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Feiner Kleiner für die Stadt

BMW i3: Trotz Range Extender keiner für die große Reise
Feiner Kleiner für die Stadt

BMW feuert bei seinem ersten Serien-Elektrofahrzeug i3 eine volle Innovations-Breitseite ab: Elektroantrieb, wahlweise mit Range Extender, völlig neue Karosserie mit Aluminium-Bodengruppe und Kohlefaser-Aufbau, Türkonzept ohne B-Säule und ein Innenraum mit Lounge-Charakter müssen es schon sein. Damit lässt es sich in dem kleinen Stromer hervorragend fahren – aber nur über kurze Strecken.

Die erste Annäherung an den i3 offenbart gleich das ganze Dilemma seines Antriebskonzepts. Garching nördlich von München, die Abholstation für Pressetestwagen: Der i3 ist noch ans Stromnetz angestöpselt, damit die Batterie auch ja vollgeladen ist. Gut, Ladekabel entfernen, in das Fach unter der Fronthaube verstauen, einsteigen. Startknopf drücken, elektrische Handbremse entriegeln und den Wählhebel auf Vorwärts stellen. Dann nur noch das Fahrpedal vorsichtig drücken und aus der Tiefgarage fahren. Das alles geht erfreulich einfach.

Am Tageslicht erstmal geparkt und die Innenausstattung „Lodge“ (für 1990 Euro optional) bewundert. Graue Stoffbezüge mit hellbrauner Teilbelederung der Sitze und großflächige Panels in Holzoptik schaffen ein harmonisches Ambiente. Der i3 ist außen und innen anders als andere. Eine richtige Armaturentafel gibt es nicht, zwei Displays dienen als Anzeigeelemente, der Dreh-Drück-Steller mit Schriftzeichenerkennung, ein kleines, zentrales Bedienfeld und die Elemente im Lenkradbereich reichen zur Bedienung aus.
Begrenzter Energievorrat. Dann aus Interesse die Route bis nach Hause ins Navigationsgerät („Professional“, optional für 1990 Euro) eingegeben. Als der Rechner mahnt, dass die Energievorräte an Bord nicht für die Heimfahrt ausreichen, macht sich erste Ernüchterung breit. Was, nur jeweils etwa 140 km elektrische Reichweite und Verlängerung durch den Zweizylinder-Verbrennungsmotor, der als Notstromaggregat einen Generator antreibt und bei entladener Traktionsbatterie für elektrischen Nachschub sorgt? Ein Blick in das technische Datenblatt belegt diese Malaise. Bei 18,8 kWh Energieinhalt der Batterie und 9 l Volumen im Benzintank ist eben nicht mehr (theoretische) Reichweite drin.
Bis Günzburg ist die Batterie dann leergesaugt, der Zweizylinder-Reihenmotor schaltet sich zu. Mit seinen 25 kW Leistung sind zwar nur noch 120 km/h Höchstgeschwindigkeit drin, aber zum Flüchten vor den Brummis auf der rechten Spur reicht das allemal. Was mehr stört, ist das deutliche Brummen des Aggregats, das BMW selbst entwickelt hat, aber von Kymco in Asien produzieren lässt. Der ursprünglich in Großrollern eingesetzte Motor ist mit gut 6 l Benzin auf 100 km auch nicht besonders sparsam. Da gibt es von Mahle und KSPG zwei Range Extender-Prototypen, die können das deutlich besser. Umgerechnet auf CO2-Emissionen bläst der Range Extender etwa 142 Gramm des Gases pro Kilometer in die Luft. Fährt man elektrisch ohne Range Extender, sind es auf Basis des deutschen Strommixes etwa 80 g CO2/km. Der Energiekonsum beträgt etwa 13,3 kWh pro 100 km, was bei einem Strompreis von etwa 29 Cent Kosten von 3,85 Euro verursacht. Zum Vergleich: 6 Liter Superbenzin pro 100 km kosten etwa 9 Euro (bei 1,50 Euro/l).
Zu fahren ist der i3 kinderleicht – einfach mit dem rechten Fuß das Fahrpedal sensibel bedienen. Voll durchgedrückt beschleunigt der Elektromotor leichtfüßig ab Leerlauf und hängt auf den ersten Metern fast jeden Verbrennungsmotor ab. Mit sukzessive weniger „Gas“ rollt der Stromer erst mal gleichmäßig dahin, dann „segelt“ er quasi ohne elektrischen Vortrieb und es setzt ein leichtes Rekuperieren ein. Geht man endgültig vom Pedal, wird das Rekuperieren so stark, dass es den i3 bis zum Stillstand bringt. Hat man dieses Prinzip verinnerlicht, kann man vorausschauend den i3 ohne wirklichen Bremseingriff fahren. Dann geht keine Bewegungsenergie mehr als Wärme verloren, sondern bleibt durch das Rekuperieren weitgehend im Antriebssystem.
Untergebracht ist das ausgeklügelte Antriebskonzept unter dem Kofferraum. Der permanenterregte Synchronmotor sitzt direkt auf der Hinterachse, die Lithium-Ionen-Batteriezellen sind im Fahrzeugboden verstaut. Rechts hinten ist der Range Extender untergebracht, die Leistungselektronik links hinten. So bleibt immerhin noch ein 260 l fassender Gepäckraum übrig, der ohne Ladekante leicht zu beladen ist. Legt man die beiden Fondsitzlehnen um, sind bis zu 1100 l verfügbar. Kurios: Hinter dem Tankdeckel rechts hinten verbirgt sich der Stromanschluss, Kraftstoff füllt man in einen Stutzen rechts vorne ein. Bleibt die Frage, warum der Tank da vorne nicht etwas größer ist, zumal unter der Fronthaube nur ein kleines Fach für die Ladekabel, das Bordwerkzeug und Krimskrams integriert ist. Vermutlich liegt es an den Förderkriterien in den USA, wo Elektro-Antriebskonzepte nur dann Steuervergünstigungen erlangen, wenn deren elektrische Reichweite über der eines eventuell vorhandenen Verbrennungsmotors liegt.
Auf der Höhe der Zeit. Aber vielleicht reicht ja BMW für Europa einen mindestens 20 Liter großen Tank nach. Dann wären akzeptable 400 bis 500 km Reichweite drin. Damit könnte der i3 auch als Erstwagen durchgehen, denn in Sachen Fahrkomfort, Sicherheitsausstattung und Raumangebot ist er auf der Höhe der Zeit. Nach vorne und hinten sichern eine Rückfahrkamera und zahlreiche elektronische Helfer wie der Notbremsassistent, die adaptive Geschwindigkeitsregelung, ein Stop-and-Go-Assistent oder der Einparkassistent ab. Sicher, der Einstieg zum Fond und die dortigen Platzverhältnisse sind etwas knapp bemessen. Auch das leichte Wanken der Karosserie ist nicht üblich bei BMW, aber auch nicht gefährlich.
Dank eines geringen Wendekreises von nur 9,7 m wieselt der i3 flink durch die Stadt. Dort ist auch sein originäres Revier, denn die beschränkte Reichweite mindert seine ansonsten durchaus vorhandenen Langstreckenqualitäten. Schade eigentlich, denn für mindestens 40 000 Euro (alternativ nur mit Elektroantrieb ab 35 000 Euro) darf man ein rundum gutes Auto erwarten. Der i3 ist in vielen Kategorien richtig gut, aber eben nicht in allen.
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