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Energiespeicher neu gedacht

Forschungsansätze
Energiespeicher neu gedacht

Energiespeicher neu gedacht
Eier als Energiespeicher? Das könnte eine der Zukunftstechnologien sein. Bild: tab62/Fotolia
Was haben Bakterien, Eierschalen und Algen gemeinsam? Sie alle werden als potenzielle Energiespeicher erforscht. Denn der Fokus auf erneuerbare Energien bedeutet, dass man sich ebenfalls Gedanken über innovative Wege der Energiespeicherung machen muss. Viele Universitäten und Forschungsinstitute haben sich dieser Problemstellung angenommen.

Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne ist das erklärte Ziel der Bundesregierung. Was diese Technologien stark von anderen Stromerzeugungsverfahren unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie keinen durchgehenden Energiegewinn garantieren: PV-Anlagen können nur dann Strom erzeugen, wenn die Sonne scheint, Windräder nur dann, denn der Wind bläst. Doch Unternehmen und private Nutzer müssen Strom immer zur Verfügung haben: nicht nur, wenn das Wetter es hergibt.

Deshalb kommen erneuerbare Energien nicht ohne leistungsfähige Speicher aus. Und auch diese müssen im Rahmen der Energiewende mit einer nachhaltigen, CO2-armen Technologie betrieben werden. Professor Jürgen Werner, Leiter des Instituts für Photovoltaik an der Universität Stuttgart, sagt ganz klar: „Dazu brauchen wir eine höher entwickelte Speichertechnologie.“

Die Eier-Energie

Die Forscher sind dran. „Es gibt überraschenderweise immer wieder neue Beispiele, in denen Naturstoffe gute bis sehr gute Voraussetzungen mitbringen, um daraus Materialien für elektrochemische Speicher herzustellen“, erklärt Professor Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm, einer Einrichtung unter Trägerschaft des KIT. Er entdeckte zusammen mit australischen Kolleginnen die vielversprechenden elektrochemischen Eigenschaften von Hühnereierschalen. Diese bestehen aus Calciumcarbonat (CaCO3), einem Stoff, dass Lithium gut speichern kann. Deshalb könnten die Schalen einen kostengünstigen Lithium-Ionen-Kondensator ermöglichen.

Im Versuch verwendeten die Forscher sowohl die verkalkte Schale als auch die inneren und äußeren Schalenmembranen. Sie wuschen, trockneten und zerkleinerten die Schalen zu einem Pulver und erhielten so ein leitfähiges Material. Das Eierschalenpulver wurde als Elektrode gegen eine metallische Lithium-Anode in nichtwässrigen Elektrolyten verwendet. Bei über 1000 Ladezyklen hielt die Testzelle eine Kapazität von 92 Prozent aufrecht. Um die Leistungsfähigkeit des Materials zu verbessern und einen breiten Einsatz zu ermöglichen, seien nun weitere Forschung und ein detailliertes Verständnis des elektrochemischen und physikalischen Verhaltens des Materials erforderlich, so das Forschungsteam.

Bakterien zur Stromspeicherung

Die Forscher der Cornell University arbeiten mit elektroaktiven Bakterien, die Elektronen einfangen, also elektrischen Strom, der von Wind-, Solar- oder Wasserkraftanlagen produziert wird. Diese Energie nutzen sie, um CO2 aus der Luft aufzuspalten. Den dabei entstehenden Kohlenstoff wandeln sie in Isobutanol oder Propanol um. Diese Flüssigkeiten können in Motoren genutzt werden, entweder in reiner Form oder als Beimischung zu Benzin oder Diesel.

„Wir glauben, dass die Biologie eine signifikante Rolle beim Aufbau einer umweltverträglichen Energie-Infrastruktur spielen wird“, sagt Buz Barstow, Assistenzprofessor für Bio- und Umweltengineering an der Cornell University. Er und sein Team seien auf der Suche nach allen Möglichkeiten, Biologie im Energiesektor einzusetzen.

Mikroorganismen und Strom können nicht nur Treibstoffe produzieren, ohne die Umwelt zu belasten. Sie können auch CO2 in einen Biokunststoff verwandeln, der sich gefahrlos untertage lagern lässt, sodass er dauerhaft aus der Atmosphäre entfernt wird. Die Herstellung von Treibstoffen und Bioplastik mit bakterieller Hilfe findet bei normalem Luftdruck und Raumtemperatur statt, sodass keine zusätzliche Energie nötig ist – außer dem Strom als „Bakterienfutter“.

Um diese Technik tatsächlich zur indirekten Speicherung von grünem Strom nutzen zu können, muss jedoch noch viel Forschungsarbeit geleistet werden, doch Farshid Salimijazi, Barstows wissenschaftlicher Mitarbeiter, sagt: „Nach unseren Berechnungen ist diese Technik definitiv zu realisieren.“

Cambridge setzt auf Algen

Forscher an der University of Cambridge nehmen Algen als Energiespeicher in den Fokus, und haben ihre neue Technologie jüngst im Magazin Natural Energy vorgestellt. Entstanden ist diese Idee aus dem Umfeld der sogenannten Biophotovoltaik, die Solarenergie aus biologischen Stoffen gewinnt. Forscher nutzen dabei Mikroorganismen wie Algen oder Moos, um aus Licht Strom zu erzeugen. Während der Photosynthese produzieren diese nämlich Elektronen als „Abfallprodukt“, die dann in Strom umgewandelt werden können. Bis dato passierte dies in einer einzigen Stelle: Strom wurde also gleichzeitig erzeugt und weitergeleitet.

Die Forscher entwickelten nun eine Technologie, die aus zwei Zellen besteht. Die Prozesse der Energiegewinnung und der Umwandlung in Strom sind also getrennt. Durch die zwei Kammern können die Forscher beide Prozesse nun unabhängig voneinander optimieren. „Das Trennen der beiden Einheiten bedeutet, dass wir die Leistung der Umwandlungszelle durch Miniaturisierung verbessern konnten“, erklärt Professor Toumas Knowles vom Institut für Chemie und dem Cavendish Labor, „Im Verkleinerungsbereich verhalten sich Flüssigkeiten anders, sodass wir Einheiten bauen können, die effizienter sind, eine niedrigere interne Resistenz und geringere elektrische Verlusten haben.“

Dieses neue Design in Verbindung mit einer Algen-Mutation ermöglichte es den Forschern, Bio-PV-Zellen zu bauen, eine Energiedichte von 0,5W/m² zu erreichen. Das entspricht einer fünfmal höheren Leistung als bei vorherigen Designs. Das entspricht nur weniger als einem Zehntel der Energie, die eine herkömmliche silikonbasierte PV-Anlage erzeugen kann, doch die Bio-PV-Zellen haben noch andere Vorteile.

Laut den Forschern sind Algen deshalb interessant, weil sie sich selbst vermehren. Das bedeutet, dass das Bauen von Algen-Zellen weniger energieintensiv sein könnte als das der bekannten PV-Zellen. Zusätzlich ermöglicht es das Zwei-Kammer-System der neuen Anlage, Energie zu speichern und zu einem späteren Zeitpunkt zu verwenden.

„Dies ist ein großer Schritt vorwärts in der Suche nach alternativen, grünen Treibstoffen“, sagt Dr. Paolo Bombelli vom Institut für Biochemie, „wir glauben daran, dass diese Entwicklungen algenbasierte Systeme näher an eine praktische Implementation heranbringen.“

Forschungspotenzial erkannt und gefördert

Wirtschaft und Politik haben die neuen Möglichkeiten erkannt und wollen sie unterstützen. Das europäische Forschungsprojekt „SUNRISE“ zur Solarenergie wird mit einer Million Euro gefördert und erforscht ab Frühjahr 2019 Ansätze für eine nachhaltige Alternative zu fossilen Brennstoffzellen und Basischemikalien. Dabei konzentriert sich das Projekt vor allem darauf, wie man Solarenergie umwandeln und speichern kann. Die neuen Technologien sollen es ermöglichen, mithilfe von Sonnenenergie CO2, Wasser, Stickstoff und Sauerstoff in Brennstoffe und Chemikalien umzuwandeln. Elektrochemische Umwandlung in Kombination mit Elektrolyseuren sollen ergänzt werden durch künstliche Fotosynthese-Systeme und biohybride Ansätze für die direkte Umwandlung von Sonnenlicht in chemische Verbindungen.

Das Hauptziel dieses Ansatzes ist ein nachhaltiger CO2-Kreislauf, der die CO2-Konzentration in der Atmosphäre reduziert. „Das Ziel von SUNRISE ist es, die Art und Weise zu verändern, auf die Brennstoffe produziert werden“, sagt Prof. Huub de Groot, Koordinator von SUNRISE.

Der Professor der Universität Leiden (Niederlande) koordiniert das Forschungsprojekt und bringt ein multidisziplinäres Konsortium von 20 Partnern aus 13 europäischen Ländern zusammen. Auf einer Tagung Ende des letzten Jahres haben sich die Partner zum ersten Mal getroffen und erste Punkte des Projekts diskutiert. (sd)

Quellen:

Saar, KL et al. Enhancing power density of biophotovoltaics by decoupling storage and power delivery. Nature Energy; 9 Jan 2018; DOI: 10.1038/s41560–017–0073–0
Minakshi, M et al. Bio-waste chicken eggshells to store energy. 2018. Dalton transactions, 2018 (47), 16828–16834. doi:10.1039/c8dt03252a.

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