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Haftung und Versicherung in Dienstleistungsverträgen

Facility Management
Haftung und Versicherung in Dienstleistungsverträgen

Dienstleistungen gehören nicht unbedingt zu den beliebtesten Beschaffungsfällen des Einkaufs, und das mit guten Gründen. Hier ist eine Informationslücke zu schließen. Nun sind diese Schwachstellen nicht allein auf Schwächen des Einkaufs zurückzuführen.

Hermann Schneider, Düsseldorf; E-Mail: h.schneider-duesseldorf@t-online.de

  • Die Vielfalt der Dienste zwingt den Einkauf zu individueller Vertragsgestaltung.
  • Dienstleistungsverträge sind meistens Mischformen verschiedener Vertragstypen und Vertragsarten. Hier kann man nur selten mit Standardverträgen arbeiten.
  • Die rechtliche Schulung der Einkäufer ist unzureichend auf Dienstleistungsverträge ausgerichtet.
  • Externe Hilfe, besonders durch Juristen und Versicherungsfachleute, ist nicht immer ausreichend verfügbar.
  • Nicht selten herrscht bei den Fragen von Haftung und Versicherung schlichte Unkenntnis.
Das technische Umfeld, die benötigten Dienstleistungen, die Haftungsrisiken und die zu berücksichtigenden Gesetzte und Verordnungen verändern sich rasant. Dabei kommt es zum Eisbergeffekt. Der größte Teil der Risiken ist oberflächlich nicht sichtbar. Der Einkauf muss sich mit drei Themenkreisen beschäftigen, um mit den daraus entwickelten strategischen und organisatorischen Maßnahmen Sicherheit und Erfolg für sein Unternehmen zu schaffen:
  • Veränderungen des Umfeldes der Dienstleistungen,
  • Betreiberverantwortung und
  • Management von Haftungs- und Versicherungsfragen.
Veränderungen des Umfeldes
Hightech-Objekte: Bauobjekte für Verwaltungen und Produktion, Produktionseinrichtungen u.a. entwickeln sich immer stärker zu Hightech-Objekten mit entsprechenden Investitionswerten.
Facility Management: Die Unternehmen bündeln die außerhalb des Kerngeschäfts benötigten Dienste im Facility Management. Dort werden zunehmend auch Dienste eingebunden, die weit über die Gebäudedienste hinaus gehen, etwa Logistik, Dokumentenmanagement oder Weiterbildung. Nicht selten werden deshalb über 90 % aller benötigten Dienste aus dem Bereich Facility Management beauftragt.
Bereitschaft zum Outsourcing: Die Kosten sind nur ein Grund für das immer stärkere Outsourcing. Vielfach sind die Unternehmen selbst überhaupt nicht mehr in der Lage, eigenes Personal für die Dienstleistungen entsprechend den wachsenden Anforderungen an Qualifikation und Kapazität vorzuhalten. Dienste werden dann Dritten übertragen.
Erweiterung des Dienstleistungsangebots: Es entwickelt sich ein neuer und vielfältiger Markt mit zahlreichen Dienstleistern unterschiedlicher Größe und Leistungsschwerpunkte. Der Trend geht zur Bündelung verschiedener Dienste, zu intelligenten Diensten und zum stärkeren Angebot von Dienstleistungsmanagement.
Vergrößerung der Gefahrenpotenziale: Die Art und Größe von Objekten führt zu Risiken in bisher kaum vorstellbaren Größenordnungen. Durch Dienstleister ausgelöste Brand- oder Wasserschäden liegen leicht im Bereich dreistelliger Millionenbeträge. Hinzu kommen Vermögensschäden, etwa durch Betriebsunterbrechungen, und in besonders schlimmen Fällen Personenschäden.
Das zeigen die Großschäden der letzten Jahre: der Brand des Düsseldorfer Flughafens (über 150 Mio. Euro Schaden, 17 Tote), der Brand der Gletscherbahn in Kaprun (155 Tote) oder die Explosion der Feuerwerkskörperfabrik in Enschede (22 Tote). Besorgnis erregend sind die Ausmaße der Folgeschäden. Schon die Zerstörung eines Rechenzentrums kann ausreichen, ein Unternehmen wirtschaftlich zu gefährden.
Forderungen der Geschädigten: In weitem Abstand zu der Entwicklung in den USA, aber erkennbar wachsen die Forderungen der Geschädigten. Auch deutsche Gerichte bestätigen zunehmend höhere Ansprüche der Kläger. Das treibt die Versicherungsprämien und damit die Preise für Dienstleistungen in die Höhe.
Unübersichtliches rechtliches Umfeld: Schon bisher hatte der Einkäufer Schwierigkeiten, in einem Vertrag alle in Frage kommenden Gesetze und Verordnungen zu berücksichtigten. Der Versuch, die Verantwortung für die Benennung der zu berücksichtigenden Gesetze, Verordnungen, Vorschriften, Richtlinien, Normen u.a. auf den Bedarfsträger zu verlagern, gelingt selten. Dieser, ebenfalls mit der Aufgabe überfordert, macht sich die Arbeit leicht und schickt dem Einkäufer eine ganze Sammlung von Unterlagen. Dem Einkäufer bleibt es dann überlassen zu beurteilen, welcher Teil dieser Papierflut vertragsrelevant ist.
Das führt zu Gefahrenpunkten:
– Die zur Verfügung gestellten Gesetze und Regelwerke werden in einen Vertrag ohne ernsthafte Relevanzprüfung eingebunden. Die nicht notwendigen rechtlichen Regelwerke belasten den Vertrag und erschweren das Vertragsmanagement.
– Im ungünstigsten Falle akzeptiert sie der Auftragnehmer ebenso unkritisch.
– Erst im Schadensfall kommt es zur Klärung der Frage „was musste geregelt werden?“
– Die zu Vertragsbestandteilen gewordenen Regeln widersprechen sich oft. Die Gefahr besteht dann, wenn Normen (DIN, VDI, VDMA, VDE) oder Regelwerke (GEFMA), gleiche Sachverhalte unterschiedlich festlegen. Nach der üblichen Rechtsprechung hat für die Folgen derartiger Widersprüche der einzustehen, der sie verursacht hat. Das kann für den Auftraggeber gefährlich werden.
– Die zu Vertragsbestandteilen gemachten Regelungen decken den aktuellen Fall nicht ab, weil es die Falschen sind oder wichtige Einbindungen vergessen wurden. Von diesen handwerklichen Schwächen profitiert überwiegend der Auftragnehmer.
Die Frage ist: „Wer auf der Auftraggeberseite ist verantwortlich für die Berücksichtigung der relevanten gesetzlichen und sonstigen Vorgaben?“
Bedrohungspotenzial: Gesetzgeber und die Rechtsprechung bedrohen die Verursacher von Verstößen gegen Gesetze und Verordnungen mit immer härteren Strafen:
– Die Strafmaße und damit die Risiken für die Unternehmen werden erhöht. Neben den Geldstrafen werden auch Freiheitsstrafen angedroht.
– Als Verantwortliche werden neben den Führungskräften der Fachbereiche, insbesondere der Bedarfsstellen und des Einkaufs, immer häufiger die übergeordneten Unternehmensleitungen angesehen. Diese versuchen, das durch wachsende Sicherheitsanforderungen an die Fachbereiche abzuwälzen.
Darüber hinaus liegen große Verantwortungen bei den vertragsunterstützenden Bereichen Recht und Versicherung und weiteren im jeweiligen Unternehmen eingebundenen Funktionsbereichen. Diese können aber nur dann den Anforderungen gerecht werden, wenn sie rechtzeitig in den Vertragsentwicklungsprozess eingeschaltet und mit den notwendigen Informationen versorgt werden.
Betreiberverantwortung
Die weitreichende und rasche Entwicklung von Bedarfsveränderungen, technischen Regelwerken und Gesetzen, aber auch die wachsende Bereitschaft zum Outsourcing komplexer Dienstleistungspakete und das Entstehen eines breiten Dienstleistungsangebotes am Markt führen zu Unsicherheiten der Vertragsverantwortlichen beider Seiten und zu erheblichen Risiken für die beteiligten Unternehmen. Ganz besonders kritisch sind die unzureichende Transparenz und die mangelhafte Information über neue Entwicklungen.
Diese Lücke haben die Facility Management-Dienstleister erkannt. Ihr Verband GEFMA hat als Antwort auf die offenen Fragen die Richtlinie 190 „Betreiberverantwortung im Facility Management“ entwickelt und Mitte dieses Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Begriff wird so definiert:
„Die Betreiberverantwortung besteht überall dort, wo sich durch das Betreiben von Gebäuden und Anlagen, aber auch durch unabhängige Dienste Gefahren oder Nachteile für Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder sonstige Rechte von Personen oder für die Umwelt ergeben.“
Die Betreiberverantwortung, bisher noch nicht als Ganzes untersucht und in der Fachliteratur kaum beachtet, ist ein komplexes Thema an den Schnittstellen von Technik, Beschaffung, Recht und Versicherung. Sie steht hinter den meisten Fragen, die der Einkauf im Zusammenhang mit dem Outsourcing von Dienstleistungen zu klären hat. Das Wissen über die Betreiberverantwortung und die Beherrschung der notwendigen Methoden und Werkzeuge wird zunehmend über den Erfolg der Vertragsarbeit entscheiden.
Für das umfangreiche Werk, das gleichermaßen Auftraggeber und Auftragnehmer helfen soll, wurden erstmalig die vielfältigen Informationen aus der Sicht des Betreiberrisikos gesammelt, bewertet und übersichtlich strukturiert.
Die GEFMA 190 bietet:
  • eine Zusammenstellung der wichtigsten rechtlichen und technischen Grundlagen,
  • die Untersuchung der Möglichkeiten zur Entlastung von Verantwortungen,
  • einen Überblick der Haftungsdeckungsmöglichkeiten bei Versicherern;
und sie gibt Empfehlungen
  • für den sicheren Umgang mit der Verantwortung,
  • die dafür notwendigen organisatorischen Ansätze,
  • eine methodische Unterstützung und
  • Checklisten zu Untersuchungen von Risiken, Entwicklung einer entlastenden Dokumentation und zur Überwachung von Prozessen.
Rechtliche Basis der Betreiberverantwortung: Für Objekte und Dienste der Unternehmen, der sozialen Einrichtungen und der öffentlichen Verwaltung sind die unterschiedlichsten Rechtsgebiete zu berücksichtigen.
Verfasser von Gesetzen, Verordnungen und Regelwerken: Die Menge zu berücksichtigender Regeln, deren häufige Änderungen und die Zahl der zu Regelungen Befugten erschweren den Überblick. Der Einkauf kann dafür nicht verantwortlich sein, aber er ist verantwortlich dafür, dass er sich notwendige Informationen rechtzeitig von kompetenten Stellen geben lässt.
Sie regeln die Pflichten der Unternehmen gegenüber den durch die Risiken Betroffenen und sagen, welche Personen innerhalb der Unternehmen dafür Verantwortung tragen sollen.
Die Rechtsfolgen einer Missachtung der Betreiberverantwortung können für das Unternehmen Schadensersatz, Bußgeld, Nutzungsverbot, Stilllegung oder Verlust des Versicherungsschutzes sein. Die innerhalb des Unternehmens verantwortlichen Personen müssen mit internen Maßnahmen rechnen, aber auch mit Schadensersatzforderungen Dritter, mit Bußgeld, Geldstrafen, Freiheitsstrafe oder Berufsverbot. Sie können darüber hinaus ihren persönlichen Versicherungsschutz verlieren.
Management der Haftungs- und Versicherungssachverhalte
Schadens- und Haftungsumfang: Die mit den Verträgen verbundenen Risiken, insbesondere aus der Betreiberverantwortung, sind an vielen Stellen zu prüfen. Der Einkauf wird diese Maßnahmen koordinieren müssen, denn bei ihm laufen die Fäden zusammen. Ein Ansatz könnte sein, für die Risiken aus eigenen Schäden und aus gesetzlichen Haftungen eine Checkliste der denkbaren Schäden zu entwickeln und im Einzelfall mit allen Betroffenen gemeinsam zu klären, welche Haftungsfragen relevant sind und wie damit umgegangen werden soll.
Die entsprechende Checkliste dient als Anregung zur Beschreibung von Schadensarten, Schadenspotenzialen und Haftungen.
Versicherung: Haftungsrisiken werden von Auftraggebern und Auftragnehmern, soweit das rechtlich zulässig und wirtschaftlich vertretbar ist, möglichst durch Versicherungen abgedeckt. Beim Outsourcing von Diensten mit seinen vielfältigen Sachverhalten sind auch die Versicherungsfragen komplex. Es gibt eine ganz Reihe von in Frage kommenden Versicherungsarten, beispielsweise Sach-, Betriebshaftpflicht-, Betriebsunterbrechungs-, Umwelthaftpflicht- oder Unfallversicherungen.
Die Versicherungen von Auftraggeber, Auftragnehmer und möglicherweise dessen Subunternehmern sollen sich ergänzen, sie überschneiden sich häufig oder lassen Deckungslücken offen. Meistens sind mehrere Verantwortliche eingebunden, etwa Versicherungsabteilungen, Versicherungsmakler, Versicherer von Auftraggeber und Auftragnehmer und schließlich die Juristen der Beteiligten.
In der Praxis sind die Versicherungsbeziehungen der Beteiligten gelegentlich noch unübersichtlicher. Hinzu kommt, dass längst nicht alle Risiken versicherbar sind, dass vielfach nicht die gesamte Höhe des Risikos abgesichert ist und dass die Versicherer Möglichkeiten haben, Zahlungen zu verweigern – insbesondere bei der Geltendmachung von Vermögensschäden.
Der Geschädigte kann in der Regel keine Ansprüche gegen den Versicherer geltend machen, sondern nur gegen seinen Vertragspartner. Wird dieser z.B. zwischenzeitlich insolvent, dann wird die fällige Versicherungssumme vom Insolvenzverwalter kassiert und nicht an den Geschädigten ausgezahlt.
Versicherungsfragen gehören zu den kompliziertesten Sachverhalten, die beim Abschluss eines Vertrages zu behandeln sind. Der Einkäufer kann sie nur selten selbst übersehen und sollte es möglichst auch nicht versuchen. Er hat geeignete interne oder externe Experten zu suchen und mit ihnen gemeinsam vertretbare Regelungen zu formulieren. Checklisten können diese Arbeit erleichtern.
Was kann der Einkauf tun?
Der Einkauf ist bei Dienstleistungsverträgen in vielfacher Weise mit der Betreiberverantwortung konfrontiert. Er ist allein oder gemeinsam mit dem Bedarfsträger dafür verantwortlich, dass die Fragen zu Haftungen und Versicherungen frühzeitig gestellt, geklärt und in den Verträgen entsprechend behandelt werden. Er ist über den Vertragsabschluss hinaus verantwortlich, dass eventuell über Jahre hinweg ein ausreichendes Vertragsmanagement stattfindet und Änderungen des Bedarfs, der Risiken oder sonstiger Umstände zuverlässig eingearbeitet werden.
Dazu kann er Folgendes tun:
  • Die GEFMA 190 beschaffen und sich mit dem Thema Betreiberverantwortung gründlich vertraut machen;
  • durch ständige Schulung die Voraussetzungen für die Gestaltung guter Dienstleistungsverträge schaffen;
  • ein Vertragsmanagement aufbauen, mit dem lang laufende Outsourcingverträge sicher gesteuert und überwacht werden können;
  • die Verantwortungen für alle an der Vertragsarbeit Beteiligten schriftlich festlegen;
  • Umschalten auf einen neuen Umfang der Vertragsverantwortung; vom Einzelkämpfer mit einer funktionalen Verantwortung zwischen Bedarfsmeldung und Vertragsabschluss zum Teamplayer, der bereits bei der Bedarfsbeschreibung Hilfestellung leistet und den Vertrag während seiner ganzen Laufzeit intensiv begleitet und überwacht;
  • Entwicklung und Pflege der Vertragsarbeit gemeinsam mit dem Bedarfsträger, der Rechtsabteilung, dem Versicherungsexperten und sonstigen Beteiligten
  • sicherstellen, dass Dienstleistungsverträge oder Module dafür auf keinen Fall unkritisch für den nächsten Bedarfsfall recycelt werden;
  • sich, wenn dafür die Voraussetzungen im eigenen Hause nicht gegeben sind, Hilfe von außen holen für die Bewertung der Ist-Situation und die Entwicklung erfolgversprechender Methoden und Werkzeuge.
Literatur:
GEFMA Richtlinie 190 – Betreiberverantwortung im Facility Management, 78 Euro; Bezug bei GEFMA e.V., 53129 Bonn, Tel. 02 28/23 03 74;
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