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Eigentum an Werkzeugen ? – (K)ein böses Erwachen !

Werkzeuge
Eigentum an Werkzeugen ? – (K)ein böses Erwachen !

Eigentum an Werkzeugen ? – (K)ein böses Erwachen !
(Foto: SolidWorks)
Der eine hat sie bereits, der andere möchte welche oder neue: Werkzeuge. Ohne sie wäre das (Industrie-)Leben nicht möglich. Werkzeuge stellen erhebliche wirtschaftliche Werte dar und produzieren eben solche. Allerdings kommt es häufig zu Unklarheiten hinsichtlich der Zuordnung und es stellt sich die Frage: Wer ist eigentlich Eigentümer des jeweiligen Werkzeuges?

RA Hans-Joachim Herzog, lex:ius Dimke Rothenberg & Partner, Hamburg RA Sebastian Schröder, BME e. V., Frankfurt am Main

Der eine hat sie bereits, der andere möchte welche oder neue: Werkzeuge. Ohne sie wäre das (Industrie-) Leben, wie wir es heute kennen, nicht möglich. Werkzeuge stellen erhebliche wirtschaftliche Werte dar und produzieren eben solche. Es gibt sie in vielerlei Formen, etwa als Druckgusswerkzeuge, Schwerkraftgusswerkzeuge oder als Kokillengusswerkzeuge. Allen ist gemeinsam, dass sie Serienartikel in großer Stückzahl – mehrere 100 000 Stück sind keine Seltenheit – in allen möglichen Industriebereichen herstellen. Oft geht es hier in wirtschaftlicher Hinsicht um Millionenbeträge für die beteiligten Unternehmen.
Immer häufiger jedoch kommt es zu Unklarheiten oder gar Uneinigkeiten hinsichtlich der Zuordnung bereits hergestellter oder neu herzustellender Werkzeuge und es stellt sich die wichtige Frage:
Wer ist oder wird eigentlich Eigentümer des jeweiligen Werkzeuges?
Die Antwort ist von herausragender Wichtigkeit, denn wenn etwa ein Teil der Produktion in ein anderes Land verlagert werden soll oder der Lieferant eines Werkzeuges in Insolvenz fällt, ist das Schicksal des Werkzeuges in erheblichem Maße von der Rechtsposition an den Werkzeugen abhängig. Immer häufiger fragen sich viele Unternehmen, deren Produktion in hohem Maße von der Verfügbarkeit dieser Werkzeuge abhängt, was eigentlich im Falle der Insolvenz eines Herstellers mit den Werkzeugen passiert. Von entscheidender Bedeutung ist somit, wer tatsächliche Eigentumspositionen an einem Werkzeug innehat. Gemeint ist hier das juristische Eigentum nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen und nicht das sogenannte wirtschaftliche Eigentum im Sinne des Bilanz- und Steuerrechts.
Um die Eigentumsverhältnisse bei bereits hergestellten Werkzeugen festzustellen oder bei neu zu beauftragenden Werkzeugen festzulegen, bedarf es einer eingehenden Befassung mit den vertraglichen Regelungen.
1. Eigentum an bereits hergestellten Werkzeugen
Will man etwa wissen, wer Eigentümer eines bereits hergestellten Werkzeuges ist, müssen zunächst Fragen wie „Welche Art Vertrag wurde geschlossen? Ein Werkvertrag? Ein Kaufvertrag? Ein Werklieferungsvertrag? Ein Leihvertrag?“ verlässlich geklärt werden. Dies ist oftmals gar nicht so einfach, denn entscheidend ist nicht unbedingt, welche Überschrift ein Vertrag trägt, sondern wie der Inhalt auszulegen ist. So kann beispielsweise vereinfacht gesagt „Werkvertrag“ auf der Verpackung stehen, aber ein „Kaufvertrag“ drinnen sein. Hier beginnt oft das Dilemma, denn je nach Vertragsart entstehen bestimmte erwünschte oder unerwünschte (Eigentums-)Wirkungen für Einkäufer oder Lieferant. Der vertraglichen Abrede ist daher bei der verlässlichen Zuordnung der Eigentumsposition besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei wird in der Praxis oftmals nicht „ein“ Vertrag in „einem“ übersichtlichen Vertragsformular geschlossen. Typischerweise wird jeweils bei den Lieferanten (im Folgenden Auftragnehmer) auf Grundlage eines vorhergehenden Angebotes ein Werkzeug „bestellt“/“beauftragt“ und in der Folge für den Einkäufer/Besteller (im Folgenden Auftraggeber) hergestellt. Nicht selten bringt der Auftraggeber dabei sowohl Material als auch Know-how ein, sodass auf den Punkt genau spezifische Serienartikel in Abstimmung mit dem Auftragnehmer hergestellt werden können. Oftmals läuft eine Werkzeugbeauftragung wie folgt ab:
Der Auftraggeber übergibt dem Auftragnehmer Vorstellungen über einen zu fertigenden Serienartikel und gegebenenfalls zum herzustellenden Werkzeug.
Der Auftragnehmer macht ein entsprechendes Angebot meist auf Basis seiner AGB/Lieferbedingungen.
Der Auftraggeber bestellt auf Grundlage des Angebots und meist auf Grundlage seiner eigenen AGB/Einkaufsbedingungen das Werkzeug.
Nach Lieferung und Freigabe von einigen Musterserienteilen wird die jeweilige Werkzeugmaschine (beim Auftragnehmer oder bei Dritten) in Betrieb genommen und die Serienartikel werden produziert.
Selbstverständlich sind eine Reihe weiterer Varianten denkbar und üblich, auf die hier aber aufgrund des gebotenen Umfanges nicht eingegangen werden soll.
Oftmals werden im oben genannten Beispiel einer Werkzeugbeauftragung eine Vielzahl von Punkten in vielfältiger Art und Weise in einer Vielzahl von Schreiben schriftlich fixiert, die sich hinterher auch und insbesondere auf die Eigentumsverhältnisse auswirken können (genannt sei hier nur die nicht unübliche Abrede zu „Vollkosten“ oder „anteiligen Kosten“). Hier kann man leicht den Überblick verlieren, etwa wenn Einkaufs- und Lieferbedingungen sich widersprechen. Sollte sich dann bei einer eingehenden nachträglichen Prüfung beispielsweise herausstellen, dass man auf Einkäuferseite entgegen den bisherigen Erwartungen nicht oder nicht eindeutig Eigentümer eines Werkzeuges geworden ist, gilt es Maßnahmen zur Schadensbegrenzung zu ergreifen. Wer möchte schon ein Werkzeug, welches für die Gesamtproduktion benötigt wird, bei einem Lieferanten stehen haben und sich monate- oder gar jahrelang über eine Herausgabe streiten, weil dieser das Eigentum oder besondere Besitzrechte daran für sich beansprucht? Manchmal jedoch kann das Kind, welches bereits in vertraglicher Hinsicht in den Brunnen gefallen war, etwa mit besonderen nachvertraglichen klarstellenden Vereinbarungen wieder gerettet werden. Nicht zuletzt wollen beide Seiten, Auftraggeber und Auftragnehmer, auch in Zukunft gute Geschäfte miteinander machen.
Werkzeugverträge sind meist Werklieferungsverträge
Doch wie reagieren die Gerichte auf unklare Verträge? Diese müssen den „Vertrag“ auslegen. Hierzu bedarf es üblicherweise der Überprüfung der entsprechenden Angebote und Bestellungen, Einkaufs- und Lieferbedingungen, Kostentragungsregelungen und überhaupt einer Analyse und Einordnung der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Sodann ist der anhand der vorliegenden Begebenheiten festgestellte Sachverhalt im Lichte der gesetzlichen Regelungen und etwaig vorhandener einschlägiger Rechtsprechung zu betrachten. Werkzeugverträge sind oftmals als sogenannte Werklieferungsverträge im Sinne des § 651 BGB zu qualifizieren. Diese wiederum sind grundsätzlich nach den Bestimmungen des Kaufvertragsrechtes gemäß dem § 433 ff. BGB zu beurteilen. Gemäß § 433 Abs. 1 BGB hat „der Verkäufer einer Sache“ bekanntlich die Pflicht, „dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen“. Insofern resultiert hieraus ein (kauf-)eigentumsrechtlicher Verschaffungsanspruch. Grundsätzlich hätte somit in einem solchen Fall der Einkäufer/Auftraggeber eines Werkzeuges einen eigentumsrechtlichen Verschaffungsanspruch gegenüber dem Lieferanten/Auftragnehmer.
Einen solchen hat etwa das Oberlandesgericht Köln in einer wichtigen Entscheidung (Urteil vom 7. Juni 1989, Aktenzeichen 24 U 49/89) zugunsten des Auftraggebers angenommen. Im vorgenannten Fall war das Oberlandesgericht Köln zu dem sehr bestellerfreundlichen Ergebnis gekommen, dass der Besteller selbst dann Eigentümer wird, wenn anderslautende AGB des Auftragnehmers vereinbart wurden. Begründet wurde dies maßgeblich damit, dass der Auftraggeber die (Voll-) Kosten für die Herstellung getragen hatte und insofern zumindest nach Treu und Glauben einen Herausgabeanspruch erworben und einen eigentumsrechtlichen Verschaffungsanspruch im Rahmen eines Werklieferungsvertrages erworben hat.
Die verhältnismäßig wenigen seitdem ergangenen einschlägigen Urteile bestätigen im Wesentlichen eine bestellerfreundliche Tendenz. Allerdings zeigen sämtliche Urteile, dass die Entscheidungen aufgrund unklarer oder sich widersprechender Regelungen stark vom Einzelfall geprägt waren. Insofern wird es im Falle einer (streitigen) Auseinandersetzung stets darauf ankommen, welche vertraglichen Vereinbarungen und tatsächlichen Gegebenheiten vorliegen. Die Urteile zeigen allerdings auch besondere Indizien für die Annahme eines Werklieferungsvertrages mit Verweis auf das Kaufrecht und damit eines eigentumsrechtlichen Verschaffungsanspruches. Zu nennen sind hier etwa die Punkte gesonderte Beauftragung, vollständige Abwälzung der Herstellungskosten oder exklusive Produktion.
Aber auch beim Kaufrecht gilt es aufzupassen: Denn das sogenannte UN-Kaufrecht ist deutsches (Kauf-)Recht und gilt als automatisch vereinbart, wenn es nicht explizit im Vertrag ausgeschlossen wird. Und so ist die Verwunderung dann oft groß, wenn festgestellt wird, dass man UN-Kaufrecht vereinbart hat und dieses – oft auf beiden Seiten – gar nicht kennt. Auch hiervor können nur besagte eindeutige, klare und widerspruchsfreie vertragliche Regelungen Schutz bieten.
2. Eigentum bei neu herzustellenden Werkzeugen
Deutlich günstiger ist die Ausgangsposition bei neu herzustellenden Werkzeugen. Hier gilt es klare und übersichtliche Vereinbarungen zu erarbeiten, die den jeweiligen Interessenlagen und Zielrichtungen bestmöglich gerecht wird. Grundsätzlich wird ein Vertrag bekanntermaßen durch ein Angebot und dessen Annahme geschlossen. Dies gilt selbstverständlich auch für „Werkzeugverträge“, unabhängig davon, welche der beispielsweise oben genannten Vertragsarten zum Tragen kommt. Hier bedarf es in erster Linie besagter klarer, expliziter, widerspruchsfreier Regelungen zur Eigentumsfrage. Fehlen diese, läuft man Gefahr, dass die vertraglichen Bestimmungen zwischen den Parteien im Zusammenhang mit den Gesamtumständen betrachtet und ggf. von einem Gericht vollkommen anders als erwartet ausgelegt werden. Oftmals stellt sich dabei heraus, dass – jedenfalls nach Auffassung eines den Vertrag auslegenden Gerichtes – beide Parteien falsche Vorstellungen davon hatten, wer tatsächlich Eigentümer der Werkzeuge geworden ist. Aber es gibt auch manchmal dann ein böses Erwachen für den Auftraggeber, wenn der Auftragnehmer in Insolvenz fällt und der Insolvenzverwalter die Herausgabe der Werkzeuge unter Hinweis auf den fehlenden klaren Eigentumsnachweis des Auftragnehmers an den Werkzeugen verweigert. Denn nur der zweifelsfreie Eigentümer kann – sofern keine besonderen Besitzrechte entgegenstehen – eine zügige Freigabe der Werkzeuge aus der Insolvenzmasse verlangen. Langwierige Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter oder gar langjährige Rechtsstreitigkeiten sind anderenfalls keine Seltenheit. Ein hoher potenzieller Schaden samt Rufschädigung in der Lieferkette ist oft unweigerlich die Folge. Um dies zu vermeiden, ist mit den entsprechenden Fachleuten (Juristen) ein umfangreicher Fragenkatalog abzuarbeiten, um eine möglichst optimale, aber auch sach- und interessengerechte Vertragsgestaltung erfolgreich umzusetzen. Dabei sollte neben den Regelungen zum Eigentum aus Einkäufersicht auch eine Vertrags-Checkliste abgearbeitet werden (siehe obenstehenden Textkasten).
Zur Sicherheit zwei Verträge abschließen
Arbeitet man die vorgenannten und weitere, für notwendig erachtete Punkte bei der Vertragsgestaltung sorgfältig ab, steht in der Regel ein für alle Beteiligten sach- und interessengerechter Vertrag Pate für eine zukünftige erfolgreiche Zusammenarbeit.
Sicherlich: Es mag immer Fälle geben, in denen eine (streitige) Auseinandersetzung nicht zu vermeiden ist. Eine solche sollte jedoch allein schon aufgrund der bekannten Unwägbarkeiten einer gerichtlichen Auseinandersetzung möglichst durch sorgfältige und entsprechende ausgefeilte Vertragsgestaltung vermieden bzw. abgesichert werden. Daher sollten zwei Verträge geschlossen werden: ein Erstellungsvertrag, der die eindeutige Eigentumszuordnung am Werkzeug regelt und ein Leihvertrag, der die Bedingungen der Überlassung des Werkzeuges festlegt. Schließlich muss darauf geachtet werden, dass nicht besondere Besitzrechte einen Herausgabeanspruch blockieren.
Ebenso kann bei bereits bestellten und/oder hergestellten Werkzeugen eine frühzeitige Bestandsaufnahme der vertraglichen Beziehungen helfen, ein böses Erwachen – und vor allem die angesprochenen Schäden – insbesondere durch nachträgliche vertragliche Abreden im Sinne der beteiligten Vertragspartner zu vermeiden.

Vertragsgestaltung

Checkliste

  • konkrete Benennung der Vertragspartner (Achtung bei Konzernunternehmen)
  • konkrete Leistungsbeschreibung
  • klare Vergütungsregeln
  • Mitwirkungspflichten
  • Leistungszeitpunkte (z. B. Liefer- und Ausführungsfristen)
  • Leistungs(liefer-)ort
  • Gefahrtragungsklauseln/Gefahrübergang
  • Wartung/Instandhaltung
  • Exklusivität
  • Freiheit von Rechten Dritter
  • MAC Klausel
  • Transportkostenklauseln
  • Rücktritts-(Sonder-)Kündigungsregelungen/Ausstiegsklauseln
  • Haftungsklauseln
  • Gewerbliche Schutzrechte
  • Vertragsstrafenklauseln
  • Gutachterklauseln
  • Wettbewerbs- bzw. Konkurrenzklauseln
  • Geheimhaltungsklauseln
  • Change-Request-Verfahren, Re-Engeneering
  • Schriftform bei Vertragsänderungen
  • Schlussbestimmungen
  • Unsere Webinar-Empfehlung
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