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Einsparpotenziale warengruppenorientiert realisieren

Implementierung Warengruppenmanagement in drei Stufen
Einsparpotenziale warengruppenorientiert realisieren

Auf dem Weg zum erfolgreichen Warengruppenmanagement müssen einige Hürden überwunden werden. Nachhaltige Einsparungen verspricht der dreistufige Ansatz systematisches Warengruppenmanagement: Für jede Warengruppe werden die wirksamsten Einkaufshebel ermittelt und konsequent eingesetzt.

Jens Thieme, Projektmanager, Roland Berger Strategy Consultants, Frankfurt; E-Mail: jens_thieme@de.rolandberger.com

Unternehmen unterschiedlicher Branchen können von diesem strukturierten Vorgehen profitieren. Warengruppen nehmen heute im Einkauf eine zentrale Stellung ein. Lead-Buyer-Organisationen, warengruppenorientierte Prozesse mit globalem Fokus und einheitliche Standards für die Schlüsselung von Warengruppen sind nur einige Themen, die in diesem Zusammenhang relevant sind.
Viele Unternehmen haben ihre Einkaufsorganisation heute schon nach Warengruppen ausgerichtet oder befinden sich in der Umsetzung. Die Herausforderung liegt darin, die Prozesse so zu modellieren und zu implementieren, dass diese über die gesamte Lieferkette hinweg durchgängig sind. Der Lead Buyer wird zum Global Player – umso wichtiger ist es für ihn, eine strukturierte Vorgehensweise zu haben, mit der er Warengruppen systematisch bearbeiten kann.
Drei Hürden sind zu überwinden
Die erste Hürde auf dem Weg zum erfolgreichen Warengruppenmanagement ist die häufig anzutreffende, ungenügende Transparenz der Daten. In den wenigsten Unternehmen sind Beschaffungsvolumen, Lieferantennamen und -anzahl warengruppenorientiert auf Knopfdruck abrufbar. Unzureichend gepflegte Stammdaten und inhomogene ERP-Systemlandschaften sind nur zwei der Hauptursachen. Um nach Warengruppen sortierte Auswertungen zu erhalten, muss der Einkauf sehr oft verschiedenartige Auswertungen manuell zusammenführen. Außerdem halten die Unternehmen meist keine zusätzlichen Datenbanken für die Pflege der Lieferantenverträge vor.
Ein großer internationaler Automobilzulieferer hatte beispielsweise in seinen verschiedenen europäischen Werken unterschiedliche ERP-Systeme im Einsatz. Die Schlüsselung der Warengruppen unterschied sich sowohl nach Bezeichnung wie auch nach Stufigkeit. Eine Auswertung nach Beschaffungsvolumen und Warengruppen war nur möglich nach einer aufwändigen Analyse und einer manuellen und einheitlichen Schlüsselung der Warengruppen.
Die zweite Hürde besteht darin, dass es häufig an Wissen über die vorhandenen Einkaufshebel und deren Anwendbarkeit auf die verschiedenen Warengruppen mangelt. Zwar setzen zahlreiche Unternehmen den einen oder anderen Einkaufshebel in unterschiedlicher Form ein. Der systematische und optimal abgestimmte Einsatz ist aber nur selten anzutreffen.
Fehlende Instrumentarien für Planung, Monitoring und Controlling der ermittelten Einsparpotenziale bilden die dritte Hürde. Das Controlling erfolgt sehr oft manuell oder wird über EDV-Auswertungen gesteuert. Diese werden meistens auf lokalen Computern abgelegt. Eine übergreifende Planung mit einem gezielten und nachhaltigen Controlling kostenwirksamer Einsparungen ist meist nicht vorhanden.
Vor diesem Hintergrund wurde eine Vorgehensweise zur Implementierung des systematischen Warengruppenmanagements entwickelt, mit der sich die aufgezeigten Hürden in drei Schritten überwinden lassen.
1. Schritt: Transparenz schaffen
Im ersten Schritt gilt es, Transparenz über die Einkaufsdaten zu schaffen. Im Einzelnen beinhaltet dies die Abfrage und Analyse von verschiedenen relevanten Einkaufsinformationen aus dem Unternehmen. Sind die Daten in der geforderten Qualität verfügbar, kann mit dem nächsten Schritt, dem Einsatz der Einkaufshebel, begonnen werden.
Ist die Datenqualität jedoch unzureichend, muss zunächst ein interdisziplinäres Projektteam aus den funktionalen Bereichen Einkauf, Controlling und IT ein Berichtswesen mit relevanten Einkaufsdaten aufbauen. Ziel dieser 1 – 2 Wochen dauernden Phase ist es jedoch nicht, einen einmaligen Bericht zu erarbeiten, sondern ein dauerhaft einsetzbares Berichtswerkzeug.
Existiert im Unternehmen keine übergreifende Schlüsselung von Warengruppen, nimmt das Team auf oberster Ebene eine einheitliche Standardisierung vor. Um kurzfristig die Zielerreichung des Projekts sicherzustellen, kann eine Zusammenführung unterschiedlicher Warengruppenschlüssel manuell erfolgen. Das Projektteam erarbeitet dann eine mittel- und langfristige Vereinheitlichung der Warengruppenschlüssel. Bereits existierende, standardisierte Warengruppenschlüssel wie eCl@ss und UNSPSC sind hier mit zu berücksichtigen.
Für den Erfolg des Projekts ist es dringend erforderlich, eine detaillierte Auswertung zu erstellen. Relevante Lieferantendaten sind Einstandspreise und Stückzahlen der letzten zwei Jahre sowie Planzahlen für das folgende Jahr.
2. Schritt: Einkaufshebel einsetzen
Um die geeigneten Einkaufshebel auszuwählen, wird eine Portfolio-Matrix erstellt, in der die Warengruppen nach dem Beschaffungsvolumen und der Komplexität des Produktspektrums ausgerichtet werden. Durch die Zuordnung der Warengruppen lassen sich die technischen, kaufmännischen, prozessualen und E-Business-Einkaufshebel dann den Warengruppen effizient zuordnen.
Aus der Gegenüberstellung des Umsetzungsaufwands mit dem geschätzten Einsparpotenzial je Warengruppe ergibt sich die Priorisierung der Einkaufshebel. Das Portfolio zeigt, wo die „Musts“, “Quick wins“, „Low hanging fruits“ und die „Money pits“ liegen. Die Positionierung der Einkaufshebel beruht auf umfangreichen Projekterfahrungen. Insgesamt stehen im systematischen Warengruppenmanagement 32 Einkaufshebel zur Verfügung.
Je nach Zielsetzung und Laufzeit des Projektes kann auf die entsprechenden Einkaufshebel zurückgegriffen werden. Bestehen in einem Unternehmen Liquiditätsengpässe oder gibt es andere Gründe für die Einführung, wie z.B. geringes einkäuferisches Know-how, werden bevorzugt die Hebel in den Portfoliobereichen „Quick wins“ und „Low hanging fruits“ angewandt. Steht der Aufbau eines Weltklasse-Einkaufs im Mittelpunkt und vertritt das Unternehmen die Philosophie, nachhaltige Einsparungen mit einem ganzheitlichen Ansatz zu realisieren, empfiehlt es sich, die Hebel der Portfoliobereiche „Quick wins“ und „Musts“ einzusetzen.
Das Einsparpotenzial je Warengruppe wird in der ersten Phase des Projektes mit Erfahrungswerten aus bereits abgeschlossenen Projekten top-down ermittelt. Eine fortlaufend ergänzte Datenbank liefert die benötigten Vergleichswerte für verschiedene Branchen. Sie enthält die erzielten Einsparpotenziale, den Umsetzungszeitraum sowie die eingesetzten Hebel für ca. 500 Warengruppen. Nach der Top-down-Bewertung erfolgt eine Bottom-up-Untermauerung, bei der die einzusetzenden Einkaufshebel für jede Warengruppe detailliert festgelegt werden.
Beispiele
Zwei Beispiele zeigen, wie das systematische Warengruppenmanagement erfolgreich umgesetzt werden kann:
In einem Unternehmen der Elektronikindustrie analysierte man alle 67 Warengruppen nach dem erläuterten Verfahren. Die Priorisierung erfolgte in drei Wellen. In jeder Welle hat das Team ca. 20 Warengruppen innerhalb von drei Monaten bearbeitet. Die Warengruppe „Kunststoffspritzguss“ hatte beispielsweise einen Anteil von ca. 8 % am gesamten Beschaffungsvolumen, die Komplexität wurde als niedrig bis mittel eingestuft. Mit dem systematischen Warengruppenmanagement wurden 15 anwendbare Einsparhebel ermittelt. In verschiedenen Workshops wählte das Projektteam sechs Hebel aus, die im weiteren Projektverlauf zur Anwendung kamen. Den beiden Quick wins E-Sourcing und Reverse Auction wurde ein hohes Einsparpotenzial bei geringem Umsetzungsaufwand zugesprochen. Technik und Einkauf waren sich einig, die nächste Ausschreibung und Verhandlung in dieser Form durchzuführen.
Der frühzeitige Einbezug des Einkaufs in die Entwicklung wurde als Hebel mit großem Potenzial zur Kostensenkung aber auch einer aufwändigen Umsetzung eingeschätzt. Bisher hatte der Bereich Technik zwar die Lieferanten in der Entwicklungsphase eingebunden, wobei technische Optimierung und Qualität an oberster Stelle standen. Der Einkauf wurde erst informiert, wenn die Bestellung eines Werkzeuges anstand. Die Verhandlungsrunde für Werkzeug und Teile wurde dann noch durchgeführt, eine erfolgreiche Vertragsverhandlung mit einer am Markt orientierten Preisreduktion war jedoch nicht mehr möglich.
In weiteren Workshops detaillierte das Team die Einsparhebel Global Sourcing, Kostenanalyse, Outsourcing, Wertanalyse und Bedarfsbündelung. Das Ergebnis: die kostenwirksamen Einsparungen in der Warengruppe Kunststoffspritzguss betrugen bereits im Folgejahr im Durchschnitt ca. 6 %. Im gesamten Projekt wurden Einsparungen von 7 % erzielt. Die kostenwirksame Realisierung bzw. Umsetzung der Maßnahmen erfolgte innerhalb von zwei Jahren.
Auch in der Finanzbranche hat das systematische Warengruppenmanagement seine Leistungsfähigkeit bereits unter Beweis gestellt. So wurden bei einem Finanzdienstleister 40 Warengruppen analysiert und in zwei Wellen bearbeitet. Das Beispiel der Warengruppe Büromaterial, die eine niedrige Komplexität aufweist, verdeutlicht die Vorgehensweise. Das Team definierte zunächst acht Hebel, von denen nach der Bewertung vier ausgewählt wurden. Die Artikel wurden bislang dezentral an den verschiedenen Standorten beschafft. Im Zuge des Projektes wurde der Einkauf von standardisierten Artikeln über einen elektronischen Katalog eingeführt. Der Zugriff auf den Katalog erfolgt über das Intranet. Die Beschaffungsprozesse gestalten sich somit wesentlich schlanker. Für das gesamte zu beschaffende Büromaterial führte das Team eine Reverse Auction durch. Im Zuge der elektronischen Ausschreibung wurde das Sortiment bereinigt und standardisiert. Das bottom-up ermittelte Einsparpotenzial betrug ca. 10 %, die kostenwirksamen Einsparungen ca. 8 %.
In den beiden Projekten kristallisierte sich ein zentraler Erfolgsfaktor für die Umsetzung heraus: professionelles Maßnahmenmanagement.
3. Schritt: Maßnahmen steuern
Ein integriertes Maßnahmenmanagement-Tool dient dazu, die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen zu steuern und zu überwachen. In diesem Tool wird der Umsetzungsstand laufend aktualisiert und um neue Maßnahmen ergänzt. Der Zugang muss für alle Projektmitarbeiter freigeschaltet sein. Die im Projekt eingebundenen Entscheidungsträger sind für die Aktualisierung der Daten verantwortlich.
Zuerst werden die Top-down-Einsparungsziele und die entsprechenden Verantwortlichkeiten festgelegt. Danach müssen die Einsparungsziele mit Maßnahmen hinterlegt werden. Hierzu sind detaillierte Daten wie Einführungstermin und Realisierungszeitpunkt, Einsparung der Maßnahme usw. im Tool zu hinterlegen. Ist die Maßnahme vollständig abgeschlossen, wird die erzielte Einsparung eingetragen und dem zuvor abgeschätzten Einsparungspotenzial gegenübergestellt. Das Tool kann so die jeweiligen Abweichungen auswerten und anzeigen.
Wird beispielsweise das Outsourcing eines Bereichs als Top-down-Maßnahme eingegeben, schätzt das Tool grob die möglichen Einsparungen ab. Richtwerte bieten Einsparungen, die in Projekten mit ähnlicher Struktur bereits erzielt wurden. In der Bottom-up-Detaillierung werden die relevanten Daten, z.B. Stundensätze der Maschinen, aus dem Controlling angefordert und den Einkaufs- und Transportkosten sowie anderen relevanten Kosten gegenübergestellt. Die Projektmitglieder stimmen die errechneten Einsparungen untereinander ab und geben sie in das Maßnahmenmanagement-Tool ein. Sie können die Einsparungen dabei bis auf Quartalsebene und Jahr einpflegen. Ist das Outsourcing des Bereichs komplett abgeschlossen, wird die tatsächlich realisierte Einsparung nachkalkuliert, eingegeben und im Tool abgeschlossen.
Die Entscheidungsträger können das Tool als Kontrollinstrument einsetzen und sich die unterschiedlichsten Maßnahmen- und Einsparungsberichte erstellen lassen.
Fazit
Das systematische Warengruppenmanagement kann in jedem Unternehmen erfolgreich zur Optimierung der unterschiedlichen Warengruppen eingesetzt werden. Roland Berger hat den Ansatz mit dem Ziel der branchen- und warengruppenübergreifenden Einsetzbarkeit entwickelt. Erfolgreiche Projekte mit Klienten unterschiedlichster Branchen haben gezeigt, dass bei Material- und Prozesskosten Einsparungen von 4 – 12 % möglich sind. Die Projektdauer liegt je nach Größe des Unternehmens bei 6 – 12 Monaten. Voraussetzungen, die für den Erfolg des Projekts im Unternehmen geschaffen werden müssen, sind: Einbindung der Entscheidungsträger und operative Mitarbeit der Bereiche Technik, IT und Controlling. Nur durch ein ganzheitliches, einkaufsübergreifendes Vorgehen kann ein solches Projekt zum Erfolg geführt werden.
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