Startseite » Allgemein »

Insight Automotive: Industrie 4.0

Eine Standortbestimmung
Insight Automotive: Industrie 4.0

Das Thema „Industrie 4.0“ ist eines der absoluten Buzzwords. Trotz der Euphorie gibt es kaum konkrete Beispiele, die die erwarteten Potenziale verifizieren. Die Automobilindustrie gilt als Vorreiter vieler Industrietrends. Wie geht diese Branche mit dem Thema um?

Industrie 4.0 fällt bei der deutschen Automobilindustrie auf fruchtbaren Boden. Aber „Industrie 4.0“ ist nicht die einzige Stoßrichtung für die (deutschen) OEMs und ihre Zulieferer, um die eigene Produktivität und damit Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Die Themen „Digitale Fabrik“ und „Lean Management“ haben schon vor Jahren Einzug in die Entwicklungs- und Produktionsabteilungen gehalten. Nun gilt es, diese teilweise sehr unterschiedlichen Ansätze, die auch noch von verschiedenen Gruppen und Fachbereichen im Unternehmen propagiert werden, zu synchronisieren.

Da der Begriff Industrie 4.0 momentan quasi zum Modewort geworden ist, werden viele Projekte unter diesem Begriff subsumiert. Natürlich gibt es auch Projekte die einer kritischen Beurteilung standhalten und als „wirkliche“ erste Projekte in Richtung Industrie 4.0 angesehen werden können.
Bei Audi werden unter dem Begriff Industrie 4.0 auch Aktivitäten im Bereich „Digitale Fabrik“ subsumiert. Das Thema der Bidirektionalen Integration von der Vorserie über die Logistik bis zur Produktion ist ein konkretes Beispiel und steht auf dem Plan des Ingolstädter Autobauers. Andere Aktivitäten umfassen vorausschauende Instandhaltung, 3D-Drucker für Prototypteile, IT-Sicherheit, um nur einige Beispiele zu nennen. Basis hierfür sind Big-Data-Systeme und natürlich auch die echtzeitfähige Darstellung der relevanten Ergebnisse.
Auch bei BMW laufen Projekte im Umfeld Industrie 4.0. Es wird nicht überraschen, dass die Ansätze der einzelnen OEMs sich natürlich auf dieser groben Beschreibungsebene sehr ähneln, im Detail unterscheiden sie sich naturgemäß, was mit den konkreten und spezifischen Potenzialen und Handlungsfeldern zu tun hat. Auch BMW geht vermehrt in das Thema Simulation. Hier steht das Thema Produktionssimulation im Vordergrund. Ferner wird die Interaktion zwischen Mensch und Roboter angegangen. Die Vernetzung der einzelnen Produktionsstätten untereinander und zwischen den verschiedenen Fachbereichen (Entwicklung, Produktion, Aftersales) ist hier ebenfalls ein Thema. Zu guter Letzt stehen auch Ansätze für Assistenzsysteme in der Produktion im Fokus. Basis aller Aktivitäten stellen, analog zu Audi, Big-Data-Systeme der verschiedensten Hersteller dar. Wie bei allen OEMs ist der Produkthersteller hier ein austauschbarer Lieferant. Big Data wird als „Commodity“ angesehen. Ein weiterer spezieller Ansatz bei BMW ist die starke Berücksichtigung von Umwelt- und damit Nachhaltigkeitsaspekten.
Beim Konkurrenten Daimler sind unter anderem Projekte im Bereich Produktion mit kooperierenden und sensitiven Robotern durchgeführt worden. Hierüber wird eine erhebliche Flexibilisierung der Produktionsprozesse erreicht. Auch bei Daimler wird massiv in Richtung Digitale Fabrik bearbeitet. Hierdurch wird eine Verkürzung der Anlaufzeiten erreicht. Dies wird durch virtuelle Absicherungen und virtuelle Inbetriebnahme möglich.
Problemfelder bei der Umsetzung. Ein zentraler Punkt beim Thema Digitale Fabrik (kurz: DF) ist eine zentrale Datenbasis. Plakativ könnte man also DF als „Industrie 3.x“ im Sinne der Industrie-4.0-Initiative sehen. Beide Ansätze schließen sich also nicht aus, sondern Industrie 4.0 ist eine konsequente Weiterführung der DF-Ansätze oder anders ausgedrückt eine durchgehende Digitalisierung in Form einer DF ist eine gute, wenn nicht sogar zwingende Voraussetzung für Industrie 4.0.
Und hier fangen auch schon die „Probleme“ an. Um es vorwegzunehmen: Eine durchgehende und damit vollständige Digitalisierung von der Produktidee bis zum Aftersales auf allen Ebenen findet sich aktuell weder bei einem OEM noch bei einem Zulieferer. Dies beinhaltet auch die prozessbezogene Integration von Produktion und Entwicklung und zwar in beide Richtungen, also auch die Rückmeldung aus der Produktion in die Entwicklung. Speziell hier liegen einige Potenziale, die praktisch flächendeckend von allen OEMs nicht ausreichend genutzt werden.
Ein wichtiger Teilbereich der DF ist das breite Themengebiet der Simulation. Das Thema Simulation ist quasi als „Enabler“ für Industrie-4.0-Ansätze zu sehen. Nur hierüber lässt sich eine weitere Effizienzsteigerung erreichen. Es können frühzeitig ohne Medienbrüche Auswirkungen von Veränderungen kosten- und zeitgünstig untersucht und analysiert werden. Somit ist die Verbindung beider Ansätze für eine nachhaltige Effizienz- und Effektivitäts-Steigerung in der Produktion von zentraler Bedeutung.
Bleibt noch, das Thema Lean Management und dessen „Verheiratung“ mit Industrie-4.0-/DF-Ansätzen zu diskutieren. Die schlanke Produktion setzt stark auf Standardisierung, sowohl der Abläufe/Prozesse als auch der Infrastruktur. Grundlage hier ist der kontinuierliche Fluss, Takt auf der Werkerebene (Heijunka, Kanban, Milkrun, Supermärkte usw.). Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) ist ebenso Bestandteil einer jeden schlanken Produktion. All diese Ansätze wurden mehr oder weniger konsequent durch die OEMs und deren Zulieferer umgesetzt. Im europäischen Raum werden zur Umsetzung IT-Systeme benutzt.
Dieser Ansatz steht zumindest teilweise im Widerspruch zu den Industrie-4.0-Ansätzen einer Vernetzung von Objekten und deren Selbststeuerung, also einer stark dezentralen Steuerung und Koordination, um hierüber ein Mehr an Flexibilität zu erreichen. Die IT-technische Durchdringung der Produktion unter Einsatz maschineller Intelligenz wird also genutzt, um kurzfristige Änderungen zu realisieren und zur Optimierung der gesamten Abläufe. Beide Ansätze ergänzen sich also zu einem gewissen Grad. Lean Production sorgt für den generellen optimalen Ablauf und Industrie-4.0-Ansätze helfen, die täglichen „Katastrophen“ (soll heißen Änderungen, Verwirbelungen usw.) zu meistern.
Einschätzung. Aktuell erfolgt die Diskussion rund um Industrie 4.0 sehr IT-lastig. Es besteht die Gefahr des „alten Weins in neuen Schläuchen“ und dass die IT Dinge verspricht, die im Nachgang (nach vielen gescheiterten Projekten) nicht haltbar sind. Die aktuellen, seitens der Industrie vorangetriebenen Projekte, zielen hingegen auf eine erhebliche Produktions- und Qualitätssteigerung ab. Es ist daher nicht überraschend, dass klassische IT-Dienstleister und IT-Produkthersteller bei diesen ersten Projekten eine eher untergeordnete Rolle spielen. Dies wird zwar von der IT-Branche anders suggeriert, ändert aber nichts an der Tatsache. IT-Produkte werden ohne Prozessverständnis der Hersteller für die Endkunden immer mehr austauschbar.
Ein Beispiel ist der 3-D-Drucker. Er findet von vielen Produktherstellern nur im Zusammenhang mit der Teileproduktion Erwähnung. Ein weiterer wichtiger Punkt hier ist die Vereinfachung der Logistikprozesse, vor allem für kritische Teile und die damit verbundene Risikominimierung.
Industrie 4.0 ist eine konsequente Weiterführung der DF-Ansätze beziehungsweise verbindet diese mit weiteren Möglichkeiten. Der Begriff der „Revolution“ ist hier eher etwas populistisch formuliert und wohl mehr der Greifbarkeit des Themas geschuldet. Ungeachtet der Aussagen einiger Analysten ist die deutsche Industrie hier auf einem sehr guten Weg und weder der produzierende Mittelstand noch die Großindustrie sind mit dem Thema überfordert. Was fehlt, sind kompetente Beratungs- und Lösungsansätze der klassischen IT-Unternehmen. Hier bedarf es nicht noch weiterer Produkte, sondern der ganzheitlichen Betrachtung, d. h. Fachprozesse und IT und damit tun sich IT-Unternehmen bekanntlich etwas schwer.
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 3
Ausgabe
3.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de