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„Der Einkäufer wird zum globalen Netzwerkmanager“

Prof Dr.-Ing. Elmar Bräkling, Hochschule Koblenz
„Der Einkäufer wird zum globalen Netzwerkmanager“

Unter der Regie von Prof. Dr.-Ing. Elmar Bräkling wird sich der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule künftig gemeinsam mit Newtron, einem Anbieter von elektronischen Lösungen zur Optimierung von Einkaufs- und Logistikprozessen, mit Fragestellungen zur Zukunft von Beschaffung und Logistik befassen und praxistaugliche Antworten erarbeiten.

Beschaffung aktuell: Was beinhaltet der Kooperationsvertrag zwischen der Hochschule Koblenz und Newtron?

Prof. Dr.-Ing. Elmar Bräkling: Wir werden uns gemeinsam mit den Zukunftsfragen von Beschaffung und Logistik befassen und Themen entwickeln, die Studierende der Hochschule bearbeiten können, etwa in Form von Bachelor- oder Masterarbeiten. Auch ist geplant, Newtron in Hochschul-Veranstaltungen zu integrieren, um Fragestellungen aus der Praxis aufzugreifen, die dann mit unserem wissenschaftlichen Instrumentarium untersucht werden. Vorstellbar wäre beispielsweise, dass wir Best Practices von Newtron auf ihre Usability hin untersuchen und Möglichkeiten für weitere Tool-Variationen aufzeigen, z. B. wenn sich Anforderungen und Rahmenbedingungen in der Beschaffungswelt verändern. Hier können unsere Untersuchungsergebnisse durchaus wertvolle Impulse geben und die Entwicklung von Produktinnovationen mit anstoßen. Wir als Hochschule bleiben dadurch jederzeit mit den aktuellen praktischen Herausforderungen der E-Procurement-Welt konfrontiert.
Beschaffung aktuell: Welche Entwicklungen sehen Sie am Markt? Wie verändern sich aktuell die Rahmenbedingungen bezüglich Beschaffung und Einkauf?
Bräkling: Wir sehen in der Industrie eine starke Dynamisierung von Wertschöpfungsnetzwerken. Früher war die Industrie gekennzeichnet durch eine hohe Fertigungstiefe und stabile langfristige Partnerschaften. Heute gibt es eine hohe Konzentration von Kernkompetenzen. Die Produkt-Lebenszyklen sind wesentlich kürzer. Die Technologie und das erforderliche Know-how verändern sich schneller. Das bedeutet, dass die Unternehmen nur dann wettbewerbsfähig bleiben, wenn sie möglichst jederzeit und überall auf der Welt die richtigen Partner an ihrer Seite haben, um die Innovations- und Fertigungspotenziale der Zuliefermärkte rechtzeitig in die eigenen Produkte und Dienstleistungen integrieren zu können. Diese dynamische Dezentralisierung ist eine Kernherausforderung für den Einkauf – insbesondere im Management von Innovationen.
Beschaffung aktuell: Wie muss man sich also den Einkäufer der Zukunft vorstellen?
Bräkling: Ich würde ihn als globalen Netzwerkmanager bezeichnen. Der Einkäufer der Zukunft braucht einen guten Blick dafür, was in den Weltmärkten passiert, wo sich welche Technologien entwickeln. Und er braucht eine gute Anbindung nach innen. Er muss wissen, wie sich das eigene Unternehmen in den Märkten positionieren will, sprich mit welchen Produkten und Leistungen es dort hinein gehen sollte. Und dann muss der Einkauf auf der Supply-Chain-Ebene zu jedem Zeitpunkt die richtige Antwort darauf haben, mit welchen Firmen in welchen Wertschöpfungsnetzwerken zusammenzuarbeiten ist. Das ist dann in der Komplexität etwas ganz anderes als „Einkauf in Mühlheim-Kärlich“.
Beschaffung aktuell: Welche Voraussetzungen muss der Einkauf erfüllen, um diese Rolle einnehmen zu können?
Bräkling: Als Netzwerkmanager hat der Einkäufer eine Schnittstellenfunktion nach innen und nach außen. Er muss nach innen in die Gesamtführung des Unternehmens integriert und Teil des strategischen Entscheidungsprozesses sein, also eine genauso wichtige Stimme haben wie etwa Produktion, Entwicklung, Vertrieb oder Quality. Das wiederum impliziert, dass sich die vom Einkauf geprägten Entscheidungen dann auch herunterbrechen lassen müssen auf die operative Ebene der verschiedenen Fachbereiche – von der Entwicklung und Produktionsplanung über die Produktion bis zum Marketing. Der Einkauf sollte hier überall involviert sein und im ständigen Dialog mit den ausführenden Linien stehen. Damit das funktioniert, brauchen wir an der Spitze des Einkaufs nicht nur fachlich versierte, sondern auch starke, charismatische Führungspersönlichkeiten, die in den Fachbereichen als Partner wahrgenommen und respektiert werden. Das heißt, sie müssen bereit sein, über ihren Tellerrand zu blicken und verstehen, welche Sorgen und Nöte die anderen plagen, damit sie gemeinsam mit ihnen Lösungen entwickeln können.
Beschaffung aktuell: Wie verändert sich dadurch die Außenwirkung des Einkaufs?
Bräkling: Die beschriebene Schnittstellenfunktion des Einkaufs nach innen, diese starke Position innerhalb des Unternehmens gilt es dann auch nach außen zu übertragen. Das bedeutet: Wenn der Einkäufer in den Dialog etwa mit den Zuliefermärkten tritt, sollte den Gesprächspartnern stets klar sein, dass er nicht nur für eine einzelne Abteilung spricht, sondern alles, was er sagt, im Kontext sämtlicher Fachbereiche des Unternehmens zu verstehen ist. Dafür sind seitens des Einkäufers sowohl umfassendes Fach-Know-how und eine entsprechende Präsenz in den Märkten erforderlich als auch eine Verbindlichkeit und Verlässlichkeit im Handeln sowie ein gutes Ohr und Auge, um zu erkennen, auf welche Player es wirklich ankommt.
Beschaffung aktuell: Einigen Einkaufsorganisationen gelingt die Einbindung in die strategischen Unternehmensprozesse sehr gut, andere hingegen stagnieren in ihrer Entwicklung. Woran liegt das?
Bräkling: Das ist unternehmensspezifisch unterschiedlich. Es gibt aber drei allgemeine Indizien, die darauf hindeuten, ob es besser funktioniert oder schlechter:
Das erste Indizium ist die strukturelle Aufstellung: Wie ist der Einkauf im Unternehmen platziert? Welche Kompetenzen sind ihm zugeordnet? Und wie ist dann die individuelle Akzeptanz und der individuelle Respekt vor den Leuten, die das vertreten?
Das zweite Thema ist die Professionalisierung von Prozessen, also die transparente Zuteilung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen über die einzelnen Abläufe im Unternehmen. Ist das klar geregelt? Und wenn ja: Hält man sich auch wirklich dran? Die Umsetzung der Regeln hängt wiederum sehr stark von den handelnden Personen ab. Ich brauche also einerseits einen klaren Rahmen, aber andererseits auch Personen, die entsprechend Anerkennung finden, um ihrer Funktion gerecht werden zu können. In beiden Punkten stellen wir häufig Schwächen fest.
Der dritte Punkt, der in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen wird: Angesichts der komplexen Netzwerkaufgabe, die der Einkauf künftig erfüllen muss, wird intelligente Datenverarbeitung zu einem kritischen Erfolgsfaktor. Stichwort: Industrie 4.0. Das heißt, wir müssen die Prozesse mit einem sauberen EDV-Rückgrat hinterlegen, sonst funktioniert es nicht. Das EDV-System sollte dem Einkauf zwar keine Entscheidungen abnehmen, es muss ihn aber bei der stringenten Abwicklung von operativen Abläufen unterstützen und ihm auf Abruf relevante Informationen zuspielen können – zu Bedarfen, Märkten, Angeboten, Preisen, Playern etc. –, sodass er daraus Strategien entwickeln kann, die die Position des eigenen Unternehmens verbessern. Auch dieses durchgängige Daten-Rückgrat ist in vielen Unternehmen eine Schwachstelle.
Beschaffung aktuell: Steht der Einkauf vor einer Revolution?
Bräkling: Das halte ich für etwas zu hoch gegriffen. Ich glaube nicht, dass der Einkauf vor einer Revolution steht. Ich würde eher sagen, der Einkauf befindet sich in einer Evolution, also in einer allmählichen Veränderung. Der Weg ist das Ziel.

Prof. Dr.-Ing. Elmar Bräkling

Der Mann

Mit weit mehr als zehn Jahren operativer Industrieerfahrung vertritt Prof. Dr.-Ing. Elmar Bräkling seit Ende 2008 die Fachgebiete Beschaffung und Logistik an der Hochschule Koblenz. In angewandter Forschung und Lehre hat er dort unter anderem das PIPS – Power in Procurement System entwickelt und in die Praxis transferiert.
Zuvor war Bräkling acht Jahre lang bei der Daimler AG, zuletzt als Leiter International Procurement Services/Consulting & Engineering , tätig.
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