Startseite » Allgemein »

Erst die Rendite, dann das Detail

ZF-Vorstandsmitglied Wolfgang Vogel
Erst die Rendite, dann das Detail

Ist der Zulieferer pleite, hat auch ein OEM nichts davon. Zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Zulieferer und OEM gehört die Verständigung über einen Gewinn – auch des kleineren Partners. Erst dann könne man sich gemeinsam die Kalkulation ansehen, meint ZF-Vorstandsmitglied Wolfgang Vogel im Gespräch mit Beschaffung-aktuell-Redakteur Daniel Zabota.

Beschaffung aktuell: Herr Vogel, wer die Berichte über Autozulieferer in den Medien verfolgt, auch in unserem Magazin, bekommt Tränen in die Augen. Die armen Zulieferer würden ausgequetscht wie eine Zitrone. Fühlt man sich bei ZF so?

Wolfgang Vogel: In der Tat finden sich die Automobilzulieferer in einer Sandwich-Position zwischen den Fahrzeugherstellern, die zum Teil massive Preissenkungen fordern, und den stetig steigenden Basiskosten für Rohmaterial, Energie und Personal. Dies gilt auch für ZF.
Beschaffung aktuell: Der Kosten- und Zeitdruck auf Zulieferer geht zu Lasten der Qualität von Neuwagen, meint die Forschungsstelle für Automobilwirtschaft. Könnte da auch mal ein ZF-Getriebe hakeln?
Wolfgang Vogel: Hier irrt die Forschungsstelle. Über einen längeren Zeitraum betrachtet weisen insbesondere deutsche Automobile und deren Systembestandteile eine enorme Erhöhung der Leistungsdichte, der Lebensdauer und des Kundennutzens auf. Dies trotz der Entwicklung beim Preis-Leistungs-Verhältnis. Diese Aussage kann auch auf ZF-Getriebe übertragen werden.
Beschaffung aktuell: Hat der Vorstand bei ZF konkrete Erwartungen an den Einkauf?
Wolfgang Vogel: Der ZF-Einkauf muss bei unseren Lieferanten mindestens gleich viel erzielen wie es unsere Kunden von uns fordern. Steigende Personalkosten müssen über Rationalisierungen aufgefangen werden.
Beschaffung aktuell: Innovationen bringen die deutsche Wirtschaft voran, heißt es in den Sonntagsreden der Politik. Ist ZF der Beweis, dass das tatsächlich funktioniert?
Wolfgang Vogel: Innovationen mit deutlichem Kundennutzen gehören zur Kernstrategie von ZF. Die führende Stellung bei automatischen Getrieben für Nutzfahrzeuge und Pkw, elektronisch gesteuerte Fahrwerkssysteme oder die Aktivlenkung belegen diese Positionierung.
Beschaffung aktuell: ZF berichtet über eine Umsatzsteigerung von stolzen acht Prozent in den ersten acht Monaten des Jahres 2005. Wir unterstellen, Sie sind gute Getriebebauer und gute Kaufleute. Also sollte vom Umsatzplus auch ein Gewinn übrig bleiben. Weckt das nicht Begehrlichkeiten? Schließlich sitzen Ihre Vertriebsleute den Einkäufern der Automobilindustrie gegenüber. Und die sind bekanntlich knallhart und könnten Zugeständnisse beim Preis fordern.
Wolfgang Vogel: Unsere Branche wird unter anderem von Konjunkturzyklen bestimmt. Entscheidend ist, dass im mittelfristigen Durchschnitt genügend Gewinn erwirtschaftet wird, um die Investitionen in die Zukunft finanzieren zu können.
Beschaffung aktuell: Ist es vorgekommen, dass ein OEM Einblick in Ihre Kalkulation wünschte?
Wolfgang Vogel: Das kommt in Ausnahmefällen vor. Sofern wir uns im Vorfeld auf eine Rendite des Projekts einigen können, sind wir auch bereit, die gemeinsam beeinflussbaren Teile der Kalkulation offen zu legen.
Beschaffung aktuell: Der Einkauf von ZF geht mit seinen Lieferanten, wie wir wissen, partnerschaftlich um. Haben Sie den Eindruck, man sieht auch ZF als Lieferanten und Partner?
Wolfgang Vogel: Dazu müssen unsere Lieferanten eine Aussage treffen. Ich gehe aber davon aus, dass wir trotz des unumgänglichen Kostendrucks von unseren Lieferanten als partnerschaftlicher Kunde gesehen werden.
Beschaffung aktuell: Die Tätigkeit des Einkaufs wirkt sich auf alle Bereiche aus. Wie ist das bei ZF geregelt – gibt es eine „Vorfahrtsregelung“ für den Einkauf?
Wolfgang Vogel: Der Einkauf und unsere Systemlieferanten sind von Anfang an bei der Produktentwicklung mit dabei. Außerdem koordiniert ein Warengruppen-Management konzernweit die Einkaufsaktivitäten aller Commodities.
Beschaffung aktuell: Vor allem Techniker, Konstrukteure und Ingenieure haben oft andere Vorstellungen als der Einkäufer. Wie bringen Sie das unter einen Hut?
Wolfgang Vogel: Die Zeiten der „Technikverliebtheit“ sind – mit Ausnahme ganz weniger Projekte in der Luxusklasse – vorbei. Beachtung des Kundennutzens und Design to Cost sind heute selbstverständliche Bestandteile jeder Produktplanung – für Ingenieure und Einkäufer.
Beschaffung aktuell: Die Suche nach Lieferanten in so genannten „Billiglohnländern“ oder Low Cost Countries (LCC) ist Bestandteil der Einkaufsstrategie in vielen deutschen Konzernen. Wir kennen ein Unternehmen, das innerhalb von zwei Jahren den Anteil von Lieferungen aus LCC von 15 auf 25 Prozent erhöhen will. Wie sieht es da bei ZF aus?
Wolfgang Vogel: In erster Linie kaufen wir in den Low-Cost-Countries den Bedarf für unsere eigenen Produktionsstätten in diesen Ländern ein. Mittelfristig wird der Anteil der Bezüge aus diesen Ländern jedoch auch bei uns deutlich steigen. Auch unsere Kunden erwarten das von uns.
Beschaffung aktuell: Sie sind im Vorstand von ZF auch für Südamerika zuständig. Nun liegen die gängigen Beschaffungsquellen in China, Indien oder Polen. Der Name „Südamerika“ fällt fast nie. Woran liegt das?
Wolfgang Vogel: ZF exportiert aus Südamerika deutlich mehr als in diese Region importiert wird. Insbesondere Komponentenzulieferungen sowie Fertigprodukte für Schwellenländer lassen sich in Südamerika günstig darstellen. Hier schlummert noch zusätzliches Potenzial.
Beschaffung aktuell: Ihre Meinung, bitte: Was kommt nach Lieferantennetzwerken und Global Sourcing als Megatrend in der Beschaffung?
Wolfgang Vogel: Teilelieferer, Systemlieferanten und Fahrzeughersteller werden in noch höherem Ausmaß als bisher Teil einer durchgängigen Prozesskette im Produktentstehungs- und Auftragserfüllungsprozess. Die Grenzen werden durchlässig. Beispiele dafür gibt es schon heute, z. B. im VW-Nutzfahrzeugwerk Resende in Brasilien.
Beschaffung aktuell: Herr Vogel, wir danken für dieses Gespräch.
Teilelieferer, Systemlieferanten und Fahrzeughersteller werden in noch höherem Ausmaß als bisher Teil einer durchgängigen Prozesskette im Produktentstehungs- und Auftragserfüllungsprozess.

Zur Person
Wolfgang Vogel, Vorstandsmitglied der ZF Friedrichshafen AG, Unternehmensbereich Nutzfahrzeug- und Sonder-Antriebstechnik, Geschäftsfeld Luftfahrt-Antriebstechnik, Marine-Antriebstechnik, Region Südamerika und Materialwirtschaft der ZF Friedrichshafen AG
19. Oktober 1945 geboren in Zell am See/ Österreich, 1963 Abitur, Wehrdienst, 1964 Studium des Maschinenbaus an der TU Wien, 1971 Texas Tech University, USA, Department of Industrial Engineering, Assistent, Fulbright Stipendiat, Abschluss als Master of Science, 1972 Webasto AG Fahrzeugtechnik, 1986 Vorstandsmitglied Bereich Karosseriesysteme, Aufsichtsratsmitglied in mehreren internationalen Unternehmen Mai 1994 Vorstandsmitglied Unternehmensbereich Nutzfahrzeug- und Sonder-Antriebstechnik, Materialwirtschaft der ZF Friedrichshafen AG, September 2001 zusätzlich verantwortlich für die Region Südamerika, März 2003 zusätzlich verantwortlich für Luftfahrt-Antriebstechnik und Marine-Antriebstechnik dz
Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 4
Ausgabe
4.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de