäten (Preis, Service etc.) benötigt, um eine Auswahl an geeigneten Partnern aus dem Lieferantenmarkt zu treffen.
Auch ist zu definieren, welche Anreize der Beschaffer dem Lieferanten via Informationsaustausch anbieten kann, um neue Geschäftsbeziehungen zu knüpfen oder etablierte Beziehungen zu stabilisieren. Der Informationsaustausch zwischen Beschaffer und Lieferant sollte von geeigneten Mitarbeitern, sogenannten Kommunikatoren, betreut werden. Diese müssen je nach Arbeitsgebiet in unterschiedlichem Maß Glaubwürdigkeit ausstrahlen, über En-/und Decodierungsfähigkeiten, fachliche, methodische und soziale Kompetenzen verfügen. Ein engagierter Beschaffer wird entsprechende Anforderungsprofile für Kommunikatoren erarbeiten. Die erhobenen Anforderungsprofile helfen, den Trainingsbedarf für diese zu identifizieren.
Um einen geeigneten Kommunikationsmix zusammenzustellen, werden die Modalitäten der Kontakte zwischen Beschaffer und Zulieferer, der Einkaufsabwicklung, Know-how-Transfer, Referenz- und Werbepolitik bestimmt. Es kann aus einer Fülle von Optionen eine Auswahl getroffen werden. Hier nur einige Leitfragen, die zu beantworten sind:
–Vereinbaren die Partner Kontaktaufnahme bei Problemfällen,
–werden Lieferantentage oder -foren veranstaltet,
–wie werden Angebote abgegeben und gibt es eine Offertenresonanz,
–welches sind die Bestell- und Stornierungsmodi,
–wie sehen die Informationsaustausch- und die Geheimhaltungspolitik aus?
Die Fülle der Kommunikationskanäle ist nicht minder groß. Doch zur Auswahl kann sich der Beschaffer auch hier an Leitfragen orientieren. Zunächst muss er sich einen Überblick über die vorhandenen Kanäle der Individual- und der Massen-kommunikation verschaffen. Nach der Klarstellung der Informationsinhalte, die über die Kanäle ausgetauscht werden sollen, wird festgelegt, welcher Kanal sich am besten zur Übermittlung der einzelnen Informationen eignet. Zur Auswahl der Kanäle stehen ausgefeilte Kriterienkataloge zur Verfügung, die verwendet werden sollten. Ganz aktuell wird der Beschaffer einen großen Teil seiner Aufmerksamkeit den Möglichkeiten des Internets widmen.
Der Planungsprozess für das Kommunikations-Management hilft dabei, die Teilaufgaben der Beschaffer-Lieferanten-Kommunikation in eine systematische und koordinierte Reihenfolge zu bringen, so dass der Beschaffer konsistent und einheitlich nach außen kommunizieren kann. Die Methoden, mit denen man die Einhaltung des Planes kontrolliert, werden weiter unten vorgestellt. Alle bislang genannten Komponenten ergeben zusammen den Prozess der Kommunikationsplanung.
Organisation: Strukturen schaffen und effizient nutzen
Der Informationsaustausch mit den Lieferanten wird strukturiert, indem der Kommunikation eine bestimmte, möglichst optimale organisatorische Form gegeben wird. Im ersten Schritt muss sich der Beschaffer einen Überblick über die denkbaren Organisationsformen, z.B. Einsatz von Kommunikations-Managern, Arbeitsgruppen oder Teams, verschaffen. Handelt es sich bei den zu bewältigenden Aufgaben um Daueraufgaben (= Primärorganisation) oder zeitlich befristete Aufgaben (= Sekundärorganisation)? Es wird auch geprüft, mit welchem Personal diese Organisationsformen besetzt werden sollten – ausschließlich mit Mitarbeitern des Beschaffers oder auch mit Mitarbeitern des Lieferanten?
Dabei kann es sich jeweils um einzelne Mitarbeiter oder ganze Abteilungen handeln. Jede dieser Organisationsformen muss auf ihre Effizienz überprüft werden:
–verbessert sie zum Beispiel die Informationsbasis oder Informationsverarbeitung des Beschaffers,
–beschleunigt sie den Informationsfluss, oder
–hilft sie, Ressourcenkosten zu mindern, weil Abstimmungsprobleme vermieden werden?
Nach dem Testen dieser Fragen muss der Beschaffer abschließend beurteilen, bei welchen Produkten welche Organisationsform effizienzsteigernd wirkt, und eine Auswahl treffen. Die folgende Abbildung verdeutlicht, welche Effizienzkriterien bei welchem Beschaffungsobjekt von Bedeutung sind und welche Organisationsform den Kriterien Rechnung trägt.
Führungsaufgaben: Kommunikation ist kein Selbstläufer
Damit die Kommunikation mit den Lieferanten erfolgreich verläuft, gehört es zu den Führungsaufgaben des Beschaffers im Kommunikations-Management, die kommunikative Kompetenz der Mitarbeiter und die interne Kommunikation gezielt zu fördern und zu schulen, sowie im Unternehmen die Entwicklung einer vertrauensvollen Kommunikationskultur zu unterstützen.
Um sicherzustellen, dass die Kommunikatoren als die Mitarbeiter, die mit den Lieferanten kommunizieren, über die erforderliche Sach- und Fachkompetenz verfügen und ihre Potenziale ausschöpfen, wird der Beschaffer konsequent Maßnahmen On-the-Job – wie zum Beispiel Job Rotation und Auslandseinsatz – als auch Off-the-Job-Training wie zum Beispiel Sensitivity- oder Rhetoriktraining, durchführen beziehungsweise anbieten.
Damit die Beschaffer-Lieferanten-Kommunikation funktioniert, müssen die Kommunikatoren auf adäquate Weise vom Beschaffer mit Informationen versorgt werden. Dies setzt eine effiziente interne Kommunikation voraus. Bei der internen Kommunikation muss der Beschaffer sein Augenmerk nicht nur auf die Wahl des Kommunikationskanals und der Inhalte richten, sondern auch auf den Stil seiner Kommunikation. Der letzte Aspekt birgt eine psychologische Komponente, indem die Art der Informationsvermittlung – eher sachlich oder eher emotional – bewusst auf das Kommunikationsprofil der Mitarbeiter abgestimmt wird. Auf diese Weise kann der Beschaffer seine Mitarbeiter effizient auf die externe Kommunikation mit den Lieferanten vorbereiten.
Bei vielen Beschaffern hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die kommunikative Kompetenz der Mitarbeiter gefördert werden muss. Deshalb ist Kommunikationstraining weit verbreitet. Häufig wird jedoch übersehen, dass eine unzureichende oder gar missglückte Kommunikation oft weniger auf unzureichende individuelle Fähigkeiten der Mitarbeiter zurückzuführen ist, als auf widrige Rahmenbedingungen innerhalb des Unternehmens.
Der generelle Umgang miteinander oder – wenn man so will – der Stil des Hauses muss eine vertrauensvolle Kommunikation erleichtern und motivieren. Eine entsprechende Kommunikationskultur muss vorhanden sein oder entwickelt werden. Dies ist eine elementare Führungsaufgabe des Beschaffers. Die Kommunikationskultur hat vielschichtige Dimensionen, die jeweils spezifische Ausprägungen haben. Die Dimensionen sind unter anderem Kommunikationsstil und -intensität, das interne und externe Beziehungsklima, die Möglichkeiten zur Aufwärtskommunikation und die Anzahl der involvierten Funktionsbereiche.
Sind diese Dimensionen einmal erfasst, so kann der Beschaffer ihre Ausprägung mit personalwirtschaftlichen, organisatorischen und symbolischen Maßnahmen verändern. Dabei sollte der Beschaffer immer mittel- bis langfristig denken, denn eine vertrauensvolle und tragfähige Kommunikationskultur lässt sich nicht per Dekret oder einmaligem Training in Kommunikation etablieren.
Kontrolle: Nachhalten macht nachhaltig
Damit die Kommunikationsarbeit von Erfolg gekrönt ist, muss ein leistungsfähiges Kontrollsystem bereitgestellt werden. Ein Kontrollsystem besteht idealerweise aus Audit, Planfortschrittskontrolle und Ergebniskontrolle.
Zum Audit werden in der Implementierungsphase sämtliche Annahmen, die der Kommunikationsplanung zugrunde gelegt wurden, auf den Prüfstand geholt und ein Wird-ist-Vergleich durchgeführt. Der Vergleich gibt darüber Auskunft, ob die prognostizierten Wird-Größen der Planung zutreffen und mit dem gegenwärtigen Ist-Zustand vereinbar sind. Für die Planfortschrittskontrolle wird der Kommunikationsplan in einzelne Planungsabschnitte, sogenannte Meilensteine oder Check Points unterteilt und die Soll-Werte der einzelnen Planungsabschnitte mit den prognostizierten Wird-Werten verglichen.
Audit und Planfortschrittskontrolle sind zukunftsgerichtete Kontrollen, mit deren Hilfe der Beschaffer mögliche Störgrößen in der Implementierungsphase identifizieren und korrigieren kann. Die Ergebniskontrolle nimmt einen rückblickenden Vergleich zwischen den Soll-Werten und den tatsächlich realisierten Ist-Größen vor, um den Grad der Planerfüllung zu ermitteln. Die Ergebniskontrolle stellt eine vergangenheitsorientierte Kontrollform dar, die das Lernen aus Fehlern der Kommunikationsarbeit ermöglicht.
Eine Kombination der drei Kontrollsysteme sichert den Erfolg des Kommunikations-Managements, weil der Beschaffer rechtzeitig die Weichen neu einstellen und zusätzlich Lerneffekte erzielen kann.
Fazit
Die Ausarbeitung eines adäquaten Kommunikations-Managementkonzeptes ist mit erheblichen Anstrengungen für den Beschaffer verbunden. Wenn aber die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt und die vorhandenen Instrumente eingesetzt werden, wird der Nutzen den Aufwand bei weitem übertreffen. Die Unterstützung durch eine einschlägig erfahrene Unternehmensberatung kann bei der Konzeption und Implementierung des Kommunikationskonzeptes eine wertvolle Hilfe sein. Ist das Kommunikations-Management einmal implementiert, so wird schnell deutlich, dass die professionelle Kommunikationsarbeit einen wichtigen Beitrag leistet, um Wettbewerbsvorteile im Beschaffungsmarkt zu realisieren und dauerhaft zu erhalten. Die Kommunikation wird dann tatsächlich zum Bindemittel, das die Beziehung zwischen Beschaffer und Lieferant festigt.
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