Startseite » Allgemein »

Digitalisierung verkürzt Innovationszyklen

Dr. Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender Deutsche Messe
Digitalisierung verkürzt Innovationszyklen

Dr. Jochen Köckler, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Messe AG, über das erstmals stattfindende Messedoppel Hannover Messe und Cemat. Die Leistungsschau in Hannover hat sich als die Innovationsplattform für das Zukunftsthema Industrie 4.0 positioniert. Vernetzung und Zusammenarbeit sind in diesem Jahr das bestimmende Thema.

Beschaffung aktuell: Sehen Sie mit der Hinzunahme der Cemat eine dringende Mission erfüllt, das Hannover-Messe-Areal auch in den geraden Jahren komplett zu belegen?

Dr. Jochen Köckler: Oberste Maxime ist es, die Anforderungen unserer Kunden zu erfüllen. Dies geschah auch vor 14 Jahren, als die Intralogistikbranche entschieden hat, mit der Cemat eine von der Hannover Messe eigenständige Messe zu veranstalten. Seit sich die Märkte derart schnell verändern und Branchengrenzen verschwinden, war es aus unserer Sicht jetzt ein Glück, für die Cemat ein freies Areal zu haben. In direkter Nähe zur Hannover Messe ergänzen sich beide Bereiche jetzt aber hervorragend, zumal das Zusammenspiel die Position stärkt.

Beschaffung aktuell: Bedeutet ein volles Areal zur Hannover Messe in den geraden Jahren auch das Ende der Zyklizität, der Messegesellschaften ausgeliefert sind?

Dr. Köckler: Dem Gesamtunternehmen bleiben die Schwankungen sicher erhalten, weil wir auch Großereignisse wie die Werkzeugmaschinenmesse EMO nur zweimal in sechs Jahren hier haben. Aber wir arbeiten mit voller Kraft daran, in geraden Jahren keine Verluste mehr zu schreiben. Deshalb streben wir für 2018 auch die schwarze Null an. Da ist es hilfreich, in jedem Jahr eine starke Hannover Messe zu veranstalten.

Beschaffung aktuell: Die vormals eigenständigen Fachmessen Motion Drive & Automation und die Industrial Automation sind jetzt unter dem Namen IAMD fusioniert. Sind alle Beteiligten damit zufrieden?

Dr. Köckler: Das läuft sehr gut an. Ganz pragmatisch werden die neuen jährlichen Aussteller in der Doppelhalle 22/23 vertreten sein. Dieser inzwischen ausgebuchte Hallenkomplex hat die Funktion, beide Themen jedes Jahr zu verbinden. Gleichwohl erlaubt es die Hallenbelegung, dass die IAMD ein Stück weit atmen kann. Unternehmen wie etwa Schaeffler präsentieren dort im geraden Jahr ihre neuen Technologien für Industrie 4.0, während sie im ungeraden Jahr mit einem umfassenden Angebot aufwarten. Gerade die führenden Technologieunternehmen wollen sich tendenziell jährlich auf der Hannover Messe präsentieren. So wird Bosch in diesem Jahr erstmals mit einem Konzernstand vertreten sein. Da die Digitalisierung die Innovationszyklen zunehmend verkürzt, wollen die Unternehmen ihre Innovationen in kürzeren Abständen zeigen.

Beschaffung aktuell: Stellen in den Hallen 22/23 nur Firmen der vormaligen MDA aus?

Dr. Köckler: Dort sind Aussteller aus dem bislang zweijährlichen Antriebs- und Fluidbereich präsent, die nun in der IAMD auch vernetzte Produkte zeigen. Hier liegen wir bei der Ausstellungsfläche deutlich über den Erwartungen. Aber immer gilt, dass wir uns als Veranstalter mit den Branchen und Themen bewegen. Grundsätzlich sollte man hinsichtlich der Hallenkonstellationen immer in Themen denken. Nachbarschaften sind zwar wichtig, dennoch müssen wir wegen der dynamischen Marktentwicklung die Hallenstruktur flexibel halten.

Beschaffung aktuell: Es wird also dieses Jahr eine eher kleinere IAMD stattfinden und 2019 eine größere?

Dr. Köckler: Ja, wie gesagt, wird die IAMD atmen. Aber auch der bisherige Industrial-Automation-Bereich kann erfreuliche Zuwächse verzeichnen, zum Beispiel mit Yaskawa, Kuka oder Schunk, die traditionell nur in den ungeraden Jahren auf der Hannover Messe vertreten waren. Vor fünf Jahren konnten wir davon nur träumen.

Beschaffung aktuell: Ist das Gelände in diesem Jahr komplett gefüllt, oder gibt es noch freie Flächen?

Dr. Köckler: Von den insgesamt 25 Hallen unseres Messegeländes ist genau Halle 25 nicht belegt. Da jedoch besonders die Digital Factory und IAMD Zuwächse bei den Ausstellern verzeichnen, wird die klassische Hannover Messe 2018 größer sein als die sehr erfolgreiche Messe vor zwei Jahren.

Beschaffung aktuell: Das diesjährige Leitthema lautet „Integrated Industry – Connect & Collaborate“. Können Sie uns den Slogen näher erläutern?

Dr. Köckler: Vernetzung und Zusammenarbeit werden das bestimmende Thema der Hannover Messe 2018 sein. Deshalb haben wir dieses Leitthema gewählt. Die Vernetzung hebt Industrie 4.0 auf die nächste Stufe und schafft neue Formen des Wirtschaftens und der Kommunikation. Auch die führenden Aussteller legen ihren Hauptfokus darauf, die Vernetzung der Disziplinen weiter voranzutreiben. Diese Chance nutzen sie auf der Hannover Messe.

Beschaffung aktuell: Es heißt, die digitale Transformation sei nicht mit Technologien zu gewinnen, sondern nur, wenn man seine Geschäftsmodelle versteht. Messen zeigen aber in erster Linie Produkte. Muss sich deshalb nicht auch die Messe darauf einstellen?

Dr. Köckler: Es ist die Aufgabe der Aussteller, das möglichst pfiffig darzustellen. Der Stand von Siemens etwa wird eine Cloud in Form der Industrie-4.0-Plattform MindSphere zeigen und der Auftritt von SEW-Eurodrive eine reale moderne Fabrikszene abbilden. Hier wird die Veränderung weiter fortschreiten. Eine Hannover Messe zeichnet sich aus durch den Dreiklang von Innovation, Internationalität, Business auf der einen Seite sowie Industrie, Energie und Logistik auf der anderen. Das ist unser Angebot, das Besucher aus aller Welt nutzen. Menschen werden weiterhin auf Messen gehen, obwohl sie sich zuvor auf YouTube, Hersteller-Websites oder in sozialen Kanälen informiert haben. Unsere Aufgabe wird es sein, den Marktplatz so zu kreieren, um die auf Beton gründende physische Reichweite nachhaltig mit einer digitalen Reichweite zu verlängern. Hier wird mit Sicherheit noch viel Bewegung sein.

Beschaffung aktuell: Was macht das Transformationsthema mit der Messe selbst?

Dr. Köckler: Die Messe ist eine Lösungsmesse. Gerade bei einer Hannover Messe wird sich die Verweildauer auf den Ständen eher noch erhöhen. Ein internationaler Besucher, der ohnehin drei Tage bleiben dürfte, wird auf einer ausgebuchten Großmesse viele spannende Themen entdecken. Wir müssen aber darauf achten, dass sich auch der Tagesbesucher gut zurechtfindet. Aber wie die Fabrik digitaler wird, wird sich auch die Messe digitalisieren: im Vorfeld der Kommunikation, während des Messebesuchs und auch in der Nachverwertung, um mit potenziellen Kunden in Kontakt zu bleiben. Deshalb investieren wir auch viel in WLAN-Strukturen.

Beschaffung aktuell: Wie viele Aussteller geben Industrie 4.0 als Nomenklatur-Begriff an?

Dr. Köckler: Gibt man auf unserer Homepage unter Produkte den Begriff Industrie 4.0 ein, weist die Suchmaschine mehr als 9000 Treffer aus, die im Zusammenhang mit dem Thema stehen. In diesem Jahr wird es mehr als 500 Anwendungsbeispiele zu diesem Thema geben. Überdies werden mehr als 30 internationale Veranstaltungen stattfinden.

Beschaffung aktuell: Welche Möglichkeiten haben Besucher, sich gezielt über Industrie-4.0-Lösungen zu informieren?

Dr. Köckler: Eine grundsätzliche Orientierung verschafft unser Industrie-4.0-Online-Guide, der die relevanten Lösungen, die sich auf dem gesamten Messegelände befinden, im Überblick versammelt. Für die Themen Automation und IT rollen wir wieder den roten Teppich aus. Die Red Carpet Roud bietet den Besuchern eine optimale Tour durch die Hallen sechs bis zwölf sowie 14 bis 17 zu Innovationen aus IAMD und Digital Factory.

Beschaffung aktuell: Mexiko ist das diesjährige Partnerland der Hannover Messe. Sind Sie als Veranstalter auch dort präsent?

Dr. Köckler: Seit drei Jahren haben wir in Mexiko eine Tochtergesellschaft, die zwei Messen im Holzbearbeitungsbereich und der Möbelproduktion veranstaltet. Mexiko selbst hat früh erkannt, die Hannover Messe als Plattform zu nutzen.

Beschaffung aktuell: Wodurch wird sich das Partnerland auf der Hannover Messe hervorheben?

Dr. Köckler: Mexiko ist größter deutscher Handelspartner in Lateinamerika und mit über 100 Millionen Einwohnern sehr relevant. Spannend ist auch die Tatsache, dass die weltweit größte Volkswirtschaft der nördliche Nachbar ist. Mexiko war viele Jahre dessen verlängerte Werkbank. Durch die veränderte Grundstimmung in den USA hat Mexiko mehr denn je den Bedarf, sich auf einer Weltbühne zu platzieren. Auf der Hannover Messe wird das Land verstärkt um Investitionen in Mexiko werben. Das Partnerland hat zudem viele Innovationen für die Industrie 4.0 zu bieten und wird konkrete Lösungen in den Bereichen Automatisierungs-, Energie- und Umwelttechniken zeigen. Der Zentralstand befindet sich in Halle 27, zahlreiche Pavillons in den einzelnen Fachmessen. Mexiko schlägt klar mit Spitzentechnologie hier auf.

Beschaffung aktuell: Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Köckler.

Das Gespräch führte Dietmar Kieser,

Redakteur Beschaffung aktuell


Der Mann

Dr. Jochen Köckler

Dr. Jochen Köckler ist Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Messe AG in Hannover. Der 48-Jährige wurde 2012 in den Vorstand des Unternehmens berufen und übernahm den Vorsitz zum 1. Juli 2017. Sein Ressort umfasst die zwei Bereiche „Industry, Energy, Logistics“ mit den entsprechenden Messen darin, „Digital Business & Transformation“ sowie die Stabsabteilungen Gastmessen, Gast-Events & Neue Messen, Personal, Revision, Protokoll und das Strategische Programm-Management. Köckler verantwortet darüber hinaus die Unternehmenstöchter Deutsche Messe Inter- active (DMI), Event it, Elektro Messehaus
Hannover GmbH, die Messe Energie GmbH, die Deutsche Messe Technology Academy GmbH und die Deutsche Messe Beteiligungsgesellschaft (DMB).

Von Mitte der 90er-Jahre war Dr. Jochen
Köckler Mitarbeiter am Institut für Agrarpolitik und Volkswirtschaftslehre der Universität Bonn, wo er auch promovierte.


Eine Hannover Messe zeichnet sich aus durch den Dreiklang von Innovation, Internationalität, Business auf der einen
Seite sowie Industrie, Energie und Logistik auf der anderen. Das ist unser Angebot, das Besucher aus aller Welt nutzen.“


Das diesjährige Partnerland Mexiko hat viele Innovationen für die Industrie 4.0 zu bieten und wird konkrete Lösungen
in den Bereichen Automatisierungs-, Energie- und Umwelttechniken zeigen.“

Unsere Whitepaper-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 3
Ausgabe
3.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de