Startseite » Allgemein »

Es geht um Menschen, der Rest ist Technologie

Evolution des Einkaufs, Teil II – Sourcing
Es geht um Menschen, der Rest ist Technologie

Es geht um Menschen, der Rest ist Technologie
Manche Methoden im Einkauf haben schon etwas Rost angesetzt (Foto BigitH/pixelio.de)
„Die Theorie des Marketings ist einfach und lässt sich in einem Tag vermitteln. Es dauert jedoch ein Leben lang, bis man das Marketing beherrscht.“ Dieses Zitat von Marketing-Guru Philipp Kotler gilt nicht nur für den Absatzbereich, sondern auch für die Beschaffung.

Christer Hallqvist

Bei der Beschäftigung mit der Theorie des Marketings bemerkt man, dass sich die Strategien im Marketing und in der Beschaffung ähneln. Allerdings unter anderen Vorzeichen. Bei der Beschaffung geht es darum, den Wettbewerb zu steigern, im Marketing hingegen ist es Ziel, den Wettbewerb zu vermindern. Auch wenn das Bezugssystem sehr vereinfacht ist, bietet die Grafik weiter oben einen guten Einblick in die Beziehung von Einkäufern und Verkäufern. Ein- und Verkäufer mögen zwar verschiedene Strategien verfolgen, trotzdem sind beide Seiten an einem fairen Vergabeprozess interessiert, der auf Fakten beruht und korrekt abläuft. Ist dies gewährleistet, ist die Vertrauensbasis zwischen Lieferant und Anbieter gegeben. Eine rationale Vergabeentscheidung wird von den Lieferanten bereitwillig akzeptiert, selbst wenn der Konkurrent den Zuschlag erhält.
Beschaffung ist eigentlich keine Wissenschaft. Gleichwohl hat sich gezeigt, dass ein strategischer Ansatz bei der Beschaffung sinnvoll ist. Leider handeln zu wenige Beschaffungsabteilungen entsprechend oder arbeiten nur in bestimmten Bereichen mit einer Strategie. Das ist jedoch angesichts der hohen Komplexität in der Beschaffung nicht der richtige Weg. Nur durch einen strategischen Ansatz in der Beschaffung kann man den Einkauf von Materialien und Dienstleistungen kontinuierlich verbessern.
Der strategische Beschaffungsprozess ist zum Scheitern verdammt, wenn nicht eine der wesentlichen Voraussetzungen gegeben ist – ein wettbewerbsorientiertes Umfeld. Dies wird in der Regel übersehen. Man merkt es in der Beschaffung allerdings immer dann sofort, wenn eine Ausschreibung nicht die gewünschte Reaktion bei den Lieferanten hervorruft. Die Lieferantensuche ist somit einer der bedeutsamsten Schritte im strategischen Beschaffungsprozess, dem sich Einkaufsmanager voll widmen sollten. Die Einführung von Warengruppenteams in der Beschaffung ist sinnvoll, da in der Regel so das Fachwissen über die Lieferantenbasis steigt. Ein allgemeingültiges Konzept für die erfolgreiche Lieferantensuche gibt es jedoch nicht.
Die Differenzierung eines Produktes ist im Verkauf wichtig, um gegenüber der Konkurrenz bestehen zu können. Auch hier ist die Theorie, so Kotler, sehr viel einfacher als die praktische Umsetzung. Die Standardisierung hingegen ist aus der Perspektive der Beschaffung wesentlich, um den Wettbewerb aufrecht zu erhalten. Standardisierung in der Beschaffung bezieht sich auf die Angleichung von Spezifikationen und ebenso die Eingrenzung von Produktkategorien. Standardisierung ist auch ein wichtiger Aspekt, wenn es um das Thema Lieferanten geht. Oftmals haben Unternehmen zu viele Lieferanten. Dann kann es seinen Lieferanten nur geringe Volumen bieten, wodurch sich die Position des Unternehmens bei der Verhandlung verschlechtert. Standardisierung hilft, die Lieferantenzahl zu reduzieren und so Kosten zu sparen und Potenziale beim Einkauf besser ausschöpfen zu können oder auch kürzere Antwort- und Lieferzeiten zu erzielen. Ein weiterer Vorteil ist zudem, dass sich Unternehmen nach der Konsolidierung besser auf strategische Themen konzentrieren können, beispielsweise auf das Follow up mit den Lieferanten, die Optimierung der Prozesskette oder die Angleichung der Kosten.
Der Mann mit der Matrix – das Portfolio-Modell von Kraljic
Nach wie vor ist das von Peter Kraljic 1983 entwickelte Portfolio-Modell ein wichtiges strategisches Instrument in der Beschaffung. Der Erfolg der „Kraljic-Matrix“ ist unter anderem darin begründet, dass sie einfach einsetzbar ist und interne und externe Faktoren bei der Beschaffung berücksichtigt. Das Modell unterscheidet zwischen vier Produktkategorien (linke Seite: Produkte mit Hebelwirkung, unkritische Produkte; rechte Seite: Produkte mit strategischer Bedeutung, Engpassprodukte). Die Produkte, die der Einkauf den jeweiligen Quadranten zuordnet, werden nach ähnlichen strategischen Ansätzen und von dazu passenden Lieferanten eingekauft.
AT Kearney setzt auf ein Modell (siehe Abbildung 2), das auf dem von Kraljic basiert und zudem die passenden Beschaffungsstrategien ableitet. So ist der strategische Ansatz für die Beschaffungsgruppen auf der linken Seite der Matrix beispielsweise die Ausschreibung (Competitive Bidding). Dieser Ansatz erfordert Taktiken wie die Volumenbündelung, bestmögliche Preisbewertung und globale Beschaffung. Bei den Beschaffungsgruppen auf der rechten Seite geht es darum, die Lieferantenbeziehung systematisch weiterzuentwickeln. Dazu tragen Maßnahmen wie die Verbesserung der Produktklassifizierung, gemeinsame Prozessverbesserung oder die Umstrukturierung der Beziehungen bei.
Die strategische Beschaffung wird in der Regel nicht über den ganzen Beschaffungsprozess hinweg praktiziert, weil sie als zu komplex gilt. Doch was bedeutet Komplexität an dieser Stelle? Es gibt im Grunde genommen verschiedene Ebenen der Komplexität, abhängig beispielsweise vom Beschaffungsmarkt, den Kategorien oder Beschaffungsgruppen. Wichtig ist, dass man die jeweilige Beschaffungsstrategie, die sich aus den theoretischen Modellen ableiten lässt, als nicht zu statisch betrachtet. Wäre dies der Fall, könnte man für Beschaffungsgruppen, die den Quadranten für die strategischen Produkte oder Engpassprodukte zugeordnet wurden, niemals eine Ausschreibung durchführen. Das wurde jedoch in einigen Branchen bereits erfolgreich getan. Wenn man jedoch solche Transformationen in der Strategie durchführt, sollte man sich vorher einige Gedanken machen. So beispielsweise, ob man das Produkt oder den Service auf dem korrekten Einkaufslevel kauft, wann die nächste Produktgeneration in den Markt eingeführt wird oder ob die derzeitigen Spezifikationen den Wettbewerb im Markt negativ beeinflussen.
Zur Komplexität in der Beschaffung tragen auch die immer stärker werdende Spezialisierung der Unternehmen und die konsequente Verbesserung von Produkten oder Dienstleistungen bei. Dadurch wird auch die Beziehung zu den Lieferanten komplexer – schon weil auch sie ihr Angebot entsprechend anpassen müssen. Hinzu kommt der Aspekt der Globalisierung. Die internationale Beschaffung ist weit anspruchsvoller als die national begrenzte. Sie ist jedoch nicht nur für Blue-Chip-Unternehmen zum Alltag geworden, sondern auch viele mittelständische Unternehmen auf der ganzen Welt beziehen täglich Produkte über den globalen Beschaffungsmarkt.
Zurück zu der Beziehung zwischen Käufern und Einkäufern. Wie können beide Seiten ihre Bedürfnisse und gleichzeitig das gemeinsame Interesse an einer fairen Beziehung wahren? Der Schlüssel liegt darin, die konkurrierenden Ziele Standardisierung und Differenzierung zu harmonisieren. Grundvoraussetzung ist es, dem Lieferanten zu erlauben, sich zu differenzieren – sei es über Volumenrabatte, Preisstaffelungen, Paketangebote oder innovative Lösungen. Wie kann man nun für den Einkäufer gewährleisten, Transparenz und Vergleichbarkeit zu erhalten, ohne dabei zusätzlichen Zeitaufwand in Kauf zu nehmen. Eine zeitgemäße Lösung ist eine E-Sourcing-Plattform, denn sie gewährleistet, dass alle Faktoren für den Auswahlprozess berücksichtigt werden. Excel hingegen hat an dieser Stelle ausgedient.
Prozessautomatisierung durch E-Sourcing
Wesentlich ist, dass eine E-Sourcing-Plattform modular aufgebaut ist und damit als eine Art Toolbox eingesetzt werden kann. Wichtig ist auch, dass sie die meisten Stufen der strategischen Beschaffung abdecken kann und nicht nur die eher taktischen Bereiche in der Interaktion mit den Lieferanten. Bei einer E-Sourcing-Lösung passieren die Informationen nahtlos die einzelnen Module, sodass eine Neueingabe der Daten nicht notwendig ist. Sämtliche Informationen – aktuelle und historische sowie Vorlagen und Auswertungen – sind in einer gemeinsamen Datenbank gespeichert und jederzeit abrufbar. Ist ein Einkaufsvorgang erstmals initiiert, ist der überwiegende Teil der Vorbereitungen beim zweiten Mal bereits erledigt. Dann muss nur noch das für den neuen Vorgang veranschlagte Beschaffungsvolumen angepasst werden. Erfahrungsgemäß können so die Beschaffungszyklen bei der ersten Anwendung um 20 bis 25 Prozent reduziert werden. Man spart ganze 50 Prozent, wenn der Vorgang bereits einmal über die E-Sourcing-Lösung abgewickelt worden ist.
Hat man nach der Kraljic-Methode die Strategie der Ausschreibung für eine Beschaffungsgruppe gewählt, wendet man in der Regel die sogenannte Trichtermethode für die Auswahl des geeigneten Lieferanten an.
Die Datenverarbeitung und -analyse auf Basis einer E-Sourcing-Plattform funktioniert hier bei weitem effektiver und effizienter. 50 Lieferanten gleichzeitig zu verwalten, ist keine Schwierigkeit. Hier gilt: Je mehr Lieferanten, desto besser – und zwar bis zum Ende des Selektionsprozesses. Die vom Einkäufer vordefinierten Response-Formate sowie die archivierten Daten tragen hier ebenfalls zum Erfolg bei. Die Erfahrung zeigt, dass man auf diese Weise die besten Ergebnisse erzielt.
Differenzierung bei Lieferanten möglich machen
Dass man den Lieferanten die Möglichkeit einräumt, sich über ihre Angebote differenzieren zu können, ist nicht nur für die Verkäufer, sondern auch für die Einkäufer interessant.
Vor Einführung einer E-Sourcing-Plattform waren Einkäufer eher zurückhaltend, wenn es darum ging, Lieferanten volle Flexibilität zu gewährleisten. Die Angebotsanalyse erfolgte ausschließlich über Excel, ein Spreadsheet enthielt unendlich viele Details und alles war äußerst aufwendig und fehleranfällig. So sahen sich Einkäufer vorher dazu gezwungen, die Differenzierungsansätze der Lieferanten einzuschränken. Ausgereifte E-Sourcing-Tools machen dies heute überflüssig. Sie ermöglichen Szenario-Analyse, sodass schnell und einfach verschiedene Beschaffungsalternativen durchgespielt werden können. Durch Szenario-Analyse lassen sich auch folgende Fragen beantworten: Wie hoch sind die Gesamtkosten für die beschafften Produkte und Dienstleistungen? Was passiert, wenn verschiedene Produktgruppen kombiniert werden? Was sind die geringst möglichen Beschaffungskosten? Antworten sind mit einer E-Sourcing-Plattform in Minuten abrufbar, die Analyse dauert nicht mehr wie mit Excel Stunden oder Tage.
Es ist die Kombination aus einer schlüssigen Beschaffungsstrategie und den entsprechenden Support Tools, die den Einkauf erfolgreich macht. E-Sourcing ist dabei eine treibende Kraft und der Schlüssel, um dem strategischen Beschaffungsprozess mehr Wirkung zu verleihen. Natürlich ist die Wahl der richtigen Strategie Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von E-Sourcing. Ohne E-Sourcing jedoch hilft der korrekte strategische Ansatz wenig, da die notwendige Transparenz und Automatisierung in der Beschaffung nicht gewährleistet werden können.

Der Autor


Serie

Purchasing Transformation (ISBN 978-9163324949) liefert neue Ansätze, wie Unternehmen die Potenziale des Einkaufs ausschöpfen können. Dem Herausgeber, IBX Group AB, kommt es bei der Beschaffung auf den richtigen Mix aus Strategie und leistungsstarken E-Sourcing-Tools an. Dieser Beitrag ist der zweite der vierteiligen Serie zur erfolgreichen Umstrukturierung von Beschaffungsabteilungen. Bisher erschienen:
  • Teil I: Organisation und Steuerung: Hohen Erwartungen gerecht werden (Oktober 2008)
  • Teil II: Sourcing: Es geht um Menschen, der Rest ist Technologie (November 2008)
  • Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 3
Ausgabe
3.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de