Startseite » Allgemein »

Drei Tragsäulen des modernen Einkaufs

Anspruchsvolle Ziele im strategischen Einkauf erreichen
Drei Tragsäulen des modernen Einkaufs

Drei Tragsäulen des modernen Einkaufs
Matthias Großmann Seminare (MGS), 67480 Edenkoben, Tel & Fax 0 63 23 / 45 93
„Endlich ist das Gespräch mit diesem unangenehmen Zeitgenossen vorbei. Teilweise aggressiv und polemisch wurde verhandelt, alle Register gezogen und doch kein Erfolg. Wieder konnte er eigentlich mehr seine Ziele als ich meine durchsetzen“, denkt so mancher Einkäufer nach einer harten Verhandlungsrunde mit einem schwierigen Lieferanten.

Matthias Großmann

Doch wurden wirklich alle Register gezogen, um den besten Marktpreis zu erzielen? Oder lief es nicht so ab wie es in einem Großteil der Betriebe noch üblich ist, nämlich nur im Verhandlungsgespräch zu versuchen die Einkaufspreise zu senken oder einen höheren Bonus zu vereinbaren?
Dabei gibt es eine Reihe weiterer Möglichkeiten die Preise zu reduzieren. Angefangen bei wirksamen Einkaufstechniken, über das richtige psychologische Geschick in der Verhandlung, bis hin zu der bisher kaum genutzten Ressource Selbstmanagement. Gerade letzteres hat seit einigen Jahren Einzug in so manches Topmanagement gefunden, um beispielsweise Verhandlungen auf höchstem Niveau vorzubereiten oder die richtigen Entscheidungen zu treffen. Doch beginnen wir bei der ersten Tragsäule:
Tragsäule: Einkaufstechniken
Haben Sie beispielsweise schon etwas über „First-in-Purchasing“ gehört? Übersetzt könnte das etwa lauten: Den besten Lieferanten vom ersten Augenblick an haben.
Wie sieht denn die Praxis aus? Läuft es nicht meistens so ab, daß erstmal von der Entwicklungsabteilung ein Lieferant bestimmt wird, mit dem man gut zusammenarbeiten kann. Erst später, wenn das Teil bereits in Serie läuft, wird nach einem günstigeren Lieferanten gesucht. Vielleicht auch deswegen, weil der Verkauf sich nun meldet und über zu hohe Herstellungskosten klagt, die einen wettbewerbsfähigen Verkaufspreis unmöglich machen. Jetzt geht es los. Können wir den aktuellen Lieferanten im Preis drücken oder sind wir gezwungen schnellstens einen Zweitlieferanten aufzubauen? In den meisten Fällen ist es notwendig zu wechseln, denn der jetzige Zulieferer weiß natürlich um seine Machtposition und sieht dementsprechend keine wesentlichen Möglichkeiten zur Kosteneinsparung. Ist der Zweitlieferant gefunden und liefert dieser endlich nach einem Jahr Aufbauzeit, hat das Unternehmen bis dahin nicht nur einen zu hohen Stückpreis gezahlt, sondern auch doppelte Werkzeug- und Entwicklungskosten.
Und was passiert, wenn nach zwei Jahren der Verkauf meldet, die Einkaufspreise seien immer noch zu hoch, denn die Konkurrenz kann günstiger anbieten als wir?
Fangen wir dann das Spiel von vorne an, bis wir irgendwann einmal den besten und günstigsten Lieferanten gefunden haben? Ziel sollte daher sein, von Anfang an den besten Lieferanten zu haben. Das spart neben Kosten auch Zeit, denn der Einkäufer kann sich auf andere Dinge konzentrieren.
Wie findet man von Anfang an den Lieferanten mit niedrigem Preis bei gleichzeitig guter Qualität und vorbildlichem Service? Zum Beispiel durch Global Sourcing. Da nicht jeder Einkäufer für seine Produktpalette weltweit anfragen kann, sollte er sich diese Aufgabe mit seinen Kollegen teilen. Die organisierte Vorgehensweise des „First-in-Purchasing“ könnte vereinfacht wie im Diagramm aussehen:
Nachdem die erste Zeichnung aus der Konstruktion vorliegt, übergibt der Techniker diese an den zuständigen Einkäufer, nehmen wir an Einkäufer A. Dieser bereitet die Anfrage entsprechend vor und leitet die Daten an seine Kollegen weiter. Jetzt fragen alle vier Einkäufer auf ihrem Einzugsgebiet das Produkt von Einkäufer A an und übermitteln ihm dann die besten Angebote. Einkäufer A erstellt daraufhin ein Angebotsvergleich und präsentiert es auf einer gemeinsamen Sitzung, an der neben dem Einkauf auch Vertreter von Entwicklung und Qualitätssicherung teilnehmen. Gemeinsam wird der beste Lieferant ausgewählt.
Wurde so der beste Lieferant von Anfang an gefunden, sollte natürlich jetzt im Verhandlungsgespräch der angebotene Preis auf sein Optimum gebracht werden, zum Beispiel durch Vereinbarung eines Langzeitvertrages.
Erhält nämlich der Lieferant die Möglichkeit über einen längeren Zeitraum liefern zu können, kann er seine Produktionsanlagen von Anfang an optimal ausstatten, und somit günstiger produzieren. Als Gegenleistung für das langfristige Geschäft sollte es dem Einkäufer möglich sein, zusätzlich eine jährliche Preisreduzierung von etwa 2-3 % mit dem Lieferanten vereinbaren zu können.
Das Besondere an der Vorgehensweise des „First-in-Purchasing“ ist, daß alle Einkäufer nach dem gleichen System handeln, was vom Vorgesetzten sehr gut zur Kontrolle genutzt werden kann. Schließlich ist es auch zur Motivationsförderung bestens geeignet, da jeder Einkäufer die erzielten Ergebnisse seiner Kollegen auf der gemeinsamen Sitzung erfährt und tunlichst daran interessiert ist, auch mit „seinen“ Lieferanten ins Geschäft kommen.
Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer Techniken zur Preisreduzierung, wie Verbesserung der Lieferantenbasis, die Einkaufspreisanalyse, Wertanalyse sowie die Prozeßoptimierung im Betrieb des Lieferanten.
Tragsäule: Verhandlungsführung
„Was sage ich, wenn der Kunde sagt…“ wird schon lange im Verkauf zur Vorbereitung von Gesprächen genutzt. Auch im Einkauf hat diese Vorgehensweise Einzug gefunden, nämlich „Was sage ich, wenn der Lieferant sagt…“. Sicherlich ist das eine wesentliche Vorarbeit, um mit Argumenten und Einwandbehandlungen für die Verhandlung gerüstet zu sein. Doch ist es oft nicht so, daß der andere trotz aller Argumente nicht will? Oder, daß wir ihn mit Argumenten „bombadieren“, er uns aber schon längst durch seine Mimik gezeigt hat, daß er „zugemacht“ hat?
Übrigens die „Vorschlaghammer-Methode“, wie sie im Einkauf gerne benutzt wird, hat dort ihre Grenzen, wo sich der Lieferant nicht einschüchtern läßt bzw selbst in der besseren Position ist. Es gibt auch andere Möglichkeiten.
Eine gute Kommunikation verlangt ersteinmal, daß wir den Typ unseres Gegenübers erkennen und uns dann auf diesen einschwingen können. Erst wenn wir den anderen „dort abholen, wo er steht“, ist er bereit sich für unsere Ideen zu öffnen, denn er fühlt sich angenommen und gewürdigt. Dies funktioniert durch Beobachten von Sprache, Atem und Augenbewegungen. (Anm.: Der Autor bietet Seminare an, in denen alle drei Tragsäulen trainiert werden)
Haben wir uns auf den Kommunikationstyp unseres Gegenübers eingelassen, dann sprechen wir die gleiche Sprache, wir sind auf einer Wellenlänge. Aus dieser Atmosphäre heraus ist ein optimales Gespräch möglich.
Kennen Sie die Karottenmethode nach Herzberg? Einen Esel mit Druck vorantreiben zu wollen funktioniert nicht: Er wird bockig und bewegt sich garnicht mehr. Druck erzeugt Gegendruck. Wie bringen wir ihn zum laufen? Indem wir ihm eine Karotte vor das Maul binden, auf die er nun fortwährend zuläuft, ohne sie erreichen zu können. Allerdings gibt es einen Haken: Wenn der Esel heute keinen Appetit auf Karotten hat, dann wird er auch nicht laufen. Wir müssen also zuerst einmal herausfinden, auf was er denn heute Appetit hat. Dann wird er freiwillig in die von uns gewünschte Richtung marschieren.
Auf die Verhandlung übertragen bedeutet das, daß wir im Gespräch ersteinmal herausfinden müssen, was das konkrete Ziel, das unbefriedigte Bedürfnis unseres Gegenübers ist. Dies erreichen wir durch eine spezielle Fragetechnik, das sogenannte „Meta-Modell-der-Sprache“. So wie im Verkauf versucht wird dem Kunden ein Produkt „schmackhaft“ zu machen, so kann auch der Einkäufer diese Technik nutzen, um den Lieferanten beispielsweise für einen gemeinsamen Work-shop zur Kostensenkung zu gewinnen (der dann natürlich zu einer Preisreduzierung führt). Dies nennt man positive Motivation oder auch Zielkombination.
Die Schritte der Zielkombination:
  • 1.Was ist mein Ziel?
  • 2.Durch Fragen herausfinden, was das Ziel des anderen ist.
  • 3.Beschreiben der beiden Ziele mit sinnesspezifischen Begriffen.
  • 4.Wie können beide Ziele erreicht werden?
  • 5.Formulierung des kombinierten Ziels.
Tragsäule: Selbstmanagement
Selbstmanagement – was ist das? Viele verbinden damit nur die eigene Arbeitsorganisation. Doch es steckt wesentlich mehr hinter diesem Begriff.
Warum ist beispielsweise der eine Einkäufer im Verhandlungsgespräch gut vorbereitet und meistert souverän die gesteckten Ziele, während der andere nervös und verunsichert sich die Zügel aus der Hand nehmen läßt? Der Unterschied liegt in der mentalen Vorbereitung.
Im Hochleistungssport ist Mentaltraining schon lange bekannt und es gibt kaum einen Spitzensportler, der es ohne die Kraft der Gedanken bis zum Gipfel geschafft hätte. Dazu gehört das Genie im 400-m-Hürdenlauf Edwin Moses ebenso wie der legendäre vielfache Weltmeister im Eiskunstlauf Oleg Protopopow. Es steht außer Zweifel, daß die mentale Form des Sportlers seinen Erfolg genauso mitbestimmt, wie körperliche Fitneß und technische Fertigkeiten. Das haben zahlreiche Untersuchungen eindeutig belegt.
Wie läßt sich das mentale Training für den Einkäufer nutzen? Natürlich genauso. Das haben einige Topmanager schon erkannt und nutzen dies, um sich innerlich beispielsweise auf eine kommende Rede oder ein Verhandlungsgespräch vorzubereiten. Die Technik liegt darin, das zukünftige Ereignis bereits in der Gegenwart mental, also in der Vorstellung, mit allen Sinnen zu durchleben. Dies hat den phänomenalen Effekt, daß wir dann in der entsprechenden Situation uns auch genauso verhalten. Und nicht nur das: Durch diese „Vorausschau“ fallen uns plötzlich mögliche Einwände des Gesprächspartners ein, die wir vorher noch nicht bedacht hatten – eine Vorbereitung bis ins Detail wird möglich.
Neben der systematischen Zielerreichung gibt es unter anderem auch die Möglichkeit, sich auf Erfolg zu „programmieren“. Jeder Einkäufer hat das schon erlebt: Anfangs läuft das Gespräch soweit gut, doch dann bekommt der Lieferant die Überhand. Die Argumente gehen aus. Zweifel und Unwohlsein steigen hoch und hindern uns daran souverän das Gespräch fortzuführen. Was tun?
Die Technik des „Anker-Setzens“ kann uns binnen einer Sekunde wieder in einen guten Zustand voller Kraft versetzen. Allerdings muß dieser Anker vor dem Gespräch bereits gesetzt worden sein. Der Auslöser ist dann nur noch die Berührung zweier Finger oder das Reiben eines Ohrläppchens, um uns blitzartig wieder in ein Gefühl der Ruhe, Gelassenheit und Selbstsicherheit zu führen.
Auch diese Technik benutzen viele Sportler, um sich beispielsweise vor einem Wettkampf die Nervosität oder Versagensangst zu nehmen.
Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 4
Ausgabe
4.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de