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Financial Supply Chain Management

Einkauf 4.0, Teil 3
Financial Supply Chain Management

Sprechen wir über Industrie 4.0, dann ist immer die Rede von vielen neuen Technologien – auch in den vorausgegangenen beiden Beiträgen dieser Serie. In der Industrie 4.0 gibt es das Internet der Dinge und der Dienste, Maschinen denken und handeln autonom, steuern sich selbst und gegenseitig und es stellt sich im letzten Beitrag die Frage: Wie wirkt sich diese schöne neue Techno-Welt auf die Bezahlprozesse im Einkauf aus?

Der Einkauf kauft ein und regelt die Bezahlung. Er handelt zum Beispiel, idealerweise im engen Benehmen mit der Finanzabteilung, die Payment Terms mit den Lieferanten aus. So war es bisher. Jetzt kommen die neuen Technologien der 4. Generation: Mit wem verhandelt er nun? Verhandelt er überhaupt noch?

Avatar verhandelt mit Avatar. Was jeder Internet-Spieler heute schon praktiziert, könnte rein technisch demnächst auch Einzug in den Einkauf halten: Nicht mehr der Einkäufer verhandelt, sondern sein virtueller Avatar, sozusagen seine Internet-Kunstfigur. Mit wem verhandelt er? Entweder mit dem Avatar des Lieferanten – oder gar mit dem Produkt oder Service selbst, den er einkaufen möchte. Preisverhandlungen? Machen in Zukunft die Maschinen unter sich aus. Die Maschinen entmachten uns, der „Terminator“ lässt grüßen? Das ist die leicht paranoide Sichtweise. Wer programmiert denn den Avatar? Und wer wird durch seinen Einsatz soweit entlastet, dass er sich um Wichtigeres, beispielsweise um den strategischen Einkauf, kümmern kann? Der, auf den es nach wie vor ankommt – der Einkäufer. Möglich wird diese Entlastung durch – man mag es kaum aussprechen – intelligente Maschinen. Denn in der Industrie 4.0 sind bereits die Transportkisten intelligent. Schon jetzt.
Die selbstbewusste Kiste. Am Fraunhofer IML in Dortmund hat das Forscherteam zum Beispiel Technologien entwickelt, die Transportbehältern bereits eine beachtliche Intelligenz verleihen. Ausreichend Intellekt, damit sich der Behälter eigenständig durch den Materialfluss steuert. Weil er weiß, wohin es geht. Und nicht nur das. Er weiß auch, was er transportiert. Und wie viel davon. Und ob ihm zwischen A und B etwas davon abhandengekommen ist: Er zählt einfach nach. Mit einer Kamera beispielsweise, wie sie auch gängige Smartphones besitzen. Von diesem Entwicklungsstand ist es nur ein kleiner Schritt zu dem Gedanken: Geben wir der Kiste doch gleich noch ein Portemonnaie mit!
Bezahlung inklusive. Geben wir der Kiste auch eine Intelligenz bezüglich der Finanzdaten. Wir sagen ihr, was ihr Inhalt kostet, wie das Zinsgefüge ist und zu welchen Zahlungszielen sie eigenständig entscheiden darf. Das hört sich spielerisch an, doch die Technologie dafür halten wir bereits in Händen, es muss nur noch umgesetzt und entlang einer kompletten Supply Chain ausgerollt werden. Sobald das der Fall ist, erlebt der Einkauf eine kleine Revolution. Denn damit schaffen wir eine Situation, in der die Dinge miteinander verhandeln. Über alles. Preis, Menge, Zahlungsbedingungen. Diese Idee begeistert die Avantgardisten im Einkauf und beunruhigt die Traditionalisten – die Banken bedroht sie. Denn was passiert mit den Banken, wenn die Dinge übermorgen selber miteinander verhandeln? So richtig zwingend braucht man zumindest an dieser Stelle des Einkaufs dann keinen externen Finanzpartner mehr. Das machen die Maschinen untereinander aus. Dieses Smart Payment oder auch Smart Finance ist keine Utopie. Im Gegenteil. Es ist die Übertragung dessen, was Sie und ich heute schon per Smartphone machen (können) und der seltene Fall einer Übertragung vom B2C- auf den B2B-Bereich. Was heißt das für den Einkauf?
Implikationen. Die erste Implikation liegt auf der Hand: Das gehört aufs Innovationsradar! Aber nicht nur aufs Radar. Irgendwann bringt das sowieso jemand aus dem Expertenkreis eines Unternehmens in die Diskussion ein. Schön, wenn es einer der Finanzleute ist. Noch schöner aber, wenn es jemand aus dem Einkauf ist. Der Einkauf sollte doch ohnehin seit Jahren ein wichtiger Partner der Finanzabteilung für alle Fragen des Financial Supply Chain Managements sein. Warum also nicht die Chance nutzen und sich auch mit dem technischen Hintergrund der schönen neuen Welt auseinandersetzen?
Nicht in toto – es reicht eine Projektgruppe. Aber eine interfunktionelle Gruppe mit Einkäufern, Finanzleuten, Fachabteilungen und mindestens einem Experten für Smart Payment. Das Ganze orchestriert vom Einkauf, der auf diese Weise an der Speerspitze der Entwicklung steht.
So etwas kommt natürlich nicht von alleine. Damit wird belohnt, wer es sich erarbeitet, den Willen dazu hat und das Projekt entsprechend organisiert, seine Leute selektiert, trainiert und auf die Reise schickt. Schön und gut – aber haben wir die Zeit dafür? In jedem Fall hält das Tagesgeschäft die Zukunft nicht auf. Sie zwingt uns dazu, Prioritäten zu setzen. Oder wie ein Einkaufsleiter meinte, der bei Smart Payment schon sehr aktiv ist: „Es ist schön und gut, ständig hinter Savings her zu rennen – aber es gibt Wichtigeres, für das wir inzwischen wöchentlich eine strategische Rennpause einlegen.“ So wird’s gemacht. Warum?
Wie finden Sie die Zukunft? Man kann die neuen Technologien gut oder weniger gut finden – am Ende des Tages können wir nicht beeinflussen, ob sie kommen oder nicht. Spätestens wenn die junge Generation der Digital Natives ins Arbeitsleben eingreift und auf Bewegungen surft wie „Bring your own device!“ wird sich das Smart Payment des Consumerbereichs auch auf Business to Business übertragen. Man könnte sich dagegen wehren und es ein paar Jahre verschleppen, aufhalten lässt es sich nicht. Das sollte man auch nicht. Wie wir aus der Systemlehre wissen: In komplexen Systemen ist die Defensivstrategie ein Nachteil. Wer macht, kann verlieren; aber wer nichts macht und „abwartet“ hat schon verloren. Dafür sorgt unser hoch dynamisches und gleichzeitig sehr komplexes Wirtschaftssystem. Also: Innovationsradar einschalten, Projektgruppe bilden und ran an die neuen Technologien! Muss das sein?
Muss und macht Spaß. Ja, das muss sein. Und nicht nur das, es macht auch ungeheuer viel Spaß und ist ein Ego- und Image-Booster ohnegleichen, wie alles, was mit der Zukunft zu tun hat: Zukunft macht attraktiv. Vor allem macht sie strategisch. Wenn nämlich die Dinge für uns verhandeln und uns von Operativem befreien, können wir uns noch stärker auf strategische Themen wie Supplier Innovation, Produktivitätsmanagement, Agilität und Flexibilität und auf unsere Wirkung auf Bottom- und noch mehr auf die Top Line fokussieren. Ist das nicht eine verlockende Zukunftsperspektive?
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