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Fehler als Chance begreifen

Auch Meister machen Fehler
Fehler als Chance begreifen

Fehler als Chance begreifen
(Bild: Luis Molinero Martínez/123rf)
Die Nachwuchsmanager in Deutschland neigen dazu, Fehlentscheidungen zu beschönigen, statt daraus zu lernen. Dies ist ein Ergebnis einer Studie der Management- und HR-Beratung Metaberatung aus Düsseldorf. Fehler zu machen, bedeutet in vielen Unternehmen scheitern. Arbeitsforscher fordern ein Umdenken bei der Arbeitskultur, weil Fehler Chancen zu Lernerfolgen und Verbesserungen eröffnen.

Werden Fehler automatisch mit schlampiger Arbeit oder Unfähigkeit gleichgesetzt, wird exakt das abgewürgt, was ein Unternehmen in den Turbulenzen, alles Gewohnte zunehmend außer Kraft setzender Innovationen in die Lage versetzt, sich erfolgreich zu behaupten: Eigeninitiative und die Bereitschaft, Aufgabenlösungen aus einem Blick jenseits des Üblichen und Routinierten anzugehen“, gibt Thomas Weegen, Geschäftsführer der auf Zusammenarbeit und Unternehmensentwicklung spezialisierten Unternehmensberatung Coverdale, München, zu bedenken.

Und so lautet sein Rat: „Auf Fehler nicht impulsiv mit Schuldzuweisen reagieren, sondern dem ‚Warum‘ und ‚Weshalb‘ eines Fehlers nachspüren. Ursachenforschung betreiben, die versteckte Botschaft eines Fehlers entziffern.“ Im Gegensatz zu ihrem schlechten Image seien Fehler wichtige, aufschlussreiche betriebliche Lern- und Weiterentwicklungshelfer.
Weegen: „Wo nur auf die negative Seite von Fehlern fokussiert wird, bleibt die in Fehlern verborgene Erkenntnis- und Entwicklungsqualität ungenutzt. Damit entgehen den Betrieben maßgebliche Verbesserungs- und Innovationspotenziale. Es ist nicht im betrieblichen Interesse, bei auftretenden Fehlern auf der Stelle die vermeintlich Verantwortlichen runterzuputzen.“ Und so plädiert er für ein den betrieblichen Interessen entsprechendes ‚Einerseits‘ und ‚Andererseits‘.
Einerseits: Stellt sich heraus, jemand hat fahrlässig, nachlässig oder aus Desinteresse an der Arbeit „Mist gebaut“, liegt die Fehlerursache also in der Arbeitshaltung, dann sind deutliche Worte, dann ist ein ruhig, aber bestimmt geführtes Kritikgespräch angebracht. Am besten unter vier Augen, nicht als öffentliches Tribunal. Es sollte auf Einsicht zielen und auf die Bereitschaft zur „Besserung“, nicht auf Kleinmachen. Läuft dieses Bemühen ins Leere, sind Konsequenzen zu ziehen.
Anderseits: Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Vermutlich gibt es niemanden, der mit diesem Teufel noch nicht Bekanntschaft gemacht hat. Solides Fachwissen, saubere Planung, Konzentration und Umsicht beim Tun, einwandfreies Material, all das schützt manchmal nicht davor, schon im Verlauf der Arbeit oder nach deren Abschluss plötzlich mit dem unguten Gefühl dazustehen: Irgendwie und irgendwo hat sich da ein Fehler eingeschlichen.
Weegen führt ein weiteres Argument für einen anderen Umgang mit Fehlern ins Feld: „In jedem Belegschaftsmitglied stecken unerschlossene Fähigkeitspotenziale. Potenziale, die ein Betrieb heute mehr denn je braucht. Diese Fähigkeiten erschließt sich der Betrieb nur, wenn er seinen Leuten Mut macht, über ihr routiniertes, erprobtes Verhalten hinauszugehen und ihnen auch die Möglichkeit einräumt, etwas auszuprobieren und damit wichtige Lernerfahrungen zu machen.“
Was Weegen den Betrieben ans Herz legt, hat der Kanadier Laurence J. Peter auf die kurze Formel gebracht: „Fehler vermeidet man, indem man Erfahrungen sammelt. Erfahrungen sammelt man, indem man Fehler macht.“ Zur Erinnerung, der pragmatische Kanadier ist der „Entdecker“ des nach ihm benannten ‚Peter-Prinzips´, demzufolge jeder bis zur Stufe seiner Unfähigkeit in einer Hierarchie aufsteigt.
Wie es ein altes russisches Sprichwort schon so treffend sagt: „Ohne etwas zu verpatzen, wird man nicht Meister.“ Ohne Irrtum, ohne Fehler zu machen und daraus zu lernen, entwickelt sich kein Mensch und kein Unternehmen weiter. Wie Goethe Mephistopheles im zweiten Teil des „Faust“ sagen lässt: „Wenn du nicht irrst, kommst du nicht zu Verstand.“ Deshalb gibt es für Weegen keine wirkungsvollere Initiativ- und Entwicklungsbremse als den kurzsichtigen Umgang mit Fehlern. Nichts lasse ein Unternehmen schneller hinter den Gang der Dinge zurück- oder ganz und gar aus ihm herausfallen als diese Kurzsichtigkeit.
Anstatt aus den Fehlern zu lernen,
werden sie häufig unter den Teppich gekehrt
Lehre ihn seine Erfahrung als Berater doch: „Die quasi automatisierte Unfähigkeitsvermutung schüchtert die Belegschaft ein und löst einen sturen Dienst nach Vorschrift aus. Und der ist heute existenzbedrohender als alle Wettbewerber zusammen.“ Wie Peters macht sich auch Weegen stark für ein betriebliches Erfahrungslernen. Gemachte Erfahrungen zu analysieren, Schlüsse daraus zu ziehen und das so Erkannte in die Praxis einfließen zu lassen, lasse sich trainieren und trage erheblich zum betrieblichen Erkenntnisgewinn bei.
Eine Sichtweise, die eine Bemerkung des Neuropsychologen Professor Markus Ullsperger von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg bestätigt: „Fehler bestimmen unser Leben.“ Fehler, so Ullsperger, „können fatale Folgen nach sich ziehen, tragen aber andererseits zur Optimierung unserer täglichen Handlungen bei. Überraschende und ungewollte Ergebnisse geben oft mehr Aufschluss als die bloße Bestätigung unserer Erwartungen. Fehler treiben die Erkenntnis voran.“
Es ist noch nie ein Meister
vom Himmel gefallen
Auch Johannes Steyrer, Professor an der Interdisziplinären Abteilung für Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management an der Wirtschaftsuniversität Wien stößt in dasselbe Horn: „Unsere Studien zeigen, dass eine Blame-Shame-Kultur nach Fehlervorkommnissen tödlich für das Lernen aus Fehlern ist. So werden nämlich Vorkommnisse unter den Teppich gekehrt und es wird nichts daraus gelernt.“
Und dieses „unter-den-Teppich-kehren“ ist für den Schweizer Krisenspezialist Professor Laurent F. Carrel, Biel, brandgefährlich: „Sorgt eine kurzsichtige betriebliche Fehlerpolitik dafür, dass Fehler aus Selbstschutzgründen vertuscht oder im Angstverfahren so gut es eben möglich ist repariert werden, können sich selbst die simpelsten Fehler zu unkalkulierbaren Zeitbomben entwickeln.“ Nur der offene, auf Erkenntnis zielende Umgang mit Fehlern beflügele die betriebliche Entwicklung und schütze vor der so gefährlichen Fehlermultiplikation.
„Verschwiegene und vertuschte Fehler können sich in Windeseile zu einer Fehlerwelle auswachsen und ein Unternehmen urplötzlich mit einer Situation konfrontieren, die nur noch schwer zu beherrschen und ohne größere Sach- und/oder Rufschäden anzurichten, zu bereinigen ist“, gibt Carrel zu bedenken. Für ihn ist deshalb ein nicht automatisch anklagender und Schuld zuweisender, sondern um- und weitsichtig analysierender Umgang mit Fehlern auch ein zentraler Baustein des Krisenschutzes in einer Organisation.
Der Innsbrucker Managementforscher Professor Hans H. Hinterhuber lenkt den Blick auf einen weiteren Aspekt des umsichtige(re)n Umgangs mit Fehlern: „Mit taktischen Jasagern und Kopfnickern, mit Menschen, die es aus Selbstschutzgründen für angebracht halten, um jedwedes ausprobierende Handeln einen Riesenbogen zu machen, erobert kein Betrieb die Zukunft!“ Deshalb muss für ihn „das betriebliche Chancenmanagement immer auch ein kreatives Fehlermanagement umfassen.“
„Führen muss Experimentieren ermöglichen, ja nachgerade zum Experimentieren auffordern. Ohne Versuch und Irrtum gibt es keine Entwicklung“, führt Innovationsforscher Professor Oliver Gassmann, Direktor des Instituts für Technologiemanagement an der Universität Basel, Hinterhubers Überlegung weiter. Gassmann verweist auf die Studien des Harvard-Professors Marvin Stern. Der fand heraus, dass sich Unternehmen mit einer starken Innovationskultur unter anderem durch Strategien und Maßnahmen zur Erhöhung der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung sowie der Gestaltungsspielräume der Mitarbeiter auszeichnen. Dazu gehöre auch, betont Gassmann, „die Möglichkeit, Ideen fehlertolerant erproben zu können.“ Das sei eine bedeutende Voraussetzung für innovatives Verhalten. Erfolgreiche Innovationen, fasst Gassmann zusammen, „ sind eine Mischung aus Veränderung, Inspiration, handwerklichem Geschick, Passion und der Fähigkeit zu führen!“

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Hartmut Volk, Journalist, Bad Harzburg
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