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Das neue Gesicht der Beratung

Supply Chain Management
Das neue Gesicht der Beratung

Berater, die sich fachlich sehr stark spezialisiert haben, zum Beispiel auf das Supply Chain Management, sind auf ihrem Gebiet nahezu unschlagbar. Aber: Oft fehlt der globale „Footprint“, das heißt ihre Größe erlaubt es nicht, überall auf der Welt präsent zu sein. Genau die jedoch erwarten die Kunden. Die Lösung liegt in der Kombination von groß/international und klein/ spezialisiert. Das gibt der Beratung ein neues Gesicht.

Ein unbestreitbarer Trend im Beratungsmarkt ist der Aufstieg der Spezialberatungen, ihr Erfolg sowohl am Markt als auch im Kampf um Talente. Eine ganze Reihe von Studien und Branchenrankings bestätigt, dass die meisten Spezialberater in ihren Disziplinen mit den großen Beratungsgesellschaften nicht nur mithalten können, sondern von Kunden oft sogar besser bewertet werden. Und das immer häufiger auch, was die ureigenen Domänen der Marktführer angeht: strategische Kompetenz, fachliches Know-how und tiefe Marktkenntnis.

Dafür gibt es mehrere makroökonomische Ursachen. Weltweite Finanz- und Wirtschaftskrisen, die zunehmende globale Vernetzung, eine sich beschleunigende Veränderung von Technologien und Märkten — dies alles stellt Unternehmen vor ständig neue Herausforderungen. Qualifizierte Beratung erfordert deshalb eine immer tiefere Detailexpertise in einzelnen Themenfeldern wie Technologie, Finanzierung oder Supply Chain Management. Spezialisierte Häuser, die alle Ressourcen und Strukturen auf ein solches Fachgebiet ausrichten, entsprechende Netzwerke aufbauen und systematisch Wissen und Projekterfahrungen sammeln, werden diesen Anforderungen sehr häufig besser gerecht als Generalisten. Dazu kommt, dass Spezialisten unter einem enormen Erfolgs- und Qualitätsdruck stehen. Sie müssen in ihrem jeweiligen Fachgebiet einfach besser und innovativer sein, um sich am Markt behaupten zu können. Dieser Druck führt zu einer fortlaufend steilen Lernkurve, einer höheren Innovationsrate und einer konsequenten Umsetzungsorientierung – was oft einher geht mit einer höheren Kundenzufriedenheit.
Gehört die Zukunft der Beratung deshalb den Spezialberatungen? Wohl eher nicht. Mangelt es ihnen doch in der Regel aufgrund ihrer starken fachlichen Fokussierung und ihrer lokalen Schwerpunkte an einem globalen „Footprint“. Dieser jedoch ist dringend nötig, um den Anforderungen der international aufgestellten Kunden zu genügen und neue Märkte außerhalb der angestammten Region zu erschließen.
Eine nachhaltige und vollständige Internationalisierung aus eigener Kraft würde die meisten Spezialberatungen aber schlicht überfordern – strukturell, kulturell und finanziell. Sie würde ihren ureigensten Charakter einer schlanken, agilen Einheit mit kurzen und schnellen Entscheidungswegen konterkarieren und die spezifischen Wettbewerbsvorteile verwässern.
Umfassende Transformationsprojekte sind zudem in aller Regel multidisziplinär und global ausgelegt und somit bislang fast ausnahmslos die Domäne der Big Player. Daran wird sich auch nichts ändern. Dem Vormarsch der Spezialberatungen sind deshalb im wahrsten Sinne des Wortes natürliche Grenzen gesetzt, wenn sie bleiben wollen, was sie sind.
Als Ausweg aus diesem scheinbaren Dilemma bietet sich ein Ansatz an, der in der Industrie – im Gegensatz zur Beratungsbranche – bereits weit verbreitet ist: Eine Plattformstrategie, bei der sich die Spezialberatung einem Global Player — etwa einer global handelnden Prüfungsgesellschaft — anschließt, um dessen Infrastruktur, internationale Präsenz, Kompetenzen und Ressourcen zu nutzen – die eigene spezifischen Stärken, eingespielte Strukturen und Beratungsansätze aber weiterhin als kohärente Einheit im Markt anbietet. Nicht zum Selbstzweck, sondern zum deutlichen Vorteil der Kunden. Eine solche ganzheitliche Kombination aus Beratungs-Know-how, Steuer-, Rechts- und Prüfungsexpertise sowie internationaler Präsenz eröffnet neue Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz, Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit. Nicht zuletzt deshalb wird sich dieser Ansatz im Markt immer stärker durchsetzen.
Und so dürfte der Beratungsmarkt mittelfristig bunter werden – neben wenigen Big Playern werden vor allem in lokalen Märkten Spezialberatungen erfolgreich sein. Als dritter Cluster werden die in globale Netzwerke integrierten Spezialisteneinheiten stark an Bedeutung gewinnen. Dass einer dieser Ansätze den Markt dominieren wird, ist unwahrscheinlich – denn sowohl aus der Markt- als auch aus der Kundenperspektive betrachtet, haben sie alle drei ihre spezifischen Vorteile. dz

Die Grenzen der Disziplin ausweiten

Dr. Robert Gutsche, Sven T. Marlinghaus, KPMG AG, Berlin

Einkauf hat nicht mehr nur mit Einkaufen zu tun. Mehr denn je geht es darum, die Grenzen der Disziplin auszuweiten, vor allem in Richtung finanz- und steuertechnischer Instrumente, Risiko- und Compliance-Management, Corporate Foresight und Integration mit F&E und Produktion. Unternehmenszusammenschlüsse haben nicht nur mit Größe zu tun. Mehr denn je geht es darum, auf Basis breiter Erfahrungen, das neue Bild des Einkaufs zu vermitteln. Darüber sprachen wir mit Dr. Robert Gutsche, Mitglied des Vorstands, und Sven T. Marlinghaus, Head of Supply Chain Management & Procurement Germany, der KPMG AG, Berlin.
Beschaffung aktuell: Herr Dr. Gutsche, Herr Marlinghaus, im Sommer vorigen Jahres hat KPMG Brainnet übernommen. Ziel von KPMG war es, die Marktposition im dynamisch wachsenden Bereich Procurement und Supply Chain Management mit einem Schlag deutlich zu verbessern. Ist das gelungen?
Dr. Robert Gutsche: Ja, das ist uns gelungen. Ein solcher Erfolg ist an viele Voraussetzungen gebunden – die Resonanz der Kunden, die Integration der Mitarbeiter, die Umsetzung der gemeinsamen strategischen Vision. Heute können wir bereits sagen, dass unsere Kunden den Zusammenschluss sehr positiv beurteilen – wir stellen immer wieder fest, dass großes Interesse an unserem gemeinsamen Portfolio besteht, an den Lösungen, die wir gemeinsam anbieten können. Wir sehen, dass in vielen Themenbereichen Synergien greifen, dass Wissen geteilt wird und auch neues Wissen entsteht. Unser Center of Excellence (CoE) für Procurement und SCM arbeitet intensiv daran, vernetzte, globale Ansätze zu entwickeln, über Landes- und Bereichsgrenzen hinweg.
Beschaffung aktuell: Erfolg misst sich ja zunächst am Umsatz. Können Sie uns Zahlen nennen?
Dr. Gutsche: Vor dem Kauf durch KPMG hat Brainnet aus eigener Kraft mit rund 300 Mitarbeitern weltweit etwa 60 Mio. USD Umsatz realisiert. Unter dem Dach des globalen CoE haben wir in der neuen Konstellation nun mehr als 500 Einkaufsexperten konsolidiert und rechnen mit einem jährlichen Umsatzwachstum von mehr als 30 Prozent auf das konsolidierte Volumen. Basierend auf den aktuellen Auftragseingängen sind wir sehr zuversichtlich, dieses Ziel im ersten Jahr bereits zu übertreffen.
Beschaffung aktuell: Erfolg misst sich auch an Namen. Gibt es große Namen, die Sie als Kunden neu gewonnen haben?
Sven T. Marlinghaus: Zunächst einmal ist es für uns sehr wichtig, dass wir die bestehenden Kundenbeziehungen weiter entwickeln konnten: Durch die Zusammenarbeit können wir strategische Fragen rund um das Management der Wertschöpfungsketten tiefer und umfassender beantworten. Das betrifft sowohl das Kundenportfolio von KPMG als auch das Kundenportfolio von Brainnet. Aus Gründen der Vertraulichkeit können wir zu den laufenden Projekten keine Angaben machen. Besonderen Zuspruch haben wir jedoch bei weltweit operierenden Unternehmen für ganzheitliche Einkaufs-transformationen erfahren.
Beschaffung aktuell: Auf der KPMG-Webseite drängt sich mir das Thema Einkauf nicht auf. Auch in Ihrem Themenregister von A-Z finde ich weder Beschaffung, Einkauf, Procurement, Purchasing noch SCM. Stellen Sie Ihr Licht unter den Scheffel?
Marlinghaus: Nein, das tun wir nicht – es ist unser erklärter Anspruch, den gesamten Markt für Procurement- und SCM-Beratung mitzugestalten und insbesondere die Zukunftsthemen voranzutreiben. Die Marke Brainnet bleibt am Markt erhalten und aktuell nutzen wir noch unsere Domain brainnet.com. Ende dieses Quartals werden die Inhalte in die KPMG-Welt migriert und das weltweit abgestimmte, erweiterte Lösungsportfolio auf der KPMG-Website zu finden sein.
Beschaffung aktuell: KPMG sieht sich als Spezialist für Unternehmensintegration und Post Merger Integration. Da darf ja nichts schiefgehen, wenn Sie selbst zukaufen. War das mit Brainnet so?
Dr. Gutsche: Definitiv. Wir liegen nicht nur geschäftlich im Plan. Auch unsere Mitarbeiter sind voller Begeisterung dabei. Wir haben von Anfang an gesagt, dass nicht nur unsere Portfolios, unsere geografische Präsenz und unsere Kundensegmente zusammenpassen, sondern auch unsere Kultur. Die Brainnet-Mitarbeiter, auch das gesamte Führungsteam, sind an Bord. Das ist meiner Meinung nach der stärkste Beweis dafür, dass wir offensichtlich einiges richtig gemacht haben.
Beschaffung aktuell: Sie haben geplant, ein globales „Center of Excellence“ für Procurement- und SCM-Themen zu gründen. Läuft das nach Plan?
Marlinghaus: Ja, das läuft nach Plan, das CoE befindet sich – unter Leitung von Christian Rast – in der Aufbauphase. Das CoE ist das Backbone für das gesamte Wissen unseres Unternehmens in Einkauf und SCM und damit ein essenzieller Baustein unserer Strategie. Es sorgt für die systematische Vertiefung unserer Expertise, die Entwicklung neuer Tools und Methoden und sorgt dafür, dass dieses Wissen an jedem Standort des globalen KPMG-Netzwerks verfügbar ist. Es ist natürlich eine sehr anspruchsvolle und komplexe Aufgabe, an der wir mit Elan und Einsatz arbeiten.
Beschaffung aktuell: Sie fördern das jetzt neu gegründete Institute of Corporate Education, Incore, das sich der unternehmensinternen Weiterbildung widmet. Auch hier gibt es eine Abteilung Procurement & Supply Chain Management. Was können Sie dem Einkaufsleiter/CPO bieten?
Dr. Gutsche: Wissen veraltet heute so schnell wie nie zuvor – gleichzeitig steigen die Anforderungen an Unternehmen sehr schnell – und die Aufgabenprofile verändern und erweitern sich tiefgreifend. Gerade in Einkauf und SCM sehen wir das: CPOs und ihre Teams müssen heute eine komplexe Klaviatur bedienen – von technologischen Aspekten über Finanzmarktinstrumente bis hin zu Themen des Risk- und Compliance-Managements.
Das entsprechende Wissen wird organisationsspezifisch, zeitnah und häufig weltweit gebraucht. Herkömmliche Weiterbildungsansätze sind diesem Druck nicht gewachsen. Incore entwickelt innovative Konzepte, die einerseits auf inhaltlichen Best Practices im Hinblick auf Einkauf und SCM beruhen, andererseits auf hocheffiziente didaktische Methoden setzen.
Wir werden Incore vor allem durch fachlichen Input aus den Tausenden von Procurement-Projekten unterstützen, die wir durchgeführt haben. Auch in den anderen Departments des Instituts bringen wir im Übrigen unsere relevante Projekterfahrung ein.
Beschaffung aktuell: Die Leute bei Brainnet gelten als Vordenker rund um Einkaufsthemen. Generell gefragt: Wo sehen Sie die künftigen Herausforderungen des Einkaufs?
Marlinghaus: Im Kern geht es darum, den Einkauf zu einem Werttreiber zu machen. Dafür zu sorgen, dass er die strategische Aufstellung des gesamten Unternehmens verbessert und sich unmittelbar, messbar, auf den finanziellen Erfolg auswirkt. Dazu gilt es – Herr Gutsche hat es vorher angesprochen – die Grenzen der Disziplin auszuweiten, vor allem in Richtung finanz- und steuertechnischer Instrumente, Risiko- und Compliance-Management, Corporate Foresight und Integration mit F&E und Produktion. Insgesamt hat der Einkauf heute einen deutlich höheren Reifegrad als vor zehn Jahren und die Standards, etwa beim Materialgruppenmanagement, werden beherrscht. Die Frage, die uns täglich von Unternehmen gestellt wird, ist: Was kommt als Nächstes? Wie gesagt, über den Wertbeitrag des Einkaufs muss man heute niemanden aufklären. Die Frage ist, ob Unternehmen ausreichend munitioniert sind, um ihnen zu begegnen, und ob sie die Fähigkeit besitzen, die globale Transformation zu meistern.
Beschaffung aktuell: Herr Gutsche, Herr Marlinghaus, danke für dieses Gespräch.
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