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Einsparpotentiale nicht vernachlässigen

Optimierung der Beschaffungslogistik
Einsparpotentiale nicht vernachlässigen

Die Suche nach Einsparpotentialen im Beschaffungsprozeß darf vor der Beschaffungslogistik nicht haltmachen. Die BMW AG, München, und die Schenker Eurocargo AG, Coburg, scheinen mit dem Gebietsspeditionssystem einen Weg gefunden zu haben, das BMW-Auto-mobilwerk in München optimal und kosteneffizient zu versorgen. Lag der Anteil der Transportkosten am Einkaufspreis bei Lieferung frei Werk bei 2,5%, konnte er unter Einsatz des Gebietsspeditionssystems auf 1% gedrückt werden.

Dabei tritt der Logistik-Dienstleister als kompetenter Partner des Automobilherstellers auf, indem er den gesamten Prozeß der Beschaffungslogistik, vom Herstellungsort des Zulieferers bis zur Fertigungsstraße in der Autofabrik, selbständig organisiert. Zentrale Bedeutung für das Gebietsspeditionssystem hat dabei das Zentrale Außenlager des Münchner Automobilwerks, das 20 km nördlich vor den Toren der bayerischen Landeshauptstadt in Eching gelegen ist.

Dieses Lager wurde Anfang der achtziger Jahre notwendig, da BMW durch die Einführung neuer Fertigungssysteme das Münchner Werk erweitern mußte. Lagerflächen fielen damit auf dem ursprünglichen Werkgelände weg und konnten auch nicht in die unmittelbare Nachbarschaft verlegt werden. Die Umgebung des Werkes ist dicht besiedelt.
Veränderte Produktionsprozesse und neue Fahrzeugvarianten ließen die Anzahl der benötigten Zulieferteile und Lieferanten ständig steigen, gleichzeitig aber die Mengen pro Teil sinken. Die Just-in-time-Belieferung durch die einzelnen Zulieferer an die einzelnen Fertigungsstraßen gestaltete sich schwieriger. Am Werk standen viele Lkws, die sich gegenseitig behinderten.
Lieferung frei Werk nachteilig
Diese Umstände und die hohen Transportkosten der Lieferung frei Werk durch die ungenügende Auslastung der Lieferfahrzeuge ließen die Just-in-time-Belieferung jedes einzelnen Zulieferers an die Montagestraßen zunehmend unattraktiv erscheinen. Dies führte zum Entschluß, ein Zentrales Außenlager aufzubauen, in das die Zulieferer ihre Waren bringen und von wo aus die zeitgenaue Versorgung der Bänder des Automobilwerks gewährleistet werden kann. Untersuchungen und Analysen ergaben, daß der Automobilhersteller zwar zuverlässig Automobile herstellen kann, Transport und Lagerhaltung aber einem Unternehmen überlassen sollte, welches sich auf Logistik-Dienstleistungen spezialisiert hat.
Die Wahl fiel auf Schenker Eurocargo. Der Logistik-Dienstleister übernahm 1984 die Anmietung des erforderlichen Geländes, die Errichtung des Gebäudes und des Hochregallagers, die Lagerbewirtschaftung und die Versorgung der Fertigung über einen Pendelverkehr Lager – Werk.
Auf einer Fläche von 82.000 m2, von denen 31.000 m2 bebaut sind, hat der Logistik-Dienstleister die Verantwortung über die Steuerung, Durchführung und Überwachung des gesamten Warenflusses, vom Wareneingang bis zu den Produktionsbändern des Fahrzeugwerks, sowie den Transport der leeren Paletten ab Werk zum Zentralen Außenlager einschließlich der Entsorgung des Verpackungsmaterials. Täglich werden rund 10.000 Paletten bewegt.
Im Einzelnen muß das Dienstleistungsunternehmen alle Warenlieferungen ans Zentrale Außenlager korrekt übernehmen, die Stückzahlen der Warenbestände überprüfen sowie die termin- und ablaufgerechte Durchführung aller Handlungsvorgänge gewährleisten. Neben der termingenauen Transportabwicklung zwischen dem Zentralen Außenlager und dem Werk fallen dem Dienstleister auch die Investitionen, der Betrieb und die Erhaltung von Gebäuden, Flächen und installierter Technik zu.
Der Materialfluß im Einzelnen
Der ankommende Lkw eines Zulieferers bzw. Spediteurs fährt auf einen Warteplatz vor dem Betriebsgelände. Im Wareneingangsbüro übergibt er die Lade- und Begleitpapiere und erhält im Austausch die entsprechenden Warenbegleitscheine, damit der Lagerort im Zentralen Außenlager nachvollzogen werden kann.
Im Wareneingang ist Seiten- oder Heckentladung möglich. Etwa 90% der ankommenden Lkws werden seitlich entladen. Bis zu 130 Lkws und bis zu 20 Waggons können im Wareneingang während des Zweischichtbetriebes von 6.00 – 23.00 Uhr abgewickelt werden.
Die Versorgung der Produktionsbänder im Automobilwerk wird über die Standleitungen vom Band direkt beim Verwaltungsrechner des Zentralen Außenlagers geordert. Der gibt seine Auslagerungsbefehle an die Lagerorte weiter. Die ausgelagerten Paletten laufen über den Kontrollpunkt zum Warenausgang. An den Kontrollpunkten erhalten die Paletten neue Warenbegleitscheine mit Angaben des Bestimmungsortes im Werk. Der Logistik-Dienstleister hat die Verpflichtung übernommen, die Anlieferung an den Produktionsbändern spätestens vier Stunden nach Eingang des Abrufes im Zentralen Außenlager sicherzustellen.
Im Warenausgang werden die Paletten auf bereitgestellte Auflieger bzw. Trailer bandabschnittsgerecht verladen. Ein BMW-Mitarbeiter kontrolliert nach der Verladung die Vollständigkeit des Lieferumfanges.
Arbeitstäglich fallen im Zwei-Schichtbetrieb im sogenannten Pendelverkehr zwischen dem Zentralen Außenlager in Eching und dem Automobilwerk in München rund achtzig Versorgungsfahrten an. Im Einsatz sind neun Zugmaschinen und zweiunddreißig Auflieger im Wechselbetrieb. Durch Notsysteme ist sichergestellt, daß bei Unfällen oder Staus innerhalb von 30 Minuten Ersatzlieferungen bereitgestellt werden können.
Gebietsspeditionssystem
Eng verknüpft mit der Bewirtschaftung des Zentralen Außenlagers durch den Logistik-Dienstleister Schenker Eurocargo ist das Gebietsspeditionssystem. Der Transport vom Herstellungsort des Zulieferers zum Zentralen Außenlager und weiter zum Fahrzeugwerk wird auf diese Weise sinnvoll verbunden.
Beim Gebietsspeditionssystem wird die Fläche eines Staates in Teilgebiete aufgeteilt. Innerhalb der einzelnen Gebiete wird jeweils ein Spediteur damit beauftragt, die Produkte der Zulieferer seines Gebietes einzusammeln, zu optimalen Transportlosen zu konsolidieren und zu den Empfangsstellen zu transportieren. Daher wird die Gebietsspedition auch als Spezialform der Sammelladungsspedition bezeichnet, in der lediglich ein Empfänger vorhanden ist. Die Sammelfahrten zur Umschlagsanlage des Gebietsspediteurs werden als Vorläufe bezeichnet, der anschließende Transport zum Zentralen Außenlager heißt Hauptlauf. Der Weitertransport in die Autofabrik ist der Nachlauf.
Das Transportvolumen wird von der Produktionssteuerung festgelegt und von den kundenseitig geforderten Produktvarianten bestimmt. Da durch Kundenwünsche die Ausstattungsmerkmale der hergestellten Fahrzeuge sehr unterschiedlich sein können, können die von BMW beim Lieferanten abgerufenen Mengen stark schwanken, besonders wenn es sich um nicht serienmäßige Zubehörvarianten handelt. Das tägliche Transportvolumen der Gebietsspedition schwankt bis zu plus/minus 50% der durchschnittlichen Menge.
Die Teile werden oft so kurzfristig bestellt, daß der Gebietsspediteur die Transportmenge erst am Morgen eines Tages durch den Lieferanten erfährt. Auf Basis dieser Informationen werden die Vorläufe geplant und ausgeführt, was meistens bis zum frühen Abend dauert. Danach werden die Hauptlauf-Fahrzeuge beladen, und die Hauptläufe beginnen, so daß die Anlieferung im Empfangswerk zum Produktionsbeginn des nächsten Tages gewährleistet ist.
Dem Spediteur ist damit die Planung der Transportrouten überlassen, BMW gibt lediglich Termine und Konditionen vor. Damit gilt das Gebietsspeditionswesen als selbstregulierendes Transportsystem.
Ausblick
Der Prozeß des Wareneingangs wird ab Oktober 1998 in einer Versuchsphase vereinfacht. Mittels des Systems der „Voraus-eilenden Information“ zur Steuerung der Beschaffungslogistik entfällt bei Ankunft der Ware eines Zulieferers die Abgleichung des Lieferscheins und Frachtbriefs mit der Ware. Schenker Eurocargo als Betreiber des Zentralen Außenlagers übernimmt nur den Ist-Zustand der angelieferten Ware. Es obliegt den anliefernden Spediteuren, die vom Lieferanten bereitgestellte Ware mit dem Behälterbegleitschein bei Aufnahme zu überprüfen.
Der Abgleich zwischen Soll- und Ist-Zustand erfolgt durch BMW-Mitarbeiter direkt mit Hilfe des EDV-Systems, da der Lieferanten-Barcode dem Einlagerungs-Barcode entspricht. Mit dieser Vereinfachung ist nicht nur ein schnellerer Zugriff auf die Lieferantendaten möglich, sondern auch eine einfachere Abwicklung an den Entladezonen im Wareneingang gewährleistet. Eine Menge Buchungsvorgänge und Formulare entfallen. Der ankommende Spediteur bzw. Zulieferer muß seinen Lkw im Wareneingang nicht mehr anmelden, indem er Bordero und Lieferscheine übergibt und erfassen läßt. Warenbegleitscheine werden nicht mehr gedruckt, der Fahrer kann direkt und ohne Halt die Entladezone ansteuern. (ch)
Schenker Eurocargo (Deutschland) AG
mit Sitz in Coburg erwirtschaftet im Verbund mit seinen über 20 europäischen Landesgesellschaften mit 9.300 Mitarbeitern einen Umsatz von 3,1 Mrd. DM. Durch über 200 europäische Geschäftsstellen sind 2.000 tägliche Linienverkehre vernetzt. Neben den Landverkehren bietet der Logistik-Dienstleister speziell auf individuelle Kundenanforderungen zugeschnittene Lösungen für Beschaffung, Lagerung und Distribution.
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