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Grüner Daumen beim Einkauf

Rechtliche Aspekte beim Green Procurement
Grüner Daumen beim Einkauf

Daumen hoch für Green Procurement: Die Berücksichtigung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten wird in den Einkaufsabteilungen immer wichtiger. Für öffentliche und private Unternehmen gelten vergaberechtlich erhebliche Unterschiede.

Die „grüne“ Beschaffung nimmt im Zuge einer verstärkten Nachfrage umweltfreundlicher und ressourcenschonender Produkte und Dienstleistungen immer mehr an Bedeutung zu und auch die Unternehmen selbst sehen sich zunehmend der Nachhaltigkeit verpflichtet.

Öffentliche Beschaffer, die für Unternehmen der öffentlichen Hand einkaufen, unterliegen dem Vergaberecht. Das Vergaberecht will dafür sorgen, dass alle Anbieter fair und gleich behandelt werden. Die Vergabe eines Auftrages soll transparent sein und auf festen, nachvollziehbaren Regeln beruhen. Deshalb müssen öffentliche Aufträge in Deutschland in der Regel auch öffentlich ausgeschrieben werden. So soll sichergestellt sein, dass die Gelder nicht verschwendet, sondern wirtschaftlich eingesetzt werden und Korruption keine Chance hat. Und eben Umweltbelange bei der Auftragsvergabe Berücksichtigung finden.
Rechtlicher Rahmen. „Bei allen öffentlichen Auftragsvergaben gelten unterschiedliche rechtliche Regelungen, je nachdem, ob der Wert des zu vergebenden Auftrages oberhalb oder unterhalb des sogenannten Schwellenwertes liegt“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Volker Dobmann aus Berlin. Oberhalb der Wertgrenze sind die Vergabevorschriften strenger. Für die Mehrzahl der Behörden in Deutschland liegt der Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungsaufträge bei 207 000 Euro. Für den sogenannten Sektorenbereich, also zum Beispiel für Energieversorger, Trinkwasserversorger, Stadtwerke und Verkehrsbetriebe, gelten derzeit 414 000 Euro.
„Was heute unter ‚Green Procurement‘ positiv behandelt wird, wurde lange als ‚Instrumentalisierung des Vergaberechts für vergabefremde Kriterien‘ eher negativ gesehen – Bürokratie, Verteuerung des Einkaufs und so weiter“, weiß Rechtsexperte Dobmann. „Erst ab dem Jahre 2009 sind Erleichterungen und Hilfestellungen von gesetzgebender Seite vorgenommen worden, ausgehend von EU-Initiativen.“ Zwei Vergaberichtlinien der Europäischen Union sowie mehrere nationale Gesetze und Verordnungen bilden den rechtlichen Rahmen für das Green Procurement. Das zentrale Gesetz für Auftragsvergaben im Bundesrecht ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Die §§ 97 ff. GWB enthalten allgemeine Vorgaben, die als Rechtsgrundlage für die Verwendung ökologischer Kriterien herangezogen werden. In welcher Weise der öffentliche Auftraggeber Aspekte der Nachhaltigkeit konkret in das Vergabeverfahren einbringt, bleibt im Wesentlichen seiner Kreativität überlassen. „Grundsätzlich ist ‚Green Procurement‘ auf allen Ebenen eines Beschaffungsvorganges möglich – im Rahmen der Eignungsprüfung, bei der Festlegung des Auftragsgegenstandes, im Rahmen der technischen Spezifikation in der Leistungsbeschreibung, als Zuschlagskriterium und als zusätzliche Ausführungsbedingung“, sagt Vergaberechtsspezialist Dobmann. Und Dr. Thomas Rautenberg, Leiter der Stadtkämmerei der Stadt Frankfurt am Main, ergänzt: „In einigen Landesvergabegesetzen finden sich ebenfalls Regelungen zur nachhaltigen Beschaffung, so zum Beispiel in § 3 des Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetzes, der soziale, ökologische und innovative Anforderungen beinhaltet.“
Unterhalb der Gesetzes-, also auf der Verordnungsebene, werden die Vorgaben konkreter. Hier existieren leistungsspezifische Verordnungen, zum Beispiel die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB). Die allgemeine Vergabeverordnung gibt vor, dass Energieeffizienz und Energieverbrauch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für energieverbrauchsrelevante Geräte und Waren – dazu gehören beispielsweise auch Fenster – zu berücksichtigen sind. Auch die Lebenszykluskosten eines Produktes und die Entsorgungskosten spielen hier eine Rolle. Bei der Beschaffung von Fahrzeugen müssen Energieverbrauch und Umweltauswirkungen, insbesondere Emissionen, als entscheidende Kriterien herangezogen werden. „Ein großer Schwerpunkt bei den Ausschreibungen der Stadtkämmerei bildet die Recycelbarkeit des Produktes“, sagt Rautenberg. „So wird zum Beispiel bei der Verwendung von Büromaterial vorwiegend Recyclingkunststoff gefordert oder bei der Vergabe von Papier ausschließlich Recyclingpapier ausgeschrieben.“ So einfach kann Umweltschutz sein, wenn man ihn nur konsequent umsetzt.
Einkäufer in privaten Unternehmen unterliegen keinen vergaberechtlichen Vorgaben. Hier geben Unternehmensphilosophie und Compliance-Regeln den Ausschlag – und der Kunde. Denn dessen vermehrt „grüne“ Wünsche und Anforderungen umzusetzen, gebietet der Wettbewerb und ist gut fürs Image. Nachhaltigkeit im Handeln steht jedem Unternehmen gut zu Gesicht. Wer es ganz ernst meint, kann ein Umweltmanagementsystem implementieren oder sich zertifizieren lassen, zum Beispiel gemäß ISO 14001 oder EMAS (siehe Kasten). „Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema für uns, dies bestätigen auch jüngst die Rezertifizierungen durch das Umweltsiegel Ökoprofit und das Klimaschutzprogramm ACA“, sagt Andreas Host, Leiter Zentraler Einkauf am Flughafen Düsseldorf. „Auch der zentrale Einkauf agiert dementsprechend nachhaltigkeitsorientiert. Das reicht über die Verwendung von Recyclingpapier für Printmedien über die Bestellung von neuen Elektroautos für den Fahrzeugpool bis hin zum Einsatz von erneuerbaren Energien mittels Blockheizkraftwerk und Photovoltaikanlage.“ Sogar das neue Verwaltungsgebäude entspricht den Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen. Die Kollegen vom Stuttgarter Flughafen verfolgen ebenfalls einen ganzheitlichen Ansatz und wurden dafür jüngst mit dem Nachhaltigkeitspreis Logistik ausgezeichnet.
Neben der Bewertung von Preis- und Qualitätskriterien bezieht der Einkäufer beim Green Procurement umweltspezifische Faktoren in den Entscheidungsprozess mit ein. Die Berücksichtigung bestimmter Umweltaspekte kann auch zum Bestandteil der Ausschreibung gemacht werden. Doch oft herrscht in den Einkaufsabteilungen noch die alte Denke vor, die das Kosten-Nutzen-Verhältnis eines Produktes oder einer Dienstleistung isoliert betrachtet. „Die Einkäufer müssen aber neben den Anschaffungskosten bei Fahrzeugen und Maschinen stets die gesamten Lebenszykluskosten berücksichtigen“, erklärt Einkaufsleiter Host und bringt die Vorteile des Green Procurements auf den Punkt: „Die Einsparung ökonomischer Ressourcen geht meist mit der Schonung ökologischer Ressourcen einher, das heißt, die Reduzierung von Betriebs- und Entsorgungskosten zahlt auch auf die Nachhaltigkeit ein.“ Und nicht selten übersteigen die Einsparungen die Ausgangsinvestition.
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