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Grün – die Farbe der Zukunft

Nachhaltigkeitsstrategien sichern die Wettbewerbsfähigkeit
Grün – die Farbe der Zukunft

Grün – die Farbe der Zukunft
Grün ist nicht die Farbe der Saison und morgen wieder passé – grün ist die Farbe der Zukunft. Wer seinen Einkauf schon heute auf die veränderten ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen einstellt, wird von signifikante Vorteilen im globalen Wettbewerb profitieren. Dass der Einkauf als wichtiger Manager der externen Wertschöpfung hier nicht außen vor bleiben darf, liegt auf der Hand. „Green Procurement“ ist deshalb ein Thema von strategischer Bedeutung.

Simone Luibl Prof. Dr. Michael Henke Sven T. Marlinghaus

Green oder auch Sustainable Procurement ist ein junger Begriff, für den es bislang keine einheitliche Definition gibt. Im Kern zielt der Begriff auf die Verantwortung des Einkaufs für die Einhaltung ökologischer, aber auch ethischer Standards in der gesamten Supply Chain und über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts. Von der Herstellung, über den Transport und die Weiterverarbeitung bis hin zur Entsorgung. Dabei bilden sowohl nationale und internationale Rechtsnormen als auch gesellschaftliche De-facto-Standards und die jeweiligen Unternehmensgrundsätze mit ihren Werten den Handlungsrahmen.
Drei große Treiber stehen hinter der zunehmenden Bedeutung des Green Procurements. Einerseits zwingen die rasant steigenden und hochgradig volatilen Energie- und Rohstoffpreise die Unternehmen zu einem sorgsamen Umgang mit Ressourcen: Im Rahmen des aktuellen „BrainNet CEO surveys“ gaben 67 Prozent der befragten CEOs an, dass die Rohstoffverknappung ein strategisches Risiko für ihr Unternehmen bedeutet. Der Ko-Vorsitzende des Zulieferers Magna, Siegfried Wolf, äußerte sich im Gespräch mit der FAZ (15. Juli) besorgt und befürchtet gar, dass die Lieferantenkette unter dem Kostendruck zusammenbrechen könne. Der Daimler-Finanzchef Bodo Uebber veranschlagte die Mehrkosten für Rohstoffe in diesem Jahr mit 500 Millionen Euro und der Verband der Automobilindustrie sowie sechs weitere Branchenvertreter haben jüngst mehr Aufmerksamkeit für das Thema gefordert (siehe Seite 11). Auslöser war der Anstieg des Stahlpreises. Für die von September an laufenden Verträge hat etwa der Hersteller Arcelor den Preis für eine Tonne Flachstahl von 510 auf 770 Euro erhöht. Ein Ende der Preisspirale ist nicht in Sicht. Sollten die erwartete Fusion zwischen den beiden dominanten Erzlieferanten BHP Billiton und Rio Tinto vollzogen werden, drohen weitere signifikante Preissprünge. Dies alles führt dazu, dass Green Procurement heute ganz oben auf der „C-Level-Agenda“ steht und Themen wie das Wertstoffmanagement in den Fokus geraten. Durch ein optimiertes Wertstoffmanagement lassen sich heute nicht nur Millionenbeträge einsparen sondern auch die Versorgungssicherheit nachhaltig gewährleisten.
Andererseits führen die in den vergangenen Jahren wesentlich verschärften rechtlichen Rahmenbedingungen zu erheblichen Mehrkosten und Risiken im Fall der Nichteinhaltung: Die Umwandlung der EU-Richtlinie zur Entsorgung von Altgeräten in das nationale Elektroaltgerätegesetz (ElektroG), die geplante Richtlinie zum Batterie-Recycling, die Ökodesign-Richtlinie oder verschärfte EU-Normen zur Wiederverwertung von Altfahrzeugen, sind nur einige Beispiele dafür. Im Ergebnis stehen die Unternehmen vor der Herausforderung, nicht nur ihre eigenen Produktionsprozesse umweltverträglich und gesetzeskonform zu gestalten, sondern die Prozesse in der gesamten Wertschöpfungskette, für die sie sich dem Gesetzgeber, aber auch allen anderen Stakeholdern gegenüber verantworten müssen.
Schließlich generiert die zunehmende Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Gefährdung der ökologischen und sozialen Umwelt einen zunehmenden Druck auf die Unternehmen, ihre Prozesse umweltgerecht zu gestalten. Wer nicht den Rückhalt der Kunden, Mitarbeiter, Medien und politischen Entscheider verlieren will, ist gut beraten, auf die Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle zu achten. Die „Grüne Supply Chain“ wird zukünftig zu einem entscheidenden Kaufkriterium werden und den Unternehmenswert signifikant beeinflussen.
Dass der Einkauf durch die Verantwortung von 50 bis 70 Prozent aller Unternehmenskosten eine zentrale Rolle spielen muss, liegt auf der Hand. In der Realität sind heute allerdings die wenigsten Einkaufsabteilungen auf diese Aufgaben optimal vorbereitet. Zwar erkennt inzwischen ein großer Teil der Unternehmen die Bedeutung des Green Procurements, wie eine aktuelle Umfrage von BrainNet belegt. So hat sich beinahe jedes zweite befragte europäische Unternehmen mit Green Procurement befasst – in Deutschland allerdings bislang nur knapp ein Drittel. Und immerhin sieht die Hälfte der Befragten Green Procurement als einen strategischen Werthebel. Doch der Weg von dieser Erkenntnis zum Aufbau einer schlagkräftigen Einkaufsorganisation, die das Thema strategisch und operativ vorantreibt, ist lang. Dafür fehlen dem Einkauf heute sowohl personelle als auch finanzielle Ressourcen. Die optimale Steuerung einer dem Gedanken der Nachhaltigkeit verpflichteten Procurement-Organisation setzt voraus, dass Kenntnisse und Kompetenzen vorhanden sind, um Fragen der Finanzierung, des Compliance- und Risikomanagements, der Produktentwicklung und der Innovationsbeschaffung beantworten und die Unternehmensstrategie mitgestalten zu können. Dass dies noch nicht der Fall ist, zeigen ebenfalls die Befragungsergebnisse, die für 72 Prozent europäischer Unternehmen eine vornehmlich projektbezogene Handhabung des Themas Green Procurement belegen. Auch die organisatorische Positionierung des Themas entspricht bislang keinesfalls seiner strategischen Bedeutung: Lediglich in jedem vierten Unternehmen gibt es klare Verantwortlichkeiten für Green Procurement und auch hier schneiden deutsche Unternehmen mit 18 Prozent unterdurchschnittlich ab.
Im Einkauf besteht deshalb dringender Bedarf nach Strukturen und Instrumenten, die eine langfristige Strategieplanung und umfassende Supplier Audits ermöglichen. Der Einkauf muss Transparenz über die individuellen Stärken und Schwächen seiner wichtigsten Partner haben und ein proaktives Lieferantenmanagement betreiben, das alle relevanten Faktoren systematisch bewertet und steuert.
Dass Green Procurement dabei keinesfalls als reaktiver Ansatz, sondern als ein signifikanter Werthebel verstanden werden muss, zeigt ein Blick auf das Thema Wertstoffmanagement, wo seit einigen Jahren die Wertstoffkette und dazugehörige Prozesse für den Kunden optimiert werden. Basis hierfür sind die detaillierte Kenntnis der Vermarktungskette von Wertstoffen, Benchmarks und Transparenz über die Marktteilnehmer. Viele CPOs betreten hier Neuland und müssen sich nun in einen komplexen, teilweise abgeschotteten Markt einarbeiten.
Best-Practice-Beispiele belegen, dass durch die neue Vermarktungsmodelle, die verbesserte Reststoffzuteilung oder auch durch optimierte Logistikabläufe nicht nur Restmüll vermieden, sondern auch erhebliche Potenziale erzielt werden können.
So konnten bei einem führenden Unternehmen der Automobilzulieferindustrie für Aluminium-Gussprodukte durch die Umstellung auf Aluminium-Flüssigbelieferung und durch die Rückführung der Reststoffe in den Produktionskreislauf die Abläufe erheblich optimiert und die Versorgungssicherheit deutlich verbessert werden. Insgesamt erreichte der Zulieferer Ersparnisse von rund einem Prozent des Jahresumsatzes.
Bei einem Unternehmen der Kunststoff-Verpackungsindustrie konnten durch Aufbereitungsanlagen der Reststoffe zu Mahlgut die Transportauslastung optimiert werden, der Restmüll um 2/3 reduziert werden und durch eine bessere Trennung der Wertstoffe winken Vermarktungserlöse mit einem jährlichen Gesamtpotenzial von über 300 000 Euro.
Diese Beispiele zeigen die Potenziale eines planmäßig und aktiv betriebenen Green Procurement. Insbesondere japanische Unternehmen haben dies rechtzeitig erkannt und im Rahmen ihrer Beschaffungsstrategien systematisch umgesetzt. Europäische Unternehmen sind – wollen sie ihre Wettbewerbsposition nicht verspielen – gut beraten, diesem Beispiel zu folgen, denn Green Procurement ist heute kein Trend mehr, sondern eine strategische Notwendigkeit.
Die Chancen dafür, dass diese Potenziale realisiert werden können, stehen gut. Und das um so mehr, wenn Praxis und Wissenschaft sich gemeinsam der Herausforderungen des Green Procurements annehmen und die anwendungsorientierte Forschung Lösungen zu praktischen Problemstellungen bereitstellt.

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