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Fraunhofer IPT kürt Unternehmen mit exzellentem Einkauf

Neue Serie: Konsortial-Benchmarking, Teil I
Fraunhofer IPT kürt Unternehmen mit exzellentem Einkauf

Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT führt mit einem Industriekonsortium ein Benchmarking zum Thema Einkauf durch. Ziel dieser europaweiten Studie ist es, Erfolgsfaktoren im Einkauf zu ermitteln. Seit einigen Jahren prägen Begriffe wie „Wertorientierung“ oder „Value Sourcing“ die Diskussion über die Aufgaben und die Gestaltung des Einkaufs. Ausgangspunkt ist, dass bei gleichbleibendem Kosten- und Qualitätsdruck die Wertschöpfung immer stärker in den Fokus des Einkaufs getreten ist. Ziel sind Erfolgskonzepte, mit denen Einkauforganisationen die Weichen für die Zukunft stellen.

Mit dem diesjährigen Konsortial-Benchmarking im Einkauf hat die Abteilung Technologiemanagement des Aachener Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT gemeinsam mit einem hochkarätigen Industriekonsortium die Vorgehensweisen und Ansätze besonders erfolgreicher Einkaufsabteilungen analysiert. Die Ergebnisse aus der Untersuchung der sogenannten Successful Practices zeigen Erfolgskonzepte, mit denen Einkaufsorganisationen die Weichen für die Zukunft stellen.

Auf der Abschlusskonferenz des Projekts im Juni 2015 stellte das Fraunhofer IPT gemeinsam mit einem hochkarätigen Industriekonsortium die Sieger-Unternehmen seines europaweiten Benchmarkings vor. Ziel des Benchmarkings war es, besonders erfolgreiche Vorgehensweisen und Konzepte im Einkauf führender europäischer Unternehmen zu identifizieren. Für ihre herausragenden Leistungen zeichnete das Fraunhofer IPT fünf Unternehmen als Successful Practices aus:
  • 3M EMEA GmbH,
  • Bosch Termotecnologia SA,
  • Lisi Automotive,
  • Miele & Cie. KG sowie
  • Wilo SE.
Die Ermittlung der Successful Practice erfolgte in Zusammenarbeit mit einer Jury aus Experten internationaler Unternehmen, die zugleich das Konsortium des Projekts stellten. Im Konsortium wirkten Daimler Trucks, Gira, Hilti Corporation, Leopold Kostal GmbH & Co. KG, Oerlikon Leybold Vacuum GmbH sowie Vorwerk Elektrowerke GmbH & Co. KG mit. Professor Günther Schuh, Direktor des Fraunhofer IPT und des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen, leitete das Projekt.
Zu Projektbeginn im September 2014 erarbeitete das Fraunhofer IPT zunächst in enger Zusammenarbeit mit dem Industriekonsortium die aktuellen Herausforderungen im Einkauf. Diese bildeten die Basis für eine detaillierte schriftliche Befragung. Europaweit wurden hierbei Unternehmen zu folgenden Themenschwerpunkten befragt:
  • Aufgaben und Methoden des Einkaufs
  • Einkaufsorganisation
  • Preis- und Kostenanalyse
  • Einkaufscontrolling
  • Lieferantenanbindung
Insgesamt beteiligten sich 137 Führungskräfte ausgewählter Unternehmen an dem Benchmarking. Rund 70 Prozent der Teilnehmer stammten dabei aus Deutschland, die übrigen Teilnehmer aus dreizehn anderen europäischen Ländern.
Ausführliche Interviews mit den aussichtsreichsten Kandidaten führten zu detaillierten, anonymisierten Fallstudien, die den Konsortialpartnern zusammen mit ersten Erkenntnissen aus der Studie im Rahmen eines „Review-Meetings“ im Februar 2015 vorgestellt wurden. Das Konsortium wählte auf dieser Grundlage die fünf besten Unternehmen aus.
Die Konsortialpartner besuchten die ausgewählten Unternehmen anschließend und analysierten diese vor Ort. In allen Fällen bestätigte sich, dass die ausgewählten Unternehmen erfolgreiche Ansätze und Vorgehensweisen nutzen und sich zu Recht als „Successful Practice im Einkauf“ bezeichnen können.
Die durch das Benchmarking und während der Unternehmensbesuche gewonnenen Erkenntnisse wurden während der Abschlusskonferenz in Form von neun handlungsleitenden Thesen zum Einkauf vorgestellt. Schon seit Langem ist bekannt, dass sich die Rolle des Einkaufs in Unternehmen von einer reinen Supportfunktion zu der eines Wertschöpfungspartners wandelt. Nicht nur die Anforderungen an den Einkauf sind hierdurch gestiegen, sondern auch der Anspruch des Einkaufs an sich selbst. Wie sich im Rahmen des Benchmarkings allerdings zeigte, liegen Anspruch und Wirklichkeit meist noch weit auseinander. Wie eine erfolgreiche Umsetzung in der Praxis aussehen kann, wurde durch die Sieger-Unternehmen in jeweils eigenen Vorträgen präsentiert. Die Analyse der „Successful Practices“ zeigte zudem: Nur wer den Einkauf als essenziellen Wertschöpfungspartner begreift und aufbaut, kann seine tatsächliche Stärke ausschöpfen. Der Wandel im Rollenverständnis muss durch eine systematische Ausrichtung des Einkaufs und eine Fokussierung auf wertschöpfende Aktivitäten vollzogen werden. Worauf es dabei ankommt, zeigen die neun Erfolgsfaktoren aus dem Konsortial-Benchmarking Einkauf 2014/2015 (siehe Kasten), die wir Ihnen in zwei Ausgaben von Beschaffung aktuell vorstellen werden. Weitergehende Erläuterungen zu den Erfolgsfaktoren 1 bis 4 finden Sie im vorliegenden Artikel und die Faktoren 5 bis 9 in der kommenden November-Ausgabe.
1. Jenseits von Opportunismus:
Strategiefähigkeit leben
Erfolgreiche Unternehmen besitzen eine klare Vision, anhand derer sie sich ausrichten. Um zielgerichtet und im Sinne des Unternehmens agieren zu können, muss der Einkauf auf Basis der übergeordneten Unternehmensvision eine klare, greifbare Strategie definieren, anhand derer er seine Aktivitäten und Prozesse strukturiert. Wie sich bei den Successful Practices zeigte, ist es zudem von hoher Bedeutung, die Strategie des Einkaufs auf die einzelnen Ebenen herunterzubrechen und diese so für jeden Mitarbeiter handhabbar zu gestalten. Eine klar definierte Strategie wird so handlungsweisend und befähigt die Mitarbeiter dem Unternehmen einen Mehrwert zu generieren.
Wie sich im Rahmen des Benchmarkings zeigte, besteht allerdings die Herausforderung, neben dem Tagesgeschäft eine Strategie für den Einkauf gezielt zu entwickeln und diese auch umzusetzen und fest zu etablieren. Hierbei erwies sich bei den Successful Practices eine klare Trennung zwischen strategischen Aktivitäten und operativem Tagesgeschäft als zielführend. Diese Trennung erfolgte meist auf personeller, zum Teil sogar auf örtlicher Basis. Diese Aufgabenfokussierung schafft die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Implementierung der Einkaufsstrategie und verhindert, dass das dringliche Tagesgeschäft langfristige strategische Themen verdrängt. Somit ist der Einkauf in der Lage Entscheidungen selbst zu initiieren und zielgerichtet eigene Themen voranzutreiben, um eine kontinuierliche Weiterentwicklung anzustreben.
2. Buy local in global markets:
Regionale Potenziale nutzen
Wie die Umfrage im Rahmen des Konsortial-Benchmarkings zeigte, wird das Warengruppenmanagement in nahezu allen der an der Umfrage beteiligten Unternehmen umgesetzt. Bestellvolumen werden gezielt gebündelt und somit Kostenpotenziale freigesetzt. Neben dem Warengruppenmanagement gilt es allerdings zudem, gezielt Einkaufseinheiten in bedeutenden Beschaffungsmärkten zu positionieren. Hierdurch wird zum einen die Nähe zu Märkten, die einzelne Warengruppen bedienen, hergestellt und die schnelle Abstimmung mit Lieferanten gewährleistet. Zum anderen werden das Verständnis fremder Märkte und relevanter Einflussfaktoren geschärft. Ein gutes Marktverständnis ist essenziell, um Trends frühzeitig erkennen und aufgreifen zu können. Dies ermöglicht die systematische Erschließung von strategischen Wettbewerbsvorteilen für das gesamte Unternehmen.
Neben externen Prozessen und dem allgemeinen Marktüberblick unterstützen dezentrale Einkaufseinheiten in Produktionsstätten eines Unternehmen ebenfalls den reibungslosen Ablauf der internen Prozesse. Hierfür erwies sich bei den Successful-Practice-Unternehmen beispielsweise ein interkultureller Ansatz mit Einkäuferteams aus lokalen und internationalen Nationalitäten als zielführend. Insgesamt wird durch vor Ort positionierte Einheiten die Reaktionsfähigkeit des Einkaufs auch auf internationalen und volatilen Märkten sichergestellt.
3. Flexibilität in definierten
Strukturen wahren
Die Successful-Practice-Unternehmen haben im Rahmen des Konsortial-Benchmarkings Einkauf 2014/2015 eindrucksvoll ihre erfolgreichen Einkaufsorganisationen, Methoden und Handlungsweisen vorgestellt. Klare Strategien und Zielsetzungen bilden hierbei das Fundament für die Ausgestaltung der Prozesse und den Erfolg der Einkaufsorganisationen. Den Unternehmen gelingt es trotz dieser einheitlichen und klaren Laufrichtung dennoch, den einzelnen Einkaufsabteilungen und -mitarbeitern den nötigen Freiraum zu bieten, um ihre Einkaufstätigkeit an den individuellen Charakteristika der Absatzmärkte, zum Beispiel die hohe Branchendynamik, kurze Innovationszyklen, das technologische Umfeld oder bestehende Vertriebsstrukturen, ausrichten zu können. Hierzu muss den Mitarbeitern innerhalb der einheitlichen Prozesse und Strukturen eine gewisse Flexibilität ermöglicht werden, sodass diese in ihrer Arbeit vielmehr unterstützt, als eingeengt werden. Durch Vermeidung von Überprozessualisierung und Starre können die Mitarbeiter so situationsspezifisch reagieren und bei Bedarf schnell handeln. Die Möglichkeit – innerhalb vorgegebener Leitplanken – spezifische Anpassungen an bestehenden Prozessen vorzunehmen, fördert zudem die Akzeptanz dieser meist zentral entwickelten Vorgehensweisen in den dezentralen Einkaufsabteilungen. Die Herausforderung hier liegt in der richtigen Balance zwischen der Definition der klaren Strukturen und dem gewährten Freiraum.
4. Vertrauen über Distanzen schaffen
Durch die weltweite Verteilung herrscht zwischen einzelnen Standorten meist nicht nur eine räumliche Distanz sondern zudem auch meistens eine zeitliche Differenz. In dezentralen Einkaufsstrukturen muss folglich die Kommunikation über diese Differenz hinweg geschaffen werden. Im Rahmen der immer weiter voranschreitenden Digitalisierung werden stets neue Kommunikationswege zur Überbrückung von räumlicher Distanz und zeitlicher Differenz entwickelt. Angefangen beim E-Mail-Verkehr über Telefonate hin zur Videotelefonie bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, sich über Entfernungen hinweg auszutauschen. Erfolgt die Kommunikation beim E-Mail-Verkehr noch zeitlich asynchron und indirekt, so bieten Videokonferenzen bereits die Möglichkeit des synchronen Austauschs. Bei den Unternehmensbesuchen und Gesprächen im Rahmen des Benchmarkings zeigte und bestätigte sich, dass der persönliche Kontakt innerhalb der Unternehmen auch über einzelne Standorte hinweg als essenziell angesehen wird. Nur in persönlichen Treffen kann ein wirklich schneller und fokussierter Austausch stattfinden. Hierzu werden in den untersuchten Unternehmen in festgelegten Abständen standortübergreifende Veranstaltungen organisiert, bei denen sich die einzelnen Einkaufsbeteiligten untereinander austauschen können. Konkrete Ausprägungsformen sind von der Unternehmensgröße und Einkaufsstruktur abhängig und umfassen beispielsweise morgendliche Treffen der einzelnen Einkaufsabteilungen, quartalsweise Treffen der Warengruppenmanager oder jährliche Treffen aller Einkäufer.
Durch diese Maßnahmen kann eine unternehmensweite Vertrauensbasis geschaffen werden, die eine verbesserte Zusammenarbeit und einen freiwilligen Wissensaustausch zwischen den Einkaufsmitarbeitern fördert. Dabei besteht das Spannungsfeld vor allem darin, eine Balance zwischen dem Reiseaufwand und dem Nutzen persönlicher Treffen zu finden.
Das Fraunhofer IPT führt regelmäßig Konsortial-Benchmarking-Projekte im Einkauf durch. Die im Rahmen des Benchmarkings in anonymisierter Form gesammelten Daten aus der Umfrage sowie den Unternehmensbesuchen dienen hierbei dazu, auch im Nachgang Unternehmen zu ermöglichen, ihren Einkauf in einem Benchmarking mit anderen Unternehmen zu challengen. Zudem werden die handlungsweisenden Erfolgsfaktoren im Rahmen des Einkaufsseminars am Fraunhofer IPT ausführlich präsentiert.

Erfolgsfaktoren im Einkauf
  • 1. Jenseits von Opportunismus: Strategiefähigkeit leben
  • 2. Buy local in global markets: Regionale Potenziale nutzen
  • 3. Flexibilität in definierten Strukturen wahren
  • 4. Vertrauen über Distanzen schaffen
  • 5. Intuitive Entscheidungshilfen als Kommunikationsinstrument
  • 6. Paradigmenwechsel hin zur Kostenvermeidung
  • 7. Versteckte Kosten vermeiden
  • 8. Umgang mit Lieferanten nicht dem Zufall überlassen
  • 9. Einkauf teilweise einkaufen
Die obenstehenden Erfolgsfaktoren aus dem Konsortial-Benchmarking Einkauf 2014/2015 werden wir Ihnen in zwei Ausgaben von Beschaffung aktuell vorstellen. Weitergehende Erläuterungen zu den Erfolgsfaktoren 1 bis 4 finden Sie im vorliegenden Artikel. Die Faktoren 5 bis 9 werden in der kommenden November-Ausgabe erläutert.

Konsortium 2014/15
Im diesjährigen Konsortium wirken mit
  • Daimler Trucks,
  • Gira, Hilti Corporation,
  • Leopold Kostal GmbH & Co. KG,
  • Oerlikon Leybold Vacuum GmbH sowie
  • Vorwerk Elektrowerke GmbH & Co. KG
Das Projekt steht unter der Leitung von Professor Günther Schuh, Direktor des Fraunhofer IPT und des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen.
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