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Einkauf von Anwaltsdienstleistungen
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Das Thema Einkauf von juristischen Dienstleistungen steht in vielen Unternehmen seit einiger Zeit auf der Tagesordnung. Angesichts erheblicher Beratungskosten drängt die Unternehmensführung auf effektive Kostensenkungsmaßnahmen. Einkaufsabteilungen sind erfahren im Einkauf von Waren und Dienstleistungen, doch Rechtsabteilungen wehren sich regelmäßig gegen Veränderungen und Einflussnahmen „von außen“. Gemeinsam könnten beide Abteilungen jedoch erhebliche Potenziale zur Steigerung von Qualität und Effizienz externer juristischer Beratung heben.

In einer Studie im Auftrag der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ gaben fast 60 Prozent der befragten Rechtsabteilungen an, mit der Höhe ihrer Anwaltskosten und deren Planbarkeit unzufrieden zu sein, doch beauftragt gleichzeitig eine Mehrheit von 70 Prozent der großen Unternehmen stets den bewährten anwaltlichen Dienstleister ohne vorherige Ausschreibung. Es fragt sich, woran das liegt. Wie kommt es, dass viele der Befragten unzufrieden sind, aber offenbar nur wenige von ihnen bislang ernsthaft versucht haben, diesen Zustand zu ändern?

Das herkömmliche Modell. Rechtsabteilungen verweisen gerne darauf, dass sie kostensenkende Maßnahmen ergriffen haben, indem sie den von ihnen beauftragten Kanzleien erhebliche Abschläge auf die Stundensätze abgerungen haben. Dies wird von der eingangs genannten Studie bestätigt: die Hälfte der Befragten hat mit ihrer Kanzlei Rabatte von zwischen 10 und 20 Prozent vereinbart. Leider ist das Resultat bei näherem Hinsehen aber eher Kosmetik, weil sich dadurch die tatsächlichen Beratungskosten nicht nennenswert reduzieren ließen. Warum? Zum einen deutet die durchaus freigiebige Rabattgewährung schon an, dass die Abschläge vorher eingepreist sind. Zum anderen kommt der sog. „Wasserbetteffekt“ zum Tragen: Geringere Stundensätze können durch Änderungen im Team (mehr und teurere Anwälte) oder zeitaufwendigere Bearbeitung einzelner Themen leicht kompensiert werden. Die hochgerechneten Ersparnisse („ohne Discount wäre unser Aufwand für Anwälte um X-hunderttausend Euro höher gewesen“), erweisen sich somit als Milchmädchenrechnung. Auch Einkaufsabteilungen schauen bislang vor allem auf die Stundensätze und erliegen damit vielfach dem trügerischen Charme der Discounts; denn sie übersehen dabei, dass die Anwaltskanzlei ihr Arbeitsvolumen und damit ihr Honorar weitgehend selbst festlegt.
Sonderstellung. Anwaltskanzleien bleiben von den üblichen Einkaufsusancen von Unternehmen verschont, weil so heißt es, die Tätigkeit des Anwalts einzigartig, komplex und individuell, eben „anders“ als andere Dienstleistungen sei. Die üblichen Kriterien und Mechanismen für deren Beschaffung ließen sich auf Anwälte daher nicht anwenden. Gerne wird auch auf das besondere Arbeits- und Vertrauensverhältnis verwiesen, das es nicht zu beschädigen gelte. Anwälte seien „Professionals“, die Art und Umfang ihrer Tätigkeit schon eigenverantwortlich bestimmen müssten, da sie ja auch dafür hafteten.
Sind diese Gründe valide? Nur zum Teil, insofern als die Dienstleistung des Anwalts im Unternehmensrecht tatsächlich komplex ist und ein hohes Maß an wechselseitigem Vertrauen zwischen Mandant und Anwalt erfordert. Doch folgt daraus nicht, dass Instrumente wie Wettbewerb, Vergleichbarkeit von Angeboten, Budget, klare Leistungsbeschreibungen bei der Beauftragung von Anwälten fehl am Platze wären. Bei sinnvollem Einsatz dieser Instrumente lassen sich im Gegenteil durchaus Steigerungen von Qualität und Effizienz erzielen.
Neuere Lösungsansätze. Um hier eine pragmatische Lösung zu finden, sollten einerseits die Eigenarten des Produkts Rechtsberatung und die Bedürfnisse der Rechtsabteilung respektiert, andererseits moderne und bewährte Instrumente nutzbar gemacht werden. Gelingen wird dies im Ergebnis aber nur, wenn sich alle Beteiligten im Unternehmen, Unternehmensführung, Rechtsabteilung und Einkaufsabteilung, darauf verständigen für die Auswahl und Gestaltung des Verhältnisses zu Anwaltskanzleien einen strukturierten Prozess überhaupt erst zu etablieren, ihre jeweilige Expertise einzubringen und eine sinnvolle Aufgabenteilung vorzunehmen.
Wichtig dafür ist jedoch zunächst ein Verständnis für das Geschäftsmodell von Anwaltskanzleien zu entwickeln. Oberflächlich betrachtet besteht dieses darin, Beratungsleistungen auf Basis von Stundenhonoraren zu erbringen und diese möglichst ungeschmälert beim Mandanten abzurechnen. Dabei ist der Stundensatz nur eine Komponente; dessen Reduzierung resultiert daher nicht unbedingt in höherer Kosteneffizienz bzw. niedrigeren Kosten. Vielmehr kommt es für die Gesamtkosten maßgeblich auf die Zahl und die Seniorität der eingesetzten Anwälte an (für erfahrene Anwälte werden höhere Stundensätze berechnet) und deren individuelle Arbeitsweise, den kanzleiinternen Abstimmungsaufwand (der regelmäßig auch in Rechnung gestellt wird!). Vor allem kommt es darauf an, welche rechtlichen Themen (möglicherweise auch solche von weniger relevanter wirtschaftlicher Bedeutung) mit welcher Intensität bearbeitet werden. Im Ergebnis verwenden Anwaltskanzleien ein Geschäftsmodell mit der Formel „Kosten plus Marge“ mit durchaus hohen Kosten und hohen Margen. Der Markt ist dabei ziemlich intransparent, und die Kanzleien unterscheiden sich in Expertise, Geschäftsmodell, Arbeitsstil und Strukturen erheblich. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass Anreize zum effizienten Arbeiten und wirksame Kostenkontrollmechanismen fehlen.
Das Vorbild einiger Großunternehmen. Einige Großunternehmen haben aus diesem Befund Konsequenzen gezogen und unterwerfen Auswahl und Führung ihrer Anwälte einem ähnlichen Prozess wie bei ihren anderen Dienstleistern. General Electric etwa ist vor einiger Zeit dazu übergegangen, für wichtige Beratungsleistungen sogenannte Panels von Kanzleien zu bilden und dabei die Auswahl und die Führung von Kanzleien durch eine Vielzahl von miteinander verbundenen Maßnahmen strikt an Qualität und Effizienz auszurichten. Die Bayer AG hat eine eigene (mit Juristen besetzte) Stabstelle am Schnittpunkt zwischen Einkaufs- und Rechtsabteilung geschaffen, die zentral für alle wesentlichen Unternehmensbereiche an der Auswahl von Kanzleien und insbesondere der Festlegung der Mandatsbedingungen mitwirkt. Die Vorteile bestehen in einer gewissen Trennung von Einkauf und Mandatsbeziehung, wodurch die Kompetenz der Einkaufsabteilung (aber unter notwendiger Berücksichtigung der Besonderheiten des Anwaltsmarkts) genutzt wird; Interessenkonflikten wird vorgebeugt und die eigentliche Mandatsbeziehung entlastet. General Electric und Bayer greifen nicht nur einzelne Elemente heraus und versuchen diese isoliert zu optimieren, sondern steuern alle die Qualität und Effizienz beeinflussenden Faktoren bei Auswahl und Management ihrer Kanzleien. Dazu gehören auch Maßnahmen im eigenen Unternehmen, wie etwa die Definition der Schnittstellen zwischen Unternehmen und Kanzlei (wer darf überhaupt Anwälte beauftragen bzw. konsultieren? – Anwälte haben immer Zeit für Anrufe verschiedenster Mitarbeiter ihrer Mandanten, und stets läuft die Uhr).
Konkrete Maßnahmen. Konkret lassen sich sicherlich nicht alle Maßnahmen dieser Großunternehmen auf andere Unternehmen übertragen, doch bestimmte Kernelemente davon sind universell anwendbar. Zunächst sollte jedes Unternehmen und seine Rechtsabteilung eine grundsätzliche Sensibilität für dieses Thema entwickeln. Sodann geht es darum Auswahl und Führung der Kanzlei oder Kanzleien einem strukturierten Prozess zu überantworten. Im Einzelnen:
Kanzleiauswahl
Ohne nachvollziehbares Auswahlverfahren bleibt es dem Zufall überlassen, ob die richtige Anwaltsleistung eingekauft wird. Geeignete Schritte sind:
  • Präzise analysieren, welche Rechtsdienstleistungen das Unternehmen a) in einem konkret anstehenden Mandat oder b) bei Bildung eines Panels in überschaubarer Zukunft benötigt (sich dabei stets auch fragen, welche Aufgaben besser im Unternehmen selbst erledigt werden);
  • Überlegen, welche Kanzleien nach Spezialisierung, Arbeitsweise und sonstigem Zuschnitt prinzipiell geeignet sind, das Unternehmen für die im ersten Schritt identifizierten Themen zu beraten; hierzu bedarf es einer guten Kenntnis des Anwaltsmarkts, denn manche Kanzleien tendieren dazu, ihre Fähigkeiten zu rosig darzustellen;
  • Angebote von einigen als grundsätzlich geeignet identifizierten Kanzleien einholen, und zwar unter Nutzung sinnvoller und insbesondere vergleichbarer (!) Kriterien, einschließlich eines aussagekräftigen Budgets und einer detaillierten Stellungnahme der Kanzleien zu dem Entwurf des Mandatsvertrags, der vom Unternehmen vorgelegt wird (s. u.);
  • Vertreter der Kanzleien, die in die engere Wahl gelangt sind, zur persönlichen Vorstellung einladen; für dessen Ablauf sollte das Unternehmen unbedingt Regeln und Vorgaben entwickeln; eine bloße Eigenpräsentation der Kanzleien ist nicht zielführend;
  • Entscheiden, welche Anwälte (nicht nur welche Kanzleien) von ihrer Persönlichkeit und ihrem Auftreten für die Zusammenarbeit geeignet sind (stimmt die Chemie?).
Mandatsvereinbarung
Bestandteil des Auswahlverfahrens ist der Abschluss einer Mandatsvereinbarung, die deutlich über die üblichen von der Kanzlei entworfenen Standardvereinbarungen hinausgeht. In ihr werden die Themen Effizienz und Qualität operativ umgesetzt. Zu regelnde Themen sind unter anderem folgende:
  • „Lastenheft“ für Beschreibung, Umfang und Schwerpunkte der Beratung;
  • Bestimmung von abrechenbarer und nicht abrechenbarer Tätigkeit;
  • Teamzusammensetzung mit Namen;
  • nach Wertigkeit der Tätigkeit differenzierte Stundensätze;
  • Umgang mit Interessenkonflikten;
  • Haftung;
  • Budget;
  • Honorar und Honorarobergrenzen.
Der anfängliche Aufwand ist für das Unternehmen nicht unerheblich, lohnt sich aber mittel- und langfristig. Vor allem: Alle diese Dinge müssen, um wirksam zu sein, zu Beginn der Beauftragung festgelegt werden. Ist das Mandat erst einmal erteilt, reduzieren sich die Einflussmöglichkeiten des Mandanten drastisch.
Mandatsführung
Im laufenden Mandat konzentriert sich die Tätigkeit in Bezug auf das Management der Kanzlei auf die Kontrolle der Einhaltung
der Mandatsvereinbarung und des Budgets sowie den Umgang mit unvermeidlichen, nicht vorhergesehenen, Situationen, etwa auftauchende Sonderprobleme oder Ausweitungen der Transaktion. Entscheidend ist dabei, dass Inhalt und Umfang des Mandats nicht autonom von der Kanzlei bestimmt werden, sondern das Unternehmen durch Mandatsvereinbarung und Mandatsführung maßgeblichen Einfluss darauf nimmt bzw. behält.
Vorteile. Gelingt dies, erhält das Unternehmen eine bessere Beratung und spart Kosten. Auch die Leitung der Rechtsabteilung profitiert unmittelbar. Sie ergreift selbst die Initiative anstatt nur auf Kostensenkungsdruck zu reagieren und schafft sich damit Gestaltungsspielräume im eigenen Unternehmen und gegenüber der oder den beauftragten Kanzlei(en). Das Budget für die Rechtsabteilung für zugekaufte Leistungen wird entlastet und kann für andere Zwecke genutzt werden. Nicht unterschätzt werden sollte auch das Thema Compliance: Kann man sich überhaupt noch leisten ohne nachvollziehbares Auswahlverfahren Dienstleister zu hohen Kosten und mit für das Unternehmen potenziell erheblichen finanziellen Auswirkungen und Risiken zu beauftragen?
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