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Integriertes Kostenmanagement

Wertmanagement bei Top-Unternehmen
Integriertes Kostenmanagement

Sollte das Kostenmanagement nur Dienstleister des Einkaufs oder von diesem ein Stück weit unabhängig positioniert sein? Welches Modell ermöglicht die bessere Potenzialausschöpfung: die klassische Organisationsstruktur oder ein „Kompetenzzentrum Kostenmanagement“, das im Zusammenspiel mit Entwicklung, Einkauf und Finanzen integrierte Lösungen bewirkt? Diesen Fragen ist die Polarixpartner GmbH im Rahmen einer Studie unter den TOPs der fertigenden Industrie nachgegangen.

Rund 50 Prozent der OEMs sind mit ihrem Kostenmanagement unzufrieden. Das hat eine Studie der Managementberatung Polarixpartner GmbH ergeben. Befragt worden sind Führungskräfte von Unternehmen der Branchen Automotive, Maschinenbau, Luftfahrtechnik und Rüstung mit jeweils über einer Milliarde Euro Jahresumsatz. Die Ergebnisse bleiben hinter dem selbstgestellten Anspruch an Management-Qualität weit zurück. Integrierte Steuerungs- und Optimierungsstrategien werden nur begrenzt verfolgt.

Man konzentriert sich auf Teile- und Werkzeugkosten und vernachlässigt die Produktentwicklung. Knapp ein Drittel setzt kein Value Analysis/Value Engineering ein, obwohl hier der größte Einfluss auf die Kosten genommen werden könnte. Auch bei den Management-Tools existieren Defizite. Hebel der Produktwertgestaltung in der frühen Phase wie Modularisierung oder Funktionskostenoptimierung werden nur von einem Viertel der Unternehmen genutzt, die klassischen Vorgehensweisen Cost-Break-Down- und Bottom-up-Kosten-Analysen von mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmen.
 
Polarixpartner-Geschäftsführer Markus Wiederstein. „Erstaunlicherweise besteht bei Deutschlands Industrieelite ein ebenso großes Gefälle in Punkto Know-how, Strategie und operativer Umsetzung wie wir es bisher aus der Befragung mittelständischer und kleinerer Unternehmen kannten.“
Üblicherweise sind Effizienzstudien auf einzelne Unternehmensfunktionen begrenzt und von einem starken positiven Eigenbild der Akteure – zum Beispiel der Einkäufer – geprägt. Die Lage wird aus der Innensicht oft besser dargestellt, als sie es tatsächlich ist. In diesem Fall wurden aber Einkäufer, Entwickler, Controller und Kostenmanager gleichzeitig befragt, um systemische Divergenzen aufzuspüren. Diese bestehen ganz offensichtlich: Fachabteilungen desselben Unternehmens beurteilten die Situation zum Teil diametral unterschiedlich. Dafür gibt es nur eine Erklärung: Es existieren keine einheitlichen Definitionen von Zielen, Prozessen und Kennzahlen. Nicht einmal das, obwohl das Kostenmanagement seit Jahren stets ganz oben auf der CFO-Agenda steht.
Polarixpartner-Geschäftsführer Markus Wiederstein.
Bild: Polarix
 
Deshalb ist der Frage nachgegangen, ob das Kostenmanagement aufgrund seiner Positionierung in den Unternehmen überhaupt in der Lage ist, effizient im Sinne einer Corporate Performance zu agieren. In 45 Prozent der OEMs ist die Funktion beim Einkauf angesiedelt. Hier sind die Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt. Wiederstein: „Der Fokus liegt auf der Vergabephase und auf Einsparungen bei der laufenden Serie. Hebel der Produktwertgestaltung sind nur limitiert einsetzbar und Optimierungen etwa bei Werkzeugen kaum wirtschaftlich.“ Zudem bestehen Akzeptanzprobleme. Das Kostenmanagement wird sehr häufig als Einkaufsinitiative oder als Dienstleister des Einkaufs – sozusagen als Erfüllungsgehilfe wahrgenommen und wird blockiert, selbst wenn es mit bereichsübergreifenden Befugnissen ausgestattet sein sollte.
 
Als Alternativmodell beschreibt Wiederstein ein „Kostenmanagement als unabhängiges Kompetenzzentrum, das im Zusammenspiel mit der Entwicklung, dem Einkauf und den Finanzen integrierte Lösungen ermöglicht“. In rund 20 Prozent der befragten Unternehmen ist das Kostenmanagement eine Stabsfunktion des Vorstands beziehungsweise der Geschäftsführung oder dem CFO zugeordnet. Dort, wo der Kostenmanager sozusagen „Koch statt Kellner“ ist, fällt die kritische crossfunktionale Bewertung deutlich besser aus. 
 
Beschaffung aktuell befragte Einkaufspraktiker: Welche Modelle ermöglichen die bessere Potenzialausschöpfung?
„Ein unabhängiges Kostenmanagement ist effektiver und bringt eher Impulse, die aufgegriffen bzw. umgesetzt werden können. Das Zusammenspiel der einzelnen Bereiche wird durch sanften Druck von außen gefördert. Der Wertanalyse wird in der Zukunft eine größere Bedeutung zukommen, und zwar nicht nur im Einkauf. Wichtig ist es nicht nur die bestehenden Produkte einer Wertanalyse zu unterziehen, sondern auch die in der Entwicklung befindlichen.“ Uwe Hatwieger, Leiter Einkauf, Hainbuch GmbH
Uwe Hatwieger, Leiter Einkauf, Hainbuch GmbH
Bild: Hainbuch
 
„Das Kostenmanagement sollte Dienstleister für Einkaufskollegen sein, zugleich aber unabhängig agieren und die endgültige Entscheidung treffen können, ‚ob ja oder nein‘. Wir bauen zurzeit ein Kompetenzzentrum auf. Die Umsetzung erfolgt im April 2015. VA/VE ist eine Pflichtmaßnahme für jedes Unternehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies betrifft grundsätzlich alle Prozesse im Einkauf.“ Václav Vetrák, Manager Cost Engineering/Osram GmbH
 
 
„Ich finde ein Kompetenzzentrum eine gute Idee. Ein übergeordneter Blick auf alle Finanzaspekte ist für die Weiterentwicklung förderlich. Es ist sinnvoll, die Führungskräfte auf gemeinsame Ziele zu fokussieren und damit die Kostenführerschaft nach vorne zu treiben. Ich halte VA/VE für einen weitaus größeren Hebel als die klassische Preisverhandlung/-reduzierung. Unternehmen, die diesen Ansatz verfolgen, haben erheblich größere Chancen, auf lange Sicht überdurchschnittliche Betriebsergebnisse zu erzielen.“ Hanno Hildebrandt, Leiter Einkauf, Aerzener Maschinenfabrik GmbH
Hanno Hildebrandt, Leiter Einkauf, Aerzener Maschinenfabrik GmbH
Bild: Aerzener
 
Das Kostenmanagement sollte alle Bereiche entlang der Wertschöpfungskette erfassen. Daher muss es eine integrative Kompetenz über die komplette Kette besitzen, was sich aus meiner Sicht am besten durch einen „Kompetenzzentrumsansatz“ abbilden lässt. Je nach Bedarf kann man durch die Stärkung einer Funktion die Ausrichtung auf die Notwendigkeiten des Unternehmens anpassen.“ Dr. Norbert Flüggen, Chief Sourcing Officer, Altana AG
Dr. Norbert Flüggen, Chief Sourcing Officer, Altana AG
Bild: Altana
„Unternehmen, die eine positiv gelebte Matrixorganisation etabliert haben, über eine gute Balance von Top-Down und Bottom-Up verfügen, machen sich weniger Gedanken um eine Organisationstruktur vielmehr aber um deren Fähigkeiten. Klassisch und hierarchisch geführte Unternehmen legen dagegen sehr viel Wert auf die Strukturen, agieren sehr linienorientiert und sind auf Umsetzungseffizienz getrimmt. Im erfolgreichen VA/VE geht es vor allem um die interdisziplinäre Teamfähigkeit. Die Fähigkeit dazu steht in einem direkten Zusammenhang mit der Unternehmensleitkultur.“ Bernd Reisacher, Vice President Group Procurement, Kaba AG
Bernd Reisacher, Vice President Group Procurement, Kaba AG
Bild: Kaba

Ungenutzte Potenziale

Studienergebnisse

  • 22 Prozent der Unternehmen schätzen ihr Kostenmanagement als sehr gut ein. Dies sind hauptsächlich Automobilhersteller und -zulieferer. Der Maschinen- und Anlagenbau zieht „lernend nach“ und baut seine Kostenmanagement-Ressourcen aus.
  • Nur 40 Prozent der Unternehmen beschäftigen sich mit einer Optimierung der Supply Chain (doppelte Overhead-Beaufschlagung, Best Cost Country).
  • Aufgrund des starken Einkaufsfokus bleiben In- und Outsourcing-Potenziale weitgehend ungenutzt.
  • Nur knapp 60 Prozent der Unternehmen beschäftigen sich mit der Optimierung der Werkzeugkosten.
  • 73 Prozent der befragten Unternehmen haben die Entwicklungskosten kaum oder gar nicht im Blick. Gleiches gilt für die Investitionskosten (Anlagenbeschaffung etc.).
  • Branchen mit geringen Produkt-Stückzahlen legen kaum Wert auf eine Optimierung der Einmalkosten (Werkzeuge, Entwicklung, Investitionen).
  • In vielen Unternehmen besteht ein Akzeptanzproblem (Kostenmanagement = Dienstleister des Einkaufs). Zudem divergiert das Selbstbild zur tatsächlichen Lage und zu den oft bescheidenen Fortschritten.
  • Mehr als zwei Drittel der Führungskräfte sehen Handlungsbedarf im Wissensmanagement.
Quelle: Studie „Wert- und Kostenmanagement bei den TOP-Unternehmen“/Polarixpartner, 2015
 
Der Autor: 
Manfred Godek, Journalist, Monheim
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