In Zeiten der Digitalisierung ist der Einkauf von Informationstechnologie keine taktische Funktion mehr. Er nimmt zunehmend eine strategische Rolle ein, in der er mit darüber entscheidet, wie sich das Unternehmen über neue Geschäftsmodelle oder Services vom Wettbewerb differenzieren kann. „Das funktioniert nur, wenn IT und Einkauf an einem Strang ziehen“, betonte BME-Hauptgeschäftsführer Dr. Silvius Grobosch bei der Eröffnung der IT-Sourcing 2018 vor rund 200 Teilnehmern im Hamburger Radisson Hotel. Dabei gehe es neben der Automatisierung der Geschäftsprozesse vor allem um neue „Operating Models“, in deren Fokus smarte, intelligente und end-to-end-integrierte Prozesse stehen, mit deren Hilfe die Unternehmen agil ihre Marktchancen nutzen und mögliche Risiken beherrschen können.
IT und Einkauf als Business Partner
Die Zeiten, in denen Einkaufschefs die Technologiebeschaffung gerne an die IT abschieben – laut einer Economist-Studie berichten 73 Prozent des IT-Einkaufs an den CIO – dürften zu Ende gehen. Ob die Rollen von CIO und CPO wirklich immer mehr verschmelzen, wie Petra Zijlstra, General Manager IT Category bei Shell in Hamburg prognostizierte, sei dahin gestellt. Aber sie unterstrich zu Recht, dass beide Seiten zu echten Business Partnern werden müssen, die dieselbe Sprache sprechen. Vor allem Procurement müsse verstehen, was die IT tue und brauche, sagte die IT-Einkaufsleiterin, die früher selbst als CIO tätig war. Die Halbwertzeit des Wissens digitaler Technologien liege bei zwei Jahren; entsprechend müsse das „Skill set“ des Einkäufers ständig weiterentwickelt werden: „Er muss verstehen, was Cloud und Artificial Intelligence bedeuten, und nicht nur die Worte benutzen.“ Andererseits müsse der Einkauf auch früher in die Prozesse eingeschaltet werden: „Wir sind nicht der Lieferservice für Bedarfe“, so Zijlstra.
Wildwuchs bei Lieferantenauswahl beenden
Eine weitere Herausforderung ist die Auswahl der richtigen Lösungsanbieter. Ralf Rinsch vom Bereich Provider Management bei der RWESupply and Trading GmbH beobachtet eine massive Verlagerung von Budgets in digitale Projekte in fast allen Fachbereichen. Die Wahl des Anbieters läuft dann nicht selten am Einkauf vorbei. Die Anfrage durch den Fachbereich erfolgt ungeprüft und am Ende soll der Einkauf nur noch bestellen. Um diesem Wildwuchs eine effektive Evaluierung entgegenzusetzen, hat man bei RWE ein Vendor Scouting etabliert. Auswahl und Prüfung der Lieferanten werden von einem externen Servicepartner vorgenommen und über eine zentrale Ausschreibungsplattform gesteuert.
Einkauf muss agil werden
Der Einkauf kann nicht mit seiner alten Logik weiterarbeiten, lautete die Botschaft von Prof. Ayelt Komus von der Hochschule Koblenz: „Digitalisierung ist mehr als die Elektrifzierung von Prozessen.“ Die aktuelle Studie „Agiler Einkauf 2018“, die Komus mit dem BME durchgeführt hat, zeige, dass der Einkauf zwar den digitalen Wandel wahrnehme, sehe sich aber für die Umsetzung und Mitgestaltung selbst schlecht aufgestellt sehe. Die Einkaufsorganisationen seien noch zu wenig darauf ausgerichtet, dass Bedarfe entstünden in Technologiebereichen, die noch gar nicht vollständig überschaubar seien. „Plangetriebenes Beschaffungsmanagement hilft hier nicht mehr weiter“, sagte Komus. Agile Methoden und Prinzipien aus den Bereichen „Scrum“, „IT-Kanban“ und „Design Thinking“ seien hilfreich, sich in einer komplexen Welt agiler aufzustellen und das Einkaufsmanagement zu verbessern.
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