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Der Mediator — ein Helfer im Streite

Recht
Der Mediator — ein Helfer im Streite

Viel zu selten kommt der Mediator zum Einsatz, meint unser Autor Karlheinz Schmid. Dabei hätte das auch im Streit zwischen Einkauf und Lieferanten viele Vorteile: Anders als bei vielen Gerichtsverfahren bleibt die Geschäftsverbindung bestehen und außerdem findet alles hinter verschlossenen Türen statt.

Anlässe für streitige Auseinandersetzungen gibt es im Einkauf genug: Mit Lieferanten, die nicht einsehen wollen, dass ihre Lieferung mangelhaft ist, mit Geschäftspartnern, die bei verspäteter Lieferung die berechneten Verzugskosten für überhöht halten, oder mit Partnern in einer Einkaufskooperation, die sich ständig benachteiligt fühlen. Wer in Streitfällen vorschnell nach dem Rechtsanwalt ruft, sieht sich mit seinem Geschäftspartner schnell vor Gericht. Es kann jetzt zu einem nervenaufreibenden Gerichtsverfahren über mehrere Instanzen mit hohem Kostenaufwand und unsicherem Ausgang kommen. Und die Geschäftsbeziehungen sind dann auch dauerhaft beschädigt, wahrscheinlich sogar zu Ende.

Das muss nicht sein, gibt es doch ein seit vielen Jahren in Deutschland durchaus erfolgreiches Verfahren einverständlicher Streitbeilegung: die Mediation. Sie ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem die Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konfliktes anstreben (vgl. § 1 Abs. 1 MediationsG).
Die Vorteile sind offensichtlich. Alle strittigen Fragen, auch Rechtsfragen, können gemeinsam in sachlicher, wenn auch nicht immer ruhiger Atmosphäre, unter sachkundiger Gesprächsführung des Mediators erörtert werden. Nur die an der Mediation beteiligten Parteien entscheiden, ob sie den mit dem Mediator entwickelten Kompromiss annehmen oder nicht. Der Streit wird meist sehr zeitnah geschlichtet und der Kostenaufwand für die Mediation ist vergleichsweise gering. Erfahrene Mediatoren berichten über einen weiteren bedeutenden Vorteil: Die bisherigen Streithähne setzen im Regelfall die Geschäftsbeziehungen miteinander fort.
Im Juli 2012 ist ein neues Mediationsgesetz in Kraft getreten. Ziel dieses Gesetzes ist es einmal, die Mediation und andere Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung zu fördern und für die bisher ungeregelten Formen der Mediation eine rechtliche Grundlage zu schaffen. Dabei ist die Idee, Konflikte durch Verhandlungs- und Vermittlungsstrategien und nicht durch Urteile staatlicher Gerichte beizulegen, sehr alt. Besonders in Asien kommt seit jeher und bis heute bei der Lösung von Konflikten dem außergerichtlichen Vermittlungsgedanken eine hohe praktische Bedeutung zu. Etwa gegen Mitte/Ende des vorigen Jahrhunderts fand auch in Europa der Gedanke der Mediation zunehmende Bedeutung, wurde aber lange Zeit nicht gesetzlich geregelt.
Nach langen Beratungen verabschiedete das Europäische Parlament und der Rat am 21.5.2008 die Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen. Mit dieser Richtlinie sollten Rahmenregeln eingeführt werden, „um die Nutzung der Mediation weiter zu fördern und sicherzustellen, dass die Parteien, die die Mediation in Anspruch nehmen, sich auf einen vorhersehbaren rechtlichen Rahmen verlassen können“ (Erwägungsgrgund 7).
Die neue Regelung Mediation kann wie folgt durchgeführt werden: 1. unabhängig von einem Gerichtsverfahren (außergerichtliche Mediation), 2. während eines Gerichtsverfahrens (gerichtsnahe Mediation) oder 3. während eines Gerichtsverfahrens von einem nicht entscheidungsbefugten Richter (gerichtsinterne Mediation). Bei Streitigkeiten zwischen Unternehmen sollte die außergerichtliche Mediation, über die hier berichtet wird, deutlich im Vordergrund stehen.
Das Mediationsverfahren beginnt damit, dass sich die Parteien auf einen oder – eher selten – auf zwei Mediatoren einigen. Viele Mediatoren arbeiten nicht hauptberuflich oder jedenfalls nicht ausschließlich als solche, sie üben vielmehr in erster Linie einen Hauptberuf aus, zum Beispiel als Rechtsanwalt, Steuerberater, Psychologe, Pädagoge oder Sozialpädagoge.
Bei Verfahrensbeginn hat sich der Mediator zu vergewissern, dass die Parteien die Grundsätze und den Ablauf des Mediationsverfahrens verstanden haben und freiwillig an der Mediation teilnehmen. Dritte können nur mit Zustimmung aller Parteien in die Mediation einbezogen werden (§ 2 Abs. 2, 4 MediationsG). Die Mediation findet also grundsätzlich „hinter verschlossenen Türen“ statt.
Der Mediator hat den Parteien alle Umstände offen zu legen, die seine Unabhängigkeit und Neutralität beeinträchtigen können. Bei Vorliegen solcher Umstände darf er nur als Mediator tätig werden, wenn die Parteien dem ausdrücklich zustimmen. Als Mediator darf auch nicht tätig werden, wer vor der Mediation in derselben Sache für eine Partei tätig gewesen ist (§ 3 Abs. 1, 2 MediationsG). Schließlich ist der Mediator auch verpflichtet, die Parteien auf deren Verlangen über seinen fachlichen Hintergrund, seine Ausbildung und seine Erfahrung auf dem Gebiet der Mediation zu informieren (§ 3 Abs. 5 MediationsG). Diese Bestimmung trägt dem Umstand Rechnung, dass keine gesetzlichen Mindestqualifikationen für Mediatoren eingeführt wurden, die Qualitätssicherung somit dem Markt überlassen bleibt. Der Markt kann diese Aufgabe jedoch nur erfüllen, wenn die Qualifikation der Mediatoren für die Parteien ersichtlich ist und diese nach Offenlegung der Qualifikation eine sachgerechte Auswahlentscheidung treffen können. Dabei steht es den Mediatoren frei, eine geeignete Form der Aufklärung zu wählen, etwa mit einem Informationsblatt oder durch entsprechende Angaben auf ihrer Internetseite (vgl. BT-Drucks. 17/5335, S. 16, 17). Ergänzend hierzu heißt es in § 5 MediationsG: „Der Mediator stellt in eigener Verantwortung durch eine geeignete Ausbildung und eine regelmäßige Fortbildung sicher, dass er über theoretische Kenntnisse sowie praktische Erfahrung verfügt, um die Parteien in sachkundiger Weise durch die Mediation führen zu können.“
Neutralität und Verschwiegenheit: Oberstes Gebot für einen Mediator ist seine Neutralität. Diese ist Voraussetzung für seine Autorität im gesamten Verfahren. Die Neutralität verpflichtet den Mediator zu einer unparteilichen Verhandlungsführung und zu einer Gleichbehandlung der Parteien. Alle Informationen müssen an alle Parteien gleichermaßen weitergegeben werden und alle Parteien müssen am Fachwissen des Mediators in gleicher Weise teilhaben können. Hauptaufgabe des Mediators ist es, „ohne eigene Entscheidungsbefugnis die Parteien dabei zu unterstützen, dass diese selbst ihre eigenen Interessen herausarbeiten, allseits vorteilhafte Einigungsoptionen entwickeln und eine einvernehmliche Vereinbarung zur dauerhaften Regelung ihres Konfliktes treffen“(BT-Drucks. 17/5335, S.14). Es ist selbstverständlich, dass der Mediator und die in die Durchführung des Mediationsverfahrens eingebundenen Personen – dies sind die Hilfspersonen des Mediators, z. B. Büroangestellte oder sonstige berufliche Gehilfen, wie Referendare – zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihnen in Ausübung ihrer Tätigkeit bekannt geworden ist (vgl. § 4 MediationsG). Die Parteien und ihre während der Mediation tätigen Parteivertreter sind dagegen nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Da die Parteien das Mediationsverfahren auf freiwilliger Basis durchführen, ist es selbstverständlich, dass sie die Mediation jederzeit beenden können. Auch der Mediator hat das Recht, die Mediation abzubrechen, insbesondere wenn er der Auffassung ist, dass eine eigenverantwortliche Kommunikation oder eine Einigung der Parteien nicht zu erwarten ist (vgl. § 2 Abs. 5 MediationsG).
Im Falle einer Einigung hat der Moderator darauf hinzuwirken, dass die Parteien die Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen. Er hat Parteien, die ohne fachliche Beratung an der Mediation teilnehmen, auf die Möglichkeit hinzuweisen, eine beabsichtigte Vereinbarung durch externe Berater überprüfen zu lassen. Mit Zustimmung der Parteien kann die erzielte Einigung in einer Abschlussvereinbarung dokumentiert werden. Soweit jedoch die Parteien eine Vereinbarung mit rechtlichen Folgewirkungen treffen wollen, sollte der Moderator empfehlen, dass die Parteien die Abschlussvereinbarung vor der endgültigen Unterzeichnung einer rechtlichen Kontrolle, beispielsweise durch einen Rechtsanwalt, unterziehen. Im Einzelfall kann eine solche fachliche Beratung auch von einem technischen Sachverständigen oder von einem Wirtschaftsprüfer durchgeführt werden (vgl. § 2 Abs. 6 MediationsG., BT-Drucks. 17/5335, S. 15).
Nach wie vor werden in Deutschland sehr viele, besser gesagt zu viele Streitigkeiten vor Gericht ausgetragen. Es bleibt zu hoffen, dass durch das neue Mediationsgesetz ein Anreiz geschaffen wird, dass erheblich mehr als bisher von der Mediation Gebrauch gemacht wird. Denn „eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung“. So das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 14.2.2007 (1 BvR 1351/01).
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