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Erneuerung der Erneuerbaren – der Energieeinkauf kann sich verteuern

„EEG 2.0“ – Das Erneuerbare-Energien-Gesetz
Erneuerung der Erneuerbaren – der Energieeinkauf kann sich verteuern

Viele Einkäufer sind mit der Beschaffung von Energie für ihr Unternehmen beschäftigt. Für sie ist von Interesse, welche Auswirkungen die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) hat, die der Bundestag am 27. Juni 2014 beschlossen hat. Insbesondere für stromintensive Industrien kann es erhebliche Änderungen geben.

Die Kosten für den Umbau des Energiesystems tragen sowohl private Stromkunden als auch die Industrie in Form der sogenannten EEG-Umlage – bisher übrigens in etwa gleicher Höhe, nämlich rund acht zu 7,4 Milliarden Euro. Stromintensive Unternehmen kamen dabei in den Genuss einer besonderen Ausnahmeregelung und mussten die Umlage nur zu einem Bruchteil zahlen – Rabatte in einer Größenordnung von rund fünf Milliarden Euro jährlich. Hier setzt die Bundesregierung, getrieben von strengeren EU-rechtlichen Leitlinien, nun den Rotstift an und verschärft die Voraussetzungen der Privilegierung. Schon ab 1. August 2014 fallen nur noch diejenigen Firmen unter die Ausnahmeregelung, die in strom- und handelsintensiven Branchen tätig sind. Und eine weitere Bedingung muss erfüllt sein: Das Unternehmen muss im internationalen Wettbewerb stehen. Somit soll die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen, die im Vergleich zur internationalen Konkurrenz schon jetzt hohe Stromkosten zahlen, geschützt werden.

Antrag und Nachweis. Zukünftig muss nun ein Unternehmen gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) nachweisen, dass der Anteil der Stromkosten an seiner Bruttowertschöpfung besonders hoch ist: 16 Prozent beziehungsweise 20 Prozent, je nach Branche. Der Gesetzgeber hat dafür kräftig sortiert:
In Liste 1, die dem Gesetz anhängt, sind 68 Branchen aufgeführt, für die die 16-Prozent-Schwelle gilt. Die in Liste 2 aufgeführten weiteren 151 Branchen müssen die 20-Prozent-Schwelle erreichen. Im alten EEG waren es noch einheitlich 14 Prozent. „Daneben können über eine Bestandsschutzregelung auch solche Unternehmen weiterhin Anträge stellen, die zwar nicht gelistet sind oder nicht die erhöhte Stromkostenintensität erfüllen, aber für 2014 einen Begrenzungsbescheid vom BAFA erhalten haben“, betont Rechtsanwalt Jens Nünemann von der Braunschweiger Energierechtskanzlei Ritter Gent Collegen. „Sie müssen allerdings eine Stromkostenintensität von wie bisher 14 Prozent nachweisen können.“
Schon früher trieb dieser Nachweis seltsame Blüten: Um die Bruttowertschöpfung herunterzurechnen und damit den Stromkostenanteil anwachsen zu lassen, drängten einige findige Unternehmen ihre Beschäftigten durch verdeckte Arbeitnehmerüberlassung in Werk- oder Dienstverträge oder ersetzten sie gar durch Leiharbeitnehmer. Dem wird nun ein Riegel vorgeschoben: Auch diese Kosten gelten künftig als Personalkosten.
Konkrete Berechnung. Konkret zahlen begünstigte Unternehmen in Zukunft nur für die erste verbrauchte Gigawattstunde die EEG-Umlage in voller Höhe, für den darüber hinaus verbrauchten Strom dann nur noch 15 Prozent der Umlage. Diese Belastung wird jedoch auf maximal vier Prozent der Bruttowertschöpfung des jeweiligen Unternehmens beschränkt; für die Unternehmen, die die 20-Prozent-Schwelle erreichen, auf maximal 0,5 Prozent. Diese Regelung wird in Anlehnung an die zugrunde liegenden EU-Vorgaben „Cap“ beziehungsweise „Super-Cap“ genannt. Aber auch bei „Cap“ und „Super-Cap“ sind neben der vollen Umlage für die erste Gigawattstunde noch mindestens 0,1 Cent je Kilowattstunde zu zahlen, Unternehmen der Aluminiumbranche zahlen unter Umständen noch weniger. „Positiv ist das Anerkenntnis des Gesetzgebers und Brüssels zu bewerten, dass die energieintensiven Unternehmen der NE-Metall-Industrie aufgrund der Abhängigkeit von weltweit einheitlichen Börsenpreisen keine Möglichkeiten haben, Kostensteigerungen aufgrund nationaler gesetzlicher Regelungen an ihre Kunden weiterzugeben“, lobt Peter Willbrandt, Vorstandsvorsitzender von Europas größtem Kupferhersteller Aurubis mit Sitz in Hamburg. „Durch die Festlegung des Mindestbetrages auf dem Niveau des EEG 2012 unter Berücksichtigung der neu eingeführten Deckel rechnen wir für Aurubis mit einer konstanten Belastung auf heutigem Niveau.“
Fristen und Rechtsschutz. Das neue System wird 2015 eingeführt. „Es empfiehlt sich, bei der Antragstellung genau dem BAFA-Merkblatt zur Antragstellung nach dem EEG 2014 zu folgen, mit dessen Veröffentlichung spätestens nach Inkrafttreten des neuen EEG Anfang August 2014 zu rechnen ist“, rät Energierechtsexperte Nünemann. „Der Antrag auf Begrenzung der EEG-Umlage für das Kalenderjahr 2015 kann nach dem Gesetzentwurf in der Fassung des Bundestagsbeschlusses bis zum 30. September 2014 gestellt werden.“
Unternehmen, die durch das neue System besonders belastet werden, sollen von Übergangsregelungen profitieren: Bei ihnen kann sich die zu zahlende Umlage von Jahr zu Jahr maximal verdoppeln. Weitere Härtefälle will der Gesetzgeber durch reduzierte Umlagesätze zum Beispiel für Unternehmen entschärfen, die für das nächste Jahr nicht mehr ausgleichsberechtigt sind. Jedem Unternehmen, das nicht mehr begünstigt ist, steht der Rechtsweg offen. „Der Rechtsschutz erfordert aber grundsätzlich einen vom BAFA abgelehnten Antrag auf Begrenzung der EEG-Umlage“, stellt Anwalt Nünemann klar. „Nur Unternehmen, die durch eine negative Behördenentscheidung beeinträchtigt sind, können nach deutschem Recht Rechtsschutz in Anspruch nehmen – dieser reicht wie bisher über den Widerspruch bis zum verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren mit dem Instanzenzug bis zum Bundesverwaltungsgericht.“
Erzeugung von Eigenstrom. Besondere Brisanz für die Industrie könnte im Wegfall des Eigenstromerzeugerprivilegs liegen. Wer bisher Strom selbst erzeugt und verbraucht hat, war von der EEG-Umlage befreit. Der EU-Kommission war dies ein Dorn im Auge, sie genehmigte die Besserstellung zunächst nur für weitere drei Jahre, danach soll auch bei Eigenversorgung aus neu errichteten Anlagen die volle Ökoumlage gezahlt werden. „Welche Auswirkungen Detailregelungen der EEG-Reform künftig haben werden, lässt sich derzeit noch nicht genau sagen“, so ein Sprecher des Chemieriesen BASF gegenüber der Beschaffung aktuell. „Erhebliche Unsicherheit für die Zukunft ergibt sich allerdings dadurch, dass der Bestandsschutz für Anlagen zur Erzeugung von Eigenstrom zeitlich befristet wurde.“ Schon 2017 soll die Bestandsschutzregelung überprüft werden – wenig Planungssicherheit also für neue Investitionen. „Es ist wichtig, dass die Regelungen langfristige Gültigkeit besitzen und auch im bereits angekündigten EEG 3.0 Berücksichtigung finden“, betont deshalb auch Aurubis-Vorstand Willbrandt.
Die Bundesregierung, die die Gesetzesnovelle gerne als „EEG 2.0“ bezeichnet, musste hart mit der EU-Kommission verhandeln und einige Zugeständnisse machen, um aus Brüssel grünes Licht für das Gesetz zu bekommen. Dort war neben dem neuen sogar noch das alte EEG von 2012 auf dem Prüfstand. Nach dem Kompromiss soll das BAFA die gewährten Rabatte für die Jahre 2013 und 2014 rückwirkend auf Basis der schärferen Regeln des neuen EEG überprüfen. Für rund 350 Unternehmen könnte dies zu Nachzahlungen von zusammen 30 Millionen Euro für beide Jahre führen.
Ungewohnte Rückendeckung hat die Bundesregierung kürzlich vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) erhalten: Er entschied wenige Tage nach dem Gesetzesbeschluss im Bundestag, dass für im Ausland produzierten Ökostrom im Inland keine Subventionen gezahlt werden müssen. Sonst wäre womöglich gleich die nächste EEG-Reform oder Stromerhöhung fällig gewesen.

Deutschlands Energiewende

Hintergrund

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz trat im Jahr 2000 in Kraft. Schon lange vor Fukushima fand sich unter der damaligen rot-grünen Regierung eine parlamentarische Mehrheit für einen zeitlich gestaffelten Atomausstieg. Im Zuge dieses Atomkonsenses wurde auch das EEG erlassen, das den Ausbau erneuerbarer Energien fördern sollte. Zehn Jahre später – die Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke war gerade von der schwarz-gelben Regierung beschlossen worden – führte dann die Nuklearkatastrophe in Japan am 11. März 2011 zum fast unmittelbaren Atomausstieg Deutschlands und machte die noch stärkere Förderung von Solarenergie, Windenergie und Biomasse durch eine EEG-Novelle erforderlich. Heute stammen 25 Prozent der Stromversorgung aus regenerativen Energiequellen – dank oder trotz EEG, je nach Sichtweise. 2014 steht das Gesetz nun wieder im Fokus: Die massenhafte Förderung insbesondere der sich rasch ausbreitenden Photovoltaik- und Biomasseanlagen hat den Strom extrem verteuert. Um diese Kostendynamik zu durchbrechen, wird jetzt reformiert, umverteilt und zusammengestrichen.
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