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Die Änderungen beim Werkvertrag

Serie Kaufvertrag ab 1. 1. 2002, Folge 5
Die Änderungen beim Werkvertrag

Der Werkvertrag ist – neben dem Kaufvertrag – immer noch der wichtigste Vertragstyp, der dem Einkauf bei der Beschaffung von Anlagen und Systemen zur Verfügung steht. Den Werkvertrag gibt es in der Praxis in den unterschiedlichsten Varianten, doch ist allen Werkverträgen eines gemeinsam: Sie sind alle erfolgsorientiert. Den Werklohn gibt es nur, wenn das Werk gelingt. Mit anderen Worten: wenn die Abnahme erteilt wurde. Daran hat sich auch jetzt nichts geändert. Doch geändert hat sich gleichwohl eine ganze Menge.

Prof. Dr. jur. Karlheinz Schmid

Nach § 633 Abs.1 BGB hat der Unternehmer dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Die Übereinstimmung mit dem Kaufrecht (§ 433 Abs.1 Satz 2 BGB) ist offensichtlich. Ganz entsprechend ist auch der Sachmangel definiert. Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat (§ 633 Abs.2 S.1 BGB). Hier – wie im Kaufrecht – kommt auf den Einkäufer die Aufgabe zu, die Beschaffenheit so genau wie möglich festzulegen, zu vereinbaren und zu dokumentieren. Es wird damit ein Maßstab geschaffen, mit dessen Hilfe während des Abnahmeverfahrens exakt beurteilt werden kann, ob das Werk die vereinbarte Beschaffenheit aufweist.
Ist die Beschaffenheit nicht vereinbart, ist das Werk frei von Sachmängeln,
  • 1.wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst
  • 2.für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werks erwarten kann (§ 633 Abs.2 S.2 BGB).
Wenn also – aus welchem Grund auch immer – die Beschaffenheit des Werks nicht vereinbart werden kann, dann ist es unbedingt erforderlich, den Verwendungszweck so detailliert wie möglich zu beschreiben.
Übereinstimmend mit dem Kaufrecht steht es einem Sachmangel gleich, wenn der Unternehmer ein anderes als das bestellte Werk oder das Werk in zu geringer Menge herstellt (§ 633 Abs. 2 S.3 BGB). Beim Werkvertrag kommt diesen beiden Formen des Sachmangels eine viel geringere Bedeutung als beim Kaufrecht zu; doch sind sie auch hier gelegentlich anzutreffen.
Das Werk ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf das Werk keine oder nur die im Vertrag übernommenen Rechte gegen den Besteller geltend machen können.
Bemerkenswert ist, dass hier beim Werkvertrag – im Gegensatz zum Kaufvertrag – die IKEA-Klausel fehlt. Ebenso die Aussage, dass Äußerungen in der Werbung Hinweise auf die Beschaffenheit sein sollen. Grund: Werbung soll den Konsum von Massenwaren fördern. Solche Massenwaren werden jedoch im Regelfall nicht durch Werkverträge umgesetzt. „Eine eventuelle Werbung durch den Werkunternehmer müsste sich an den Vertragspartner, den Besteller, richten. Soweit hier von konkreten Eigenschaften des Werks die Rede ist, wird regelmäßig eine Beschaffenheitsvereinbarung anzunehmen sein“ (Ges.Mat., S. 616).
Nachbesserung oder Neuherstellung?
Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller Nacherfüllung verlangen (§ 634 Nr.1 BGB): Wird dies vom Besteller verlangt, kann der Unternehmer nach seiner Wahl den Mangel beseitigen oder ein neues Werk herstellen (§ 635 Abs.1 BGB). Dies ist ein bedeutsamer Unterschied zum Kaufrecht. Hier steht also das Wahlrecht zwischen den beiden Formen der Nacherfüllung dem Unternehmer zu. Ist die eine oder andere Art der Nacherfüllung für den Besteller nicht zumutbar, kann er auch ohne eine ausdrückliche Klarstellung im Gesetzestext aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Annahme der vom Hersteller angebotenen Nacherfüllung ablehnen.
Der Werkunternehmer hat dann die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen (§ 635 Abs.2 BGB). Stellt der Werkunternehmer ein neues Werk her, so kann er vom Besteller grundsätzlich die Rückgewähr des mangelhaften Werkes verlangen.
Ein Unterschied zum bisherigen Recht ist auch darin zu sehen, dass der Nacherfüllungsanspruch durch den erfolglosen Ablauf einer gesetzten Frist noch nicht ausgeschlossen ist. Die Begründung liegt darin, dass die bisher erforderliche Ablehnungsandrohung weggefallen ist.
Der Begriff „Nacherfüllung“ wird voraussichtlich keine praktische Bedeutung erlangen. Denn wenn Nacherfüllung verlangt würde, wäre dies für den Verkäufer zu unbestimmt. Präzisiert der Käufer dann die Nacherfüllung und verlangt er Nachbesserung, dann würde ihm bestimmt der Verkäufer entgegnen: „Dann sagen Sie es doch gleich!“
Selbstnachbesserungsrecht
Nach dem erfolglosen Ablauf einer vom Besteller zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Nachfrist stehen dem Besteller das Recht auf Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung und jeweils Schadensersatz zu. Der Besteller kann somit nach dem Scheitern der Nacherfüllung den Mangel selbst beseitigen oder von einem von ihm beauftragten Dritten beseitigen lassen.
Das Recht zur Selbstnachbesserung hängt nicht mehr wie bisher vom Verzug des Werkunternehmers ab, sondern lediglich vom erfolglosen Ablauf einer Frist zur Nacherfüllung. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten verweigern darf.
Der Besteller kann vom Werkunternehmer Vorschuss für den zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwand verlangen. Große praktische Bedeutung wird dieses Recht auf Vorschusszahlung kaum haben. Denn wer nicht kommt, um das von ihm erstellte Werk zu reparieren, der wird auch kaum in der Lage sein, einen Vorschuss zu zahlen. Oft ist dies ein deutliches Signal für bevorstehende Zahlungsschwierigkeiten bzw. Insolvenz.
Nach wie vor gilt die Warnung an die Techniker: Hände weg von der Maschine/Anlage, solange noch die Gewährleistungsfrist läuft! Ein solcher Eingriff, ob sachgemäß oder nicht, kann zum Verlust aller Ansprüche aus der Mängelhaftung führen. Für Bagatellmängel oder Notfälle ist die Einwilligung des Werkunternehmers zu angemessenen Selbstnachbesserungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, noch besser im Anlageneinkaufsvertrag im Voraus einzuholen. Dann ist auch zu klären, dass dann der Werkunternehmer die Kosten zu übernehmen hat und dass durch den Eingriff die Mängelhaftung des Werkunternehmers nicht erloschen ist.
Rücktritt
Kommt der Werkunternehmer dem Nacherfüllungsbegehren des Bestellers nicht nach oder schlägt die Nacherfüllung fehl und macht der Besteller von seinem Recht zur Selbstnachbesserung keinen Gebrauch, kann der Besteller vom Vertrag zurücktreten (§§ 634 Nr.3, 636, 323, 326 Abs. 5 BGB).
„Die Rückabwicklung des Vertrags statt Minderung des Werklohns kann auch für den Werkunternehmer interessengerecht sein …“ Ist Gegenstand des Werkvertrags z.B. eine Maschine, ist dem Besteller mit einer Kürzung des Werklohns nicht gedient, wenn die technisch komplizierte Reparatur nur von Leuten des Werkunternehmers vorgenommen werden kann, der sie aber verweigert. Hier muss dem Besteller die Möglichkeit bleiben, vom Vertrag zurückzutreten, um sich die Maschine bei einem anderen Werkunternehmer zu beschaffen (Ges.Mat., S. 619).
Durch den Hinweis auf § 323 BGB ergibt sich, dass der Rücktritt wegen eines unerheblichen Mangels ausgeschlossen ist (§ 323 Abs.5 BGB). Damit ist auch geklärt, dass ein Rücktritt dann nicht möglich ist, wenn der Besteller für den Mangel des Werks allein oder überwiegend verantwortlich ist (§ 323 Abs. 6 BGB).
Minderung
Statt zurückzutreten kann der Besteller nach § 638 Abs.1 Satz 1 BGB die Vergütung durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer mindern. Durch die Bezugnahme auf das Rücktrittsrecht am Anfang von Satz 1 („Statt zurückzutreten …“) wird angedeutet, dass der Besteller erst nach dem erfolglosen Ablauf einer dem Werkunternehmer zur Nacherfüllung bestimmten Frist mindern kann. Eine solche Herabsetzung des Werklohns ist auch dann möglich, wenn der Mangel den Wert oder die Tauglichkeit des Werks nur unerheblich mindert (§ 638 Abs.1 Satz 2 BGB). Sind auf der Seite des Bestellers oder auf der Seite des Unternehmers mehrere beteiligt, so kann die Minderung nur von allen oder gegen alle erklärt werden (§ 638 Abs.2 BGB).
„Bei der Minderung ist die Vergütung in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsabschlusses der Wert des Werks in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde“ (§ 638 Abs. 2 BGB). Es gilt somit eine gesetzliche Regelung, die an den vereinbarten Werklohn anknüpft. Nach dessen Höhe ist in relativer Berechnungsweise der Minderungsbetrag auszurechnen. In der Praxis wird eine solche Regelung schon als Bemessungsmaßstab in Betracht gezogen, gleichwohl wird man den Minderungsbetrag im Regelfall schätzen. Dies erlaubt § 638 Abs. 3 Satz 2 BGB.
Die Berechnung des Minderungsbetrages ist somit nicht von den Kosten der Nachbesserung abhängig. Solche Kosten könnten im Einzelfall ganz besonders hoch sein und stünden dann zur Leistung des Werkunternehmers in einem auffälligen Missverhältnis (so Ges.Mat., S. 631).
Schadensersatz
Stellt der Werkunternehmer ein mangelhaftes Werk her, dann verletzt er eine Vertragspflicht. Hat er diese Pflichtverletzung – wie im Regelfall – verschuldet, kann der Besteller Schadensersatz verlangen. § 634 Nr.4 BGB regelt diesen Anspruch durch eine umfassende Verweisung auf die allgemeinen Schadensersatzvorschriften. Es gilt somit das allgemeine Leistungsstörungsrecht (§§ 280ff BGB).
„Durch die Verweisung auf § 280 BGB wird klargestellt, dass der Besteller, wenn die Pflichtverletzung vom Werkunternehmer zu vertreten ist, Ersatz seines Schadens verlangen kann, gleichgültig ob der Schaden durch den Mangel entstanden ist, nicht mit dem Mangel zusammenhängt oder zwar mit dem Mangel zusammenhängt, aber dessen entferntere Folge ist“ (Ges.Mat., S. 622).
Folglich muss jetzt nicht mehr unterschieden werden, ob ein Mangelschaden, ein Mangelfolgeschaden oder ein sonstiger Schaden vorliegt. Damit ist auch eine einheitliche Verjährungsfrist für alle Schadensersatzansprüche wegen eines Werkmangels gegeben.
Aus der Verweisung auf § 281 BGB folgt, dass der Besteller wegen eines Werkmangels Schadensersatz verlangen kann, wenn die dem Werkunternehmer zur Nacherfüllung gesetzte Frist erfolglos abgelaufen ist.
Haftungsausschluss
Bisher war es durchaus üblich, Zusicherungen oder Garantien gegenständlich, zeitlich oder der Höhe nach zu begrenzen. So wurde z.B. eine Garantie nur für bestimmte Bauteile gegeben bzw. bestimmte Bauteile, z.B. Verschleißteile, von der Garantie ausgenommen; es wurden Haftungshöchstbeträge zugunsten des Werkunternehmers vereinbart (z.B. Haftung nur in Höhe des Auftragswerts oder nur im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung) oder es wurden die Schäden wegen Produktionsausfalls oder wegen entgangenen Gewinns von der Haftung komplett ausgeschlossen.
Es wird jetzt die Meinung vertreten, § 639 BGB verbiete einen Haftungsausschluss, wenn der Werkunternehmer eine Beschaffenheitsgarantie übernommen habe. § 639 BGB lautet wie folgt:
„Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Bestellers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Unternehmer nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.“
Richtig ist, dass eine einmal gegebene Beschaffenheitsgarantie nachträglich nicht mehr einseitig zurückgenommen oder eingeschränkt werden kann. Wird aber eine Garantie eingeräumt, dann kann m.E. gleichzeitig der Garantiegeber die Garantie auf bestimmte Bauteile beschränken, er kann sie zeitlich begrenzen oder eine Haftungsobergrenze festsetzen. Das Argument vieler Lieferanten, man könne keine Garantie mehr geben, weil § 639 BGB eine Beschränkung verbiete, ist also nicht richtig. Möglicherweise ist es auch nur ein Scheinargument, um sich von einer Garantie zu drücken.
In diesem Sinne heißt es auch bei Wolf/Kaiser Der Betrieb 2002 S. 419:
„Werden Inhalt und Umfang der Garantie dagegen schon von vornherein als Inhalt der Garantieerklärung eingeschränkt, so steht der Wirksamkeit und Bestandskraft einer solchen Garantie mit all ihren Einschränkungen § 444 BGB nicht entgegen“.
So auch Graf von Westphalen, NJW 2002 S. 12 (18).
Verjährung
Die Ansprüche auf Nachbesserung, Neuherstellung, Selbstnachbesserung, Ersatz der erforderlichen Aufwendungen sowie die Schadensersatzansprüche verjähren in zwei Jahren bei einem Werk, dessen Erfolg in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache oder in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht.
In fünf Jahren verjähren diese Ansprüche bei einem Bauwerk oder einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht. Im Übrigen verjähren diese Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, also in drei Jahren (§ 634 Abs.1 BGB).
Kostenvoranschlag
Neu ist auch § 632 Abs.3 BGB: „Ein Kostenvoranschlag ist im Zweifel nicht zu vergüten.“ Will demnach ein Unternehmen einen Kostenvoranschlag vergütet haben, muss es eine dahingehende Vereinbarung mit dem Kunden treffen. Eine entsprechende Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen reicht dafür nicht aus.
AGB-Vergütungsklauseln sind wegen Verstoßes gegen §305c Abs.1 BGB (bisher § 3 AGBG) oder § 307 BGB (bisher §9 AGBG) unwirksam. Der Auftragnehmer muss daher mit seinem Kunden eine selbständige Vereinbarung über die Erstellung und Vergütung eines Kostenvoranschlags im Voraus treffen.
Schlussbemerkung
Dies werden nicht die letzten Änderungen beim Werkvertrag sein. Die von der Schuldrechtskommission vorgeschlagenen und noch im Diskussionsentwurf vorgesehenen weiteren Änderungen des Werkvertragsrechts wurden zunächst zurückgestellt. Grund: Es besteht noch Diskussionsbedarf, insbesondere bezüglich des Bau-Werkvertragsrechts. Überhaupt wird das Schuldrecht nach Einschätzung aller Experten noch viele Jahre lang eine Baustelle bleiben.
Arbeitsmappe mit 108 Seiten
und allen wesentlichen Neuerungen für den Einkauf, von Prof. Dr. Schmid zusammengestellt und kommentiert; 77 Euro, plus MwSt und Versandkosten, über Fax: 0 41 31/97 04 01
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