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Drum prüfe, wer sich bindet

Geheimhaltung
Drum prüfe, wer sich bindet

Der Einkauf arbeitet oft sehr eng mit Lieferanten zusammen. Es geht nicht nur um das Einkaufen an sich, als vielmehr eine intensive Zusammenarbeit, die auf sensiblen Informationen basiert. Deshalb sollte der Einkauf prüfen, ob er sich an einen Partner auch mit einer Geheimhaltungsvereinbarung bindet. Nicht nach Vertragsabschluss, sondern im Einzelfall schon beim ersten Kontakt.

Ob eine Geheimvereinbarung wohl sinnvoll ist? Immerhin könnte sich die Zusammenarbeit mit dem Lieferanten schwieriger und komplizierter gestalten. Wo bisher allenfalls knappe, schrift- liche Vereinbarungen genügten, wären dann viele, viele Seiten nötig, dazu Heerscharen von Rechtsanwälten und Beratern. Am Ende könnte sich die angestrebte Geheimhaltung ins Gegenteil verkehren, wenn schlafende Hunde geweckt werden. Der weitere Text behandelt auch diese Einwände.

Wenn weder das eigene Unternehmen noch die Einkäufer persönlich bisher negative Erfahrungen mit mangelnder Geheimhaltung gemacht haben, bzw. diese nicht bemerkten, stellt sich oft eine gewisse Arglosigkeit ein. Sicherlich kann im Falle jahrelanger vertraulicher Zusammenarbeit auf entsprechende Vereinbarungen verzichtet werden, dann handelt es sich allerdings um einen bewussten Akt, welche nicht aus Sorglosigkeit oder Nachlässigkeit begangen wurde, sondern bewusst getroffen wurde. Eine fundierte Entscheidung kann erst getroffen werden, wenn die möglichen Risiken bekannt sind. Ebenso kann auch der Lieferant betroffen sein, der sich über die Notwendigkeit der Geheimhaltung bisher keine Gedanken machte und arglos Dritte über die Zusammenarbeit informiert, welche die so erlangte Informationen gezielt zur Stärkung der eigenen Wettbewerbssituation einsetzen.
Private Informationen können jahre-, möglicherweise lebenslang geheim bleiben. Betreffen Informationen Unternehmen werden diese Betroffenen und Interessierten bekannt. Allerdings kommt dem Zeitpunkt eine große Bedeutung zu. Dabei beschränkt sich die Notwendigkeit der Geheimhaltung keineswegs auf Forschungs- und Entwicklungsprojekte, wo bei den Entscheidungsträgern meistens schon die notwendige Sensibilität vorhanden ist. Die folgenden Beispiele sind auch für Mittelständler relevant:
  • Das Betriebsgelände soll vergrößert werden. Über einen Dritten wäre eine angrenzende Brachfläche zu erwerben. Der Besitzer erfährt von der Absicht, der Preis verdoppelt sich.
  • Die bisherigen Produkte stehen vor einem gründlichen Facelift. Dies spricht sich in Kundenkreisen herum, der Absatz der aktuellen Produkte bricht ein, die Händler sind verärgert, da sie auf hohen Beständen sitzenbleiben.
  • Eine neue Produktionsanlage wird das bisher zugekaufte Zwischenprodukt nicht mehr benötigen. Der einzige Lieferant erfährt von den Plänen. Als seine Anlage ausfällt, weigert er sich umfangreiche Reparaturen vorzunehmen, da die Auslastung nur noch kurzfristig möglich ist. Nur als sich der Einkauf zur Bezahlung der Reparaturen verpflichtet, nimmt der Lieferant diese vor.
Es gibt eine Definition der Geheimhal-tungsvereinbarung mit externen Geschäftspartnern. Sie ist nicht mit Betriebsgeheimnissen zu verwechseln, die die eigenen Mitarbeiter betreffen. Deren Schutz ist ohnehin gesetzlich verankert. Das Bundesverwaltungsgericht definierte im Jahr 2005: Betriebs- und Geschäftsgeheim-nisse sind im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens stehende Umstände oder Vorgänge, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt, für Außenstehende aber wissenswert sind, die nach dem bekundeten Willen des Betriebs- oder Geschäftsinhabers geheim zu halten sind und deren Kenntnis durch Außenstehende dem Geheimnisschutzträger zu einem Nachteil gereichen kann.
Für das Wort „Geheimhaltungsvertrag“ werden verschiedene Synonyme wie Geheim-haltungserklärung, Geheimhaltungsvereinbarung, Vertraulichkeitsvereinbarung, Verschwiegenheitsvereinbarung, NDA (englisch: Non-Disclosure Agreement) oder CDA (englisch: Confidential Disclosure Agreement) verwandt. Es ist ein Vertrag, welcher das Stillschweigen über Verhandlungen, Verhandlungsergebnisse oder vertraulichen Unterlagen festschreibt. Der Verpflichtete stimmt zu, die ihm zugänglich gemachten Informationen geheim zu halten. Beim Geheimhaltungsvertrag besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit.
Die Frage ist, wer was geheim hält. In einem alten Volkslied wurde bereits festgestellt, dass die Gedanken frei sind und nicht erraten werden können. Die Konkretisierung der Gedanken bedarf allerdings eines Gegenübers. Überlegungen werden mit Dritten auf ihre Umsetzungsmöglichkeit geprüft, Kollegen um Einschätzungen gebeten, erste, unverbindliche Vertragsangebote eingeholt. Diese Informationen können weitergegeben werden, zum Schaden des Unternehmens, spätestens dann ist die Geheimhaltung sicherzustellen, wenn auch in abgestimmten Maße. Bei einem Gespräch mit einem persönlichen Freund wird die Bitte um Vertraulichkeit ausreichen, während beim formalen Vertragsabschluss mit einem Lieferanten die Geheimhaltung der relevanten Punkte Vertragsbestandteil sein sollte. Auch wenn erste, wage Kontakte mit vertrauten Partner aufgenommen werden, sind entsprechende Verträge noch nicht erforderlich. Anders verhält es sich dagegen mit bisher unbekannten Lieferanten.
Grundsätzlich ist eigenen Mitarbeitern die Weitergabe von Betriebsgeheimnissen verboten. Die Weitergabe geschieht eher unbedacht als bewusst. Den betroffenen Mitarbeitern ist die Bedeutung der Geheimhaltung aufzuzeigen. Interessierte Dritte gewinnen derartige Informationen gerne im informellen Rahmen, beispielsweise bei Gesprächen in Kollegenkreisen, auf Fachmessen oder Kongressen. Die Geheimhaltungsverpflichtung besteht nicht explizit für Bewerber, wohl aber für Mitarbeiter, welche aus dem eigenen Unternehmen ausscheiden. Bei Letzteren wird deshalb ein entsprechender Hinweis nicht schaden.
Vergleichbares gilt für Verwandte, Bekannte, Freunde und Berufskollegen, welche oft in einer frühen Phase der Entscheidungsfindung um eine Einschätzung gebeten werden.
Berater sind sich der Bedeutung der Geheimhaltung meistens bewusst, bei Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern ist diese ohnehin festgeschrieben. Die folgenden Gruppen sind bezüglich möglicher Geheimhaltung ebenfalls einer Analyse zu unterziehen:
  • Kunden, bisherige als auch neue, welche durch das Projekt gewonnen werden sollen.
  • Lieferanten, welche man oft frühzeitig einweihen muss. Unter diesen Begriff sind auch Partner einzubeziehen, die als Vermittler tätig sind, wie zum Beispiel Makler bei der Suche nach Käufern bzw. Verkäufern von Grundstücken.
  • Potenzielle Vertragspartner, also diejenigen welche eine Problemlösung anbieten und evtl. schon im Rahmen von Machbarkeitsstudien in einer sehr frühen Projektphase einbezogen werden.
  • Testpersonen, Testunternehmen, nicht nur wenn es zu einem konkreten Einsatz kommt, sondern bereits im Rahmen grundsätzlicher Gespräche über das Interesse an neu zu entwickelnden Problemlösungen.
  • Öffentlichkeit, auch Kommunen, wenn gewisse Handlungen zustimmungspflichtig sind, evtl. auch Vorabanfragen, bspw. für die Errichtung von Gebäuden oder die Nutzung von Grundstücken notwendig sind.
Die Geheimhaltung ist grundsätzlich gegenüber jedem Dritten einzuhalten. Der Weitergabe von Informationen ist im begründeten Einzelfall vorab zuzustimmen oder für eine Gruppe von Unterlieferanten generell festzulegen. In diesem Zusammenhang wird geprüft ob hier ebenfalls Geheimhaltungs-vereinbarungen zu treffen sind.
Mit wachsender Konkretisierung von Projekten erweitert sich der Kreis der Einbezogenen fast zwangläufig. Meistens ist die folgende Entwicklung festzustellen:
  • Interne Überlegungen. Hier sind meistens nur wenige Kollegen involviert, die um die Bedeutung der Entscheidungsfindung wissen.
  • Systematische Informationsgewinnung. Diese erfolgt teilweise anonym über öffentlich zugängliche Quellen. Werden dagegen Informationen im direkten Kontakt mit potenziellen Lieferanten gewonnen, stellt sich die Frage, welche Schlussfolgerungen für diese möglich sind und welche Nutzungsmöglichkeiten für sie bestehen. Mehr als eine mündliche Bitte um Vertraulichkeit ist zu diesem Zeitpunkt kaum sinnvoll.
  • Kontakt mit Leistungsanbietern. Werden verschiedene Anbieter angefragt, muss meistens zur Gewinnung belastbarer Angebote die gewünschte Leistung konkret beschrieben werden. Damit ist den Dritten zumindest die Zielrichtung klar. Vertraulichkeit sollte erbeten werden.
  • Vertragsabschluss. Hier liegen alle Details offen, die Geheimhaltung sollte Vertragsbestandteil sein.
  • Realisierung, Zusammenarbeit. Die Vertragspartner erarbeiten die Details gemeinsam. Im Einzelfall wird erst zu diesem Zeitpunkt die Notwendigkeit der Vertraulichkeit sichtbar. Wenn auch die Durchsetzung eines entsprechenden Vertragsbestandteils nicht mehr möglich ist, sollte dies bei einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit und der Erläuterung der Notwendigkeit möglich sein.
  • Umsetzung gegenüber Kunden/ Lieferanten. Drohen aus Sicht der externen Partner Verschlechterungen der Geschäftsbeziehung und werden Sublieferanten als Grund angegeben, kann eine unmittelbare Nachfrage bei diesen nur durch eine Geheimvereinbarung ausgeschlossen werden.
Inhalte und Form eines Geheimhaltungsvertrages könnten so aussehen: Die Einleitung dient dazu, den grundsätzlichen Vertragszweck zu definieren. Technische und juristische Details müssen hier nicht aufgeführt werden. Vielmehr wird in einigen Sätzen die grundsätzliche Absicht des Vertrages festgelegt. Dieser Einstieg kann später auch zur Klärung einzelner Punkte herangezogen werden, welche im weiteren Vertragswerk nicht explizit aufgeführt werden.
Nicht alle Einzelheiten können und müssen geheim gehalten werden. Deshalb beginnt die Definition mit dem Ausschluss offenkundiger Informationen. Weiterhin sollte festgelegt werden, welche Informationen nicht vom Vertrag umfasst werden. Dazu zählen allgemeine oder in Fachkreisen bekannte Informationen. Anschließend verpflichtet sich A alle Informationen die B bzw. beauftragten Personen bekannt werden, vertraulich zu behandeln. Dies gilt vor allem für Informationen über interne Belange des B. Vertrauliche Informationen sind nicht allein schriftlicher Art, sondern können auch mündlich sein. Vertrauliche Informationen dienen ausschließlich dem definierten Projektzweck.
In einem weiteren Punkt ist zu klären, wie die vertraulichen Informationen beim Lieferanten genutzt werden. Hier ist die Weitergabe der Informationen an Mitarbeiter oder externe Partner zu klären. Ebenfalls gilt es, die Informationsspeicherung und -löschung zu klären. Mit den modernen Kommunikations- und Datenverarbeitungstechniken ist eine fast unbegrenzte Speicherung großer Datenmengen möglich. Das früher übliche Telefonat ist durch die E-Mail ersetzt worden, die wiederum gespeichert wird und unproblematisch weitergeleitet werden kann. Schließlich dürfen auch die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen nicht außen vor bleiben.
Wird die Geheimhaltung nicht eingehalten, sind mögliche Schadenersatzansprüche im Einzelfall schwierig zu begründen. Deshalb sollte eine Vertragsstrafe festgelegt werden. Zweck der Strafe ist eine empfindliche Wirkung, nicht aber die Existenzbedrohung des Lieferanten, weshalb auf abstrus hohe Summen verzichtet werden sollte. Dem Partner würde in diesem Fall ohnehin nur die Insolvenz als Alternative verbleiben. Im Zusammenhang mit der Strafe sollte auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs verzichtet werden. Hierbei handelt es sich um die Zusammenfassung mehrer Straftatbestände zu einer Handlungseinheit. Derartige Formulierungen sind in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam.
Bezüglich der Dauer der Geheimhaltung ist grundsätzlich eine unbegrenzte Dauer anzustreben. Diese kann bei erfolgreichem Geschäftsabschluss aufgehoben werden, wenn der Lieferant ein Referenzprojekt zur eigenen Außendarstellung benutzen möchte.
Konkrete Vertragsmuster stellen verschie-dene IHK ins Internet, so auch die IHK Frankfurt. Diese können die Basis einer individuellen Vereinbarung bilden.
Wie für fast jeden Vertrag besteht auch für Geheimhaltungsvereinbarungen Vertragsfreiheit. Diese betreffen insbesondere die Sittenwidrigkeit nach § 242 BGB. Dementsprechend sollten einem Vertragspartner, welcher aufgrund der tatsächlichen Macht- bzw. Abhängigkeitsverhältnisse oder durch Nachlässigkeit bei der Vertragsprüfung nicht Bedingungen auferlegt werden, welche den Verdacht der Sittenwidrigkeit erwecken können. Fairer, partnerschaftlicher Umgang miteinander ist ein Anspruch, welchem auch die hier beschriebenen Verträge genügen sollen.
Ob eine Vertragsprüfung bzw. -gestaltungdurch Juristen erforderlich ist, muss im Einzelfall beurteilt werden. Mit wachsender Bedeutung für das eigene Geschäftsmodell und Häufigkeit entsprechender Verträge werden die Argumente für eine entspre-chende Prüfung an Bedeutung gewinnen. Gleiches gilt wenn die Geheimhaltungsvereinbarung vom Vertragspartner stammt oder wesentliche Änderungen am Vertragsentwurf erfolgen.
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