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Industrie 4.0: Digitale Revolution in Südostasien

Industrie 4.0
Digitale Revolution in Südostasien

Der Stadtstaat Singapur führt das Ranking beim Asian Digital Transformation Index an, während sich Malaysia weitgehend noch auf dem Stand von Industrie 2.0 befindet. Beide Länder unternehmen große Anstrengungen, um sich eine führende Rolle in der digitalen Revolution zu sichern.

Die globale Industrie steht im Zuge der Digitalisierung und Industrie 4.0 vor gewaltigen Aufgaben, Umwälzungen, Chancen und Herausforderungen. Auch die Länder in Asien und Südostasien müssen sich diesen Herausforderungen stellen, um im globalen Wettbewerb mithalten zu können. Viele Länder in Südostasien befinden sich derzeit allerdings noch auf dem Niveau von Industrie 2.0 – also der Akkord- und Fließbandarbeit. Es gibt aber auch Ausnahmen wie Singapur, das das Ranking beim Asian Digital Transformation Index (ADTI) der The Economist Intelligence Unit (EIU), noch vor Südkorea, Japan und Hong Kong anführt. Malaysia befindet sich hier auf dem sechsten Platz, danach China, Thailand auf dem achten sowie die Philippinen auf dem zehnten und Indonesien auf dem elften Platz. Der ADTI rankt insgesamt elf asiatische Länder und drei Vergleichsländer (Australien, GB und USA) unter Verwendung von 20 Indikatoren und drei Schlüsselkategorien, die für die Geschäftsperformanz relevant sind.

Singapur führt digitale Transformation an

Laut der Autoren der EIU besitzt Singapur – wie auch Südkorea, Japan, Hong Kong und Taiwan – bereits eine fortschrittliche digitale Infrastruktur, die eine digitale Transformation im Rahmen von Industrie 4.0 überhaupt erst ermöglicht. Der Stadtstaat hat zudem eine Reihe von unterstützenden und koordinierten Regierungsstrategien zugunsten von Infrastrukturentwicklung, geschäftlicher Anwendung von Technologie und Unternehmertum eingeführt. Generell führt in vielen Ländern weltweit die Finanzindustrie die digitale Transformation an, gefolgt von der Fertigung. Laut des Berichts „Connecting Capabilities – The Asian Digital Transformation Index“ hinkt die Logistikindustrie meist hinterher, wird aufgrund sinkender Margen wahrscheinlich aber schnell aufschließen. Weltweit wird die digitale Transformation laut Michael Wade, Professor für Innovation und Strategie an der schweizer Wirtschaftsschule IMD, als IT-Thema missverstanden. „Digitale Transformation ist aber die Transformation des Unternehmens- und Geschäftsmodells auf Basis von Technologien“, erklärt Wade. Daraus können viele neue disruptive Geschäftsmodelle bzw. Gamechanger entstehen, die die jeweiligen Märkte komplett verändern. Neben der Infrastruktur führen Singapur und Japan im Bereich strategischer digitaler Partnerschaften. 60 Prozent aller Befragten im Bericht gehen davon aus, dass in nur drei Jahren fast alle Industriebereiche digital „zerissen“ wurden. Digitale strategische Partnerschaften werden hier zu einer Überlebensstrategie. „Innovation, Kollaboration und die gemeinsame Entwicklung von Produkten mit anderen Unternehmen und Kunden werden zum Schlüssel im Überlebenskampf“, erklärt Dr. C.T. Liu, Vizepräsident des Industrial Technology Research Institute in Taiwan. „Generell passt sich Singapur schneller technischen Entwicklungen an, aber weniger entwickelte Länder wie Indonesien und die Philippinen holen schnell auf“, meint Mike Usher, Leiter der Abteilung Information Risk and Privacy, bei der Prudential Corporation Asia in Malaysia.

WEF analysiert 100 Länder

Der Stadtstaat befindet sich auch unter den 25 Ländern, die laut eines neuen Berichts des World Economic Forum (WEF) am besten positioniert sind, um von fortgeschrittener Fertigungstechnologie und Smart Factories zu profitieren. Der Bericht „Readiness for the Future of Production“ (2018) analysiert 100 Länder und Wirtschaften weltweit vor dem Hintergrund von Industrie 4.0 und dem rasanten Aufstieg von neuen Fertigungstechnologien. Gleichzeitig liegt die Republik Singapur auf dem zweiten Platz im Ranking (Malaysia Platz 22) „drivers of production“ hinter den USA, bei dem Schlüsselfaktoren gewertet werden, die dem jeweiligen Land ermöglichen, von Industrie 4.0 zu profitieren. Beim Ranking „structure of production“, bei dem die Größe und Komplexität des Fertigungsbereichs gemessen wird“, erreicht der Staat Platz 11 (Malaysia 20). Gemäß des Berichts können die führenden Länder, die rasch die Transformation zu Industrie 4.0 einleiten, gravierend davon profitieren. Diese Länder liegen an der Spitze bei der Entwicklung, Testen und Vorbereiten von Zukunftstechnologien.

Digital Capability Center (DCC) Singapur

Singapur besitzt z. B. ein Digital Capability Center (DCC) der Beratungsfirma McKinsey in Partnerschaft mit dem Advanced Remanufacturing and Technology Centre (ARTC), das genau diese Funktionen übernimmt und mit 250 Spitzenunternehmen zusammenarbeitet. Außer im Stadtstaat existieren bisher DCCs in Achen, Chicago, Venedig und Peking. McKinsey will das Netzwerk zukünftig ausweiten. „Viele Unternehmen denken über Industrie 4.0 nach, fahren sich aber fest, wenn es um die Implementierung geht. Das DCC hilft Unternehmen den realen Zusatznutzen der digitalen Produktion zu erkennen“, sagt Christoph Schmitz, Senior Partner bei McKinsey. Er fügt an: „Industrie 4.0 bedeutet beides, eine große Herausforderung als auch Chancen für die Wirtschaft. Das DCC wurde ersonnen, um Unternehmen zu zeigen, was Industrie 4.0 in der Praxis bedeutet und wie die digitale Transformation erfolgreich durchgeführt werden kann.“ Das ARTC ist dabei eine Smart Modellfabrik mit Industrieunternehmen aufzubauen, um experimentelles Lernen zu ermöglichen und zukünftige Fertigungstechnologien anhand von realen Anwendungen aus der Produktion und Refabrikation zu entwickeln. Dabei sollen drei Hauptkomponenten zusammenkommen: Smarte Fertigung, Digitale Konnektivität (Intelligent System and Connectivity) und Virtuelle Ermöglichung (Virtual Manufacturing). Daran beteiligt sind neben amerikanischen, japanischen und Singapurer Unternehmen auch Siemens, SKF, TÜV Süd und Zeiss.

Beim Einsatz von Industrie 4.0-Lösungen liegen gemäß Gtai die Branchen mit hohen Präzisionsansprüchen vorne. In Singapur sind dies vor allem die Elektronikindustrie, die Flugzeug- und Medizintechnik, aber auch die Lebensmittel- und Getränkebranche sowie die Metallverarbeitung und Präzisionstechnik. Das Economic Development Board (EDB) verweist bei der Frage nach einer lokalen Firma gerne auf den Präzisionsformen-Hersteller Meiban. Das Unternehmen ist dabei, alle Opertionen im Rahmen des iSmart Factory Project zu digitalisieren, wodurch eine „intelligente“ Planung, Produktion, Qualitätskontrolle sowie Logistik eingeführt werden soll.

Malaysia noch auf dem Niveau Industrie 2.0

Auch Malaysia befindet größtenteils noch auf dem Niveau von Industrie 2.0, auch wenn es einige wenige Ausnahmen in den Industriezentren in Kuala Lumpur und Penang gibt. Potenzielle Anwender von Industrie 4.0 sind in Malaysia multinationale Unternehmen oder lokale Firmen, die für internationale Kunden produzieren. Laut Jim Cook, Vizepräsident Industries and Digital Leadership bei SAP Southeast Asia, sind es zum einen Hersteller, deren Kunden erwarten, dass Dienste digital erbracht werden. „Ein gutes Beispiel ist Nissan, das zu einem digitalen Unternehmen geworden ist. Dessen Geschäftsmodell erfordert es nun, dass Zulieferer ebenfalls digitalisieren, damit die gesamte Lieferkette einheitlich ist“, erklärt Cook. Zum anderen sind es Töchter multinationaler Konzerne, die den Vorgaben aus dem Mutterhaus folgen und ihr Geschäftsmodell digitalisieren, um Produktivität und Betriebseffizienz zu steigern. Als dritte Gruppe nennt Cook lokale Unternehmen, die ambitionierte Pläne haben, um auf ausländischen Märkten wettbewerbsfähig zu sein (Quelle: Gtai). Bei malayischen Firmen ist häufig aufgrund von Unkenntnis und Sicherheitsbedenken eine abwartende Haltung zu beobachten. Wie vielerorts wissen mittelständische Unternehmen nicht, wo sie mit der Digitalisierung ansetzen sollen und welche Chancen sie bringen kann.

Malaysia will führende Rolle sichern

Das südostasiatische Land besitzt eine staatliche Förderagentur, die Malaysia Digital Economy Corporation (MDEC), die die Transformation der Industrie fördern und lenken soll. Neben der Förderung der Ausbildung von qualifiziertem Personal, will die Agentur die „führende Rolle Malaysias in der digitalen Revolution sichern und eine lebendige digitale Wirtschaft aufbauen.“ Dazu wählt MDEC zusammen mit dem Industrieverband Federation of Malaysian Manufacturers Firmen aus, die sie gezielt bei ihrer Automatisierung und Digitalisierung unterstützen. Im Rahmen des Malaysia Digital Economy Forum mit dem Thema „Transformation von Geschäftswelt und Gesellschaft durch E-Commerce“ am 8. Februar 2018 in Kuala Lumpur sagte der internationale Handels- und Industrieminister YB Dato’ Sri Mustapa Mohamed, dass die Digitale Wirtschaft in Malaysia in den letzten Jahren ein exponentiales Wachstum erlebt hat. In 2016 hatte sie einen Anteil von 18.2 Prozent am BIP. Ebenso in 2016 wurde der Leitplan E-Commerce eingeführt, der das Wachstum des E-Commerce-Bereichs im Land bis 2020 verdoppeln und den Anteil am BIP auf 211 Milliarden Malayische Ringit (44 Milliarden Euro) anheben soll. Zudem eröffnete der Premierminister von Malaysia Najib Razak zusammen mit dem Gründer der Alibaba Group Jack Ma im März 2017 die weltweit erste Digital Free Trade Zone (DFTZ) im Lande.


Dirk Ruppik,

freier Journalist

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