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Die Zukunft wird im Kopf gemacht

Die Macht der schwarzen Gedanken
Die Zukunft wird im Kopf gemacht

Die alten Chinesen wussten es offenbar schon, wie eines ihrer klugen Sprichwörter zeigt: Herr der Vergangenheit ist, wer sich erinnern kann. Herr der Zukunft ist, wer sich wandeln kann. Wie wichtig diese Wandlungsfähigkeit geworden ist, zeigt eine Bemerkung von Professor Karlheinz A. Geißler, der in München lehrt: „Morgen geht gestern nicht weiter. Aber wir wissen nicht: Wie soll’s weitergehen? Die permanente Unsicherheit wird zum Normalzustand.“

Hartmut Volk

In dieser Einschätzung trifft er sich mit dem Bildungsforscher und Pädagogikprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Heiner Barz, der klar feststellt: „Galt früher Veränderung als ein in sich abgegrenzter Zwischenschritt, der lange Phasen der Stabilität und Kontinuität für kurze Zeit unterbrach, so müssen wir uns heute darauf einstellen, dass das Leben in und mit dauerhaft instabilen, turbulenten Umwelten zum ganz normalen Alltag gehört.“
Was damit gemeint ist, sagt der Arzt und Psychologe Michael Kastner, Professor für Organisationspsychologie an der Universität Dortmund und Leiter des Instituts für Arbeitsmedizin und Arbeitspsychologie in Herdecke: „Auf der emotionalen Ebene, also im Bauch-Bereich, müssen wir lernen, mit Unsicherheiten, Intransparenz und Ängsten zu leben. Auf der kognitiven Ebene, also im Kopf-Bereich, müssen wir lernen, mit Komplexität, Vernetzungen und Dynamiken umzugehen“.
Wenn „die verhaltensprägende Macht der Gefühle nach neuesten Ergebnissen aus der Hirn- und Motivationsforschung auch nicht länger unterschätzt werden darf“, so Dr. Maja Storch, Motivations- und Selbstmanagementexpertin an der Universität Zürich, „die eigentlichen Zukunftsweichen werden doch im Kopf gestellt!“ Forschungsergebnisse aus der Psychologie zeigen: Durch nichts wird die innere Weltoffenheit und Widerstandskraft eines Menschen – Resilience nennen die Psychologen diese Fähigkeit, mit der sich Menschen trotz schwieriger belastender Lebensumstände gut entwickeln und die Herausforderungen des Lebens meistern – mehr beeinflusst als durch den Fluss der Gedanken, die Art und Weise, wie ein Mensch denkt.
Wer nur zweifelt, verzweifelt
Gemeinhin wird angenommen, die äußeren Ereignisse seien es, die den einen früher, den anderen später aus der Fassung und „um den Verstand bringen“, wie der Volksmund sagt. Diese Annahme greift zu kurz. Die Gefahr, erst die Lebensfreude, dann den Lebensmut, dann die Auseinandersetzungsbereitschaft mit dem Leben und schließlich die Orientierung und den Boden unter den Füßen zu verlieren, erwächst mitnichten unmittelbar aus dem, womit wir uns tagtäglich auseinandersetzen müssen oder womit uns das Schicksal konfrontiert.
Was blockiert, den Blick für das Machbare und Mögliche trübt, Lebenskraft und -mut raubt und schließlich zukunftsunfähig macht, ist die Einstellung, mit der – bildlich gesprochen – diesen Ereignissen gegenübergetreten wird. Diese karussellartig im Kopf sich drehenden schwarzen Gedanken, mit denen sich eine ständig größer werdende Zahl Berufstätiger, Unternehmer wie Arbeitnehmer, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen herumplagt, sind die eigentlichen Mürbemacher in deren Leben und Stolpersteine auf der Straße in deren Zukunft.
Im Bestreben, die eigene Zukunftsfähigkeit zu erhalten, gilt es also, sich immer wieder daran zu erinnern und zu orientieren: Nicht die Probleme als solche verbauen den Lebensweg, wie irrigerweise wie selbstverständlich angenommen wird, sondern wie darüber gedacht wird, entscheidet über Verzagen oder Wagen. „In diesem Sinne Ängstliche konzentrieren sich nicht auf die Situation beziehungsweise das Problem an sich, sondern fürchten sich vor den antizipierten, sprich angenommenen Folgen“, erklärt Professor Ulrike Ehlert, Leiterin der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Zürich, „sie sind sozusagen von dem Gedanken gefangen genommen ‚Ich schaffe das nicht!’ Und schon setzt sich die ganze negative Spirale in Gang. Sie haben Angst, zu versagen, erinnern sich aus dieser Angst heraus sofort an frühere Versagenssituationen statt an frühere Erfolge in vergleichbar schwierigen Situationen und dann sind sie blockiert und handlungsunfähig.“
Schon in der griechisch-römischen Antike war bekannt: Was Menschen aus der Bahn wirft, scheitern, in existenzielle Sackgassen geraten oder ganz und gar am Leben zerbrechen lässt, das ist ihr Denken. Der Philosoph Epiktet (50–140 n. Chr.) beispielsweise wies seine Zuhörer immer wieder darauf hin: Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern unsere Vorstellungen von den Dingen. Beobachten Sie sich in einer heiklen Situation, beispielsweise wenn irgendetwas Sie ängstigt, nicht Ihren Erwartungen entspricht oder sonst wie aus dem Ruder läuft, Sie werden das schnell bestätigt finden. Es macht einen ganz erheblichen Unterschied, ob Sie dann denken „Mein Gott, ich werde wahnsinnig, wie soll ich das in den Griff bekommen?“ Oder ob Sie sich sagen: „Na gut, mal sehen, wie das Problem/die Sache/die Situation in den Griff zu bekommen ist!“
Der Göttinger Hirnforscher Prof. Dr. Gerald Hüther bringt dazu die wohl wichtigste Erkenntnis der modernen Stressforschung auf den Punkt: „Es ist die subjektive Bewertung einer schwierigen Situation und nicht die objektive Gefahr oder Belastung, die ausschlaggebend dafür ist, welche Reaktionen zunächst im Gehirn und nachfolgend auch im Körper in Gang gesetzt werden. Schon die Vorstellung, ein Problem nicht bewältigen zu können führt dazu, dass man sich dem Geschehen resigniert überlässt. Dann schaltet das Gehirn auf ‚Notfall’, aktiviert das Stress-System und wirft die alten, einfachen Notfallprogramme an: Angriff, Flucht oder – wenn beides nicht geht – Erstarrung. Aber jeder, der in Gedanken noch einen Funken Zuversicht in sich trägt, bleibt von diesem fatalen Absturz in archaische Notfallreaktionen verschont. Dessen Körper und Gehirn wird nicht von Stresshormonen überschwemmt. Er behält so auch seine Fähigkeit nachzudenken und die betreffenden Probleme abwägend und überlegt anzugehen!“
Wie im Kopf mit den Aufgaben und Problemen umgegangen wird, vor die uns das Leben im Allgemeinen und Politik, Bürokratie und nicht zuletzt die geschäftlichen und menschlichen Wettbewerber im Besonderen stellen, das, und nur das, entscheidet wirklich über die Fähig- und Möglichkeiten, in einer Welt im permanenten Umbruch die Übersicht und mit ihr die berufliche Überlebensfähigkeit zu bewahren. Kurz, allen Widrigkeiten zum Trotz sowohl an den eigenen Vorstellungen wie auch den gegebenen Möglichkeiten orientiert aktiv, explorativ und zukunftsoffen zu bleiben. Es ist diese Einstellung im Kopf, die lähmen oder beflügeln kann. Zwischen zwei kleinen Wörtern, „Oh Gott!“ und „Pack mer‘s“, fällt die Entscheidung zwischen Resignieren oder Bewältigen, zwischen einem mutlosen, sich selbst immer mehr aufgebenden Leben im ununterbrochen abwehrenden Rückwärtsgang oder einem kraftvollen, zupackenden Richtung Zukunft!
Entscheidende Self-fullfilling Prophecy
Bestes Beispiel dafür ist die tragische Geschichte eines kalifornischen Eisenbahnarbeiters, die ihren festen Platz in der psychologischen Fachliteratur hat: Der Mann wurde beauftragt, Fracht in einem Kühlcontainer zu kontrollieren. Plötzlich schlossen sich wie und warum auch immer die Türen. Er war gefangen. Am Schichtende fand man ihn tot im Container. An den Wänden stand: „Niemand hat meine Hilferufe gehört. Meine Hände und Füße werden immer kälter. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte.“
Das offenbart: Der Mann hatte sich aufgegeben, resigniert. Diese innere Kapitulation war sein Todesurteil! Nicht die äußeren Umstände. Der Container stand wegen eines defekten Kühlaggregats ausrangiert auf einem Nebengleis. Draußen zeigte das Thermometer freundliche kalifornische Temperaturen. Im Container war es zwar kühler, aber keineswegs eisig. Es fehlte auch nicht an Sauerstoff. Die Umstände konnten den Mann nie und nimmer umbringen. Das erledigte er selbst. Er starb an seiner Vorstellung, verloren zu sein, erfrieren zu müssen. Psychologen nennen das Self-fulfilling Prophecy, sich selbst erfüllende Annahme!
Der Stuttgarter Personalentwickler und Laufbahnberater Stefan Müller steuert dazu ein ganz aktuelles Beispiel bei: Er wird von Führungskräften in der Situation einer (nicht unbedingt freiwilligen) beruflichen Neuorientierung mit schöner Regelmäßigkeit gefragt, ob man mit über 50 Jahren überhaupt noch Chancen am Arbeitsmarkt hätte. Und er macht dabei die Feststellung, dass nicht wenige insgeheim auf ein „Nein“ hoffen, um gleich resignieren „zu dürfen“. Seine Antwort: Wer sein Alter thematisiert und vor allem problematisiert, wird in Kontakt- und Vorstellungsgesprächen sämtliche Vorurteile hinsichtlich des Lebensalters (als Scheinargument für ganz andere Entscheidungskriterien) bedienen. Oder anders gesagt: Wer selbst ein Problem mit seinem Alter hat, wird das Denken des Gesprächspartners dementsprechend beeinflussen.
Besonders intensiv hat der amerikanische Psychologieprofessor Mihaly Csikszentmihalyi die schicksalformende Macht menschlichen Denkens erforscht. Seine Erkenntnisse lauten:
  • Alles, was wir erleben, wird im Bewusstsein als Information dargestellt. Können wir diese Informationen kontrollieren, können wir bestimmen, wie wir uns fühlen. Freude am und Offenheit gegenüber dem Leben hängt letztlich davon ab, wie der Verstand die tagtäglichen Erfahrungen filtert und deutet.
  • Ein Mensch kann sich glücklich oder unglücklich machen, unabhängig davon was tatsächlich ‚draußen‘ geschieht, indem er sein Denken verändert. Immer wieder trifft man auf Menschen, die durch die Kraft ihres Denkens eine schwierige Situation bewältigen.
  • Diese Fähigkeit, allen Hindernissen, Rückschlägen, Unsicherheiten und Unberechenbarkeiten zum Trotz nicht zu resignieren, ist die wichtigste Voraussetzung nicht nur für das geschäftliche und/oder berufliche Leben in einer Welt mit schwankendem Boden, sondern auch für die Lebensfreude. Und aus der erwächst der Mut zu neuen Taten und unverdrossenem Aufbruch.
Den Film im rechten Moment anhalten
Und so impft Dr. Verena Steiner ihren Klienten immer wieder ein: „Gedanken können Mut- und Energielieferanten sein oder beides in einem Menschen auslöschen. Ihr Denken beeinflusst maßgeblich Ihre Stimmung, Ihre innere Spannkraft und damit Ihre Handlungsfähigkeit. Ob Sie voller Energie fest im Leben stehen oder sich als hilfloser Spielball der Ereignisse fühlen, entscheiden ganz allein Sie durch das, was Ihnen durch den Kopf geht. Oder besser: Durch das, was Sie durch Ihren Kopf gehen lassen! Sie haben in jedem Augenblick Ihres Lebens die Wahl, ob Sie sich einer schlechten Stimmung hingeben oder ob Sie mit Zukunftsmut ans Werk gehen.“ Und, setzt die Expertin für bessere Denk-, Lern- und Arbeitsstrategien hinzu, die nach Tätigkeiten an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und einer Gastprofessur in Wien als Beraterin in Zürich arbeitet, „es zahlt sich aus, die Vorgänge im Kopf nicht einfach in den eingefahrenen kontraproduktiven Bahnen weiterlaufen zu lassen! Schwarze Gedanken sind der sicherste Garant für eine schwarze Zukunft. Machen Sie sich das bewusst!“

Bücher zum Thema

Gerald Hüther: Biologie der Angst – Wie aus Streß Gefühle werden. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2004
Verena Steiner: Energiekompetenz – Produktiver denken, wirkungsvoller arbeiten, entspannter leben. Eine Anleitung für Vielbeschäftigte, für Kopfarbeit und Management. Pendo Verlag, Zürich 2005
Frederic F. Flach: In der Krise kommt die Kraft – Das Geheimnis unserer seelischen Ressourcen. Herder, Freiburg 2005
Jürgen Kriz: Lebenswelten im Umbruch – Zwischen Chaos und Ordnung. Picus Verlag, Wien 2004
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